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Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 10.11.1980
15 W 122/80 -

Wohnungseigentümer­gemeinschaft kann völliges Musizierverbot nicht mehrheitlich beschließen

Annahme eines absoluten Verbots bei zeitlicher Beschränkung des Musizierens auf werktags und auf 1 ¼ Stunden täglich

Eine Wohnungseigentümer­gemeinschaft kann durch einen Mehrheitsbeschluss kein vollständiges Musizierverbot beschließen. Ein solcher Beschluss ist sittenwidrig und damit unwirksam. Wird das Musizieren auf 1 ¼ Stunden an Werktagen beschränkt, so ist darin ein generelles Musizierverbot zu sehen. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall hat eine Wohnungseigentümerversammlung im August 1978 beschlossen, dass eine Wohnungseigentümerin lediglich in der Zeit von 10.15 und 11.30 Uhr Klavier spielen darf und dies auch nur werktags. Zudem habe sie nur in einer Lautstärke spielen dürfen, die in den anderen Wohnungen nicht zu hören ist. Die Wohnungseigentümerin klagte daraufhin gegen den Beschluss.

Wohnungseigentümerbeschluss verstieß gegen Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender

Das Oberlandesgericht Hamm entschied zu Gunsten der Wohnungseigentümerin. Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung sei wegen Sittenwidrigkeit unwirksam gewesen (§ 138 BGB). Denn ein generelles Verbot der Musikausübung verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkender.

Musizieren gehört zur Lebensführung

Ein Musizierverbot sprenge nach Ansicht des Oberlandesgerichts die Grenzen der gebotenen gegenseitigen Rücksichtsnahme aller Hausbewohner. Es könne nicht mehr als angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Interessen - Musikausübung einerseits, ungestörte Ruhe andererseits - angesehen werden. Die Wohnung diene einem ungestörten Leben mit der Familie und der Ausübung von privaten Interessen, wie dem Klavierspielen. Sie solle Gelegenheit zur Entspannung und Erholung bieten. Das Musizieren in der eigenen Wohnung diene der freien Entfaltung der Persönlichkeit und sei damit grundrechtlich geschützt (Art. 2 Abs. 1 GG).

Lautstärkebegrenzung begründete vollständiges Musizierverbot

Zwar habe der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft streng genommen die Musikausübung nicht vollständig verboten, so das Oberlandesgericht weiter. Der Beschluss habe sich aber praktisch als vollständiges Verbot ausgewirkt. Dies habe sich zum einen daraus ergeben, dass mit der Beschränkung der Laustärke ein sinnvolles Musizieren nicht möglich war. Die Beschränkung auf Zimmerlautstärke stelle praktisch ein Verbot des Musizierens dar.

Annahme eines absoluten Musizierverbots aufgrund zeitlicher Beschränkung des Klavierspielens

Zum anderen habe aufgrund der zeitlichen Beschränkung des Klavierspielens nach Ansicht des Gerichts ein absolutes Musizierverbot vorgelegen. Dies habe zunächst im Hinblick darauf gegolten, dass das Musizieren an Sonn- und Feiertagen vollständig untersagt wurde. Ein allgemeines Musizierverbot dürfe aber nicht für bestimmte Tage ausgesprochen werden. Es sei nämlich zu beachten gewesen, dass gerade an Tagen wie Weihnachten, Silvester oder Karneval vielfältig ein besonderes Bedürfnis zum Musizieren besteht. An diesen Tagen entspreche die Ausübung von Hausmusik den allgemeinen Sitten und Gewohnheiten.

Beschränkung auf eine gewisse Dauer grundsätzlich zulässig

Die Richter betonten zwar, dass eine Beschränkung des Musizierens auf eine bestimmte tägliche Dauer grundsätzlich zulässig sei. Zudem müsse üblicherweise in der Zeit der Nachtruhe und der Mittagsruhe das Musizieren unterbleiben. Es dürfe aber nur ein Rahmen und keine starren Fristen festgelegt werden. Die hier vorliegende zeitliche Begrenzung habe jedenfalls dazu geführt, dass es der berufstätigen Wohnungseigentümerin nicht möglich war, werktags zu musizieren. Sie habe allenfalls am Samstag und dann auch nur von 10.15 bis 11.30 Uhr Klavier spielen dürfen. Angesichts der zu erledigenden häuslichen Arbeiten und Einkäufe, sei dies hingegen praktisch wertlos gewesen.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 20.06.2013
Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (zt/NJW 1981, 465/rb)

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