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Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Urteil vom 15.04.2010
LV 5/09 -

Nächtliche Anordnung von Blutprobenentnahmen durch Polizeibeamte bei Verdacht einer Trunkenheitsfahrt nicht verfassungswidrig

Richterlicher Bereitschaftsdienst "rund um die Uhr" nicht nötig

Eine nächtliche Anordnung von Blutprobenentnahmen durch Polizeibeamte wegen Verdachts einer Trunkenheitsfahrt und eine daraus resultierende gerichtlich angeordnete vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme des Führerscheins ist nicht verfassungswidrig. Dies entschied der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes.

Hintergrund des Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist, dass sich die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme des Führerscheins des Beschwerdeführers auf das Ergebnis der Untersuchung einer Blutprobe stützen, deren Entnahme von Polizeibeamten angeordnet worden war, weil zum Zeitpunkt des Aufgreifens des Beschwerdeführers zur Nachtzeit kein richterlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet war.

Beschwerdeführer Ergebnis der Blutprobenuntersuchung ohne richterliche Anordnung für unverwertbar

Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, das Ergebnis der Blutprobenuntersuchung sei unverwertbar, da die rechtlichen Voraussetzungen einer Befugnis der Polizei zur Anordnung der Entnahme einer Blutprobe nach § 81 a Absatz 2 Strafprozessordnung (StPO) nicht vorgelegen hätten. Daher verletzten die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme seines Führerscheins die durch Art. 14 Absatz 2 der Verfassung des Saarlandes (SVerf) garantierte Unschuldsvermutung. Denn angesichts der von § 81 a Abs. 2 StPO vorgesehenen vorrangigen richterlichen Kompetenz zu einem solchen Eingriff und angesichts der zu erwartenden Vielzahl der außerhalb der gegenwärtigen Organisation des richterlichen Bereitschaftsdienstes im Saarland zu erwartenden Fälle, in denen die Anordnung einer Blutprobe in Betracht komme, müsse das Saarland einen richterlichen Bereitschaftsdienst "rund um die Uhr" einrichten.

Grundrechte der Unschuldsvermutung bei Anordnung von Blutprobe ohne Richterbeschluss und Fahrerlaubnisentziehung nicht verletzt

Die Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Die von der Verfassung des Saarlandes gewährleisteten Grundrechte der Unschuldsvermutung und eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens sind nicht verletzt, wenn Gerichte eine Fahrerlaubnis vorläufig entziehen, weil eine zur Nachtzeit wegen Fehlens eines richterlichen Bereitschaftsdienstes polizeilich angeordnete Blutentnahme dringende Gründe für die Annahme ergibt, dem Betroffenen werde die Fahrerlaubnis entzogen. Die Verfassung des Saarlandes verlangt nicht, dass die für die Regelung und Organisation des richterlichen Bereitschaftsdienstes zuständigen Organe der Justiz - allein wegen der zu erwartenden Anzahl von Anträgen auf Anordnung einer Blutentnahme nach § 81 a StPO - auch zur Nachtzeit einen für Eilfälle zuständigen Ermittlungsrichter bestimmen. Gegen die Verwertung der ohne eine solche vorherige richterliche Entscheidung gewonnenen Erkenntnisse bestehen daher - aus der für den Verfassungsgerichtshof des Saarlandes allein maßgeblichen Sicht der Landesverfassung - keine Bedenken.

Justizverwaltung und Gerichte müssen im Einzelfall Vorkehrungen treffen, die richterliche Entscheidung ermöglichen

Zwar kann aus der zu erwartenden Zahl von grundsätzlich nur nach richterlicher Erlaubnis zulässigen Eingriffen in Freiheitsrechte durchaus folgen, dass Justizverwaltung und Gerichte Vorkehrungen treffen müssen, die eine - nicht nur formale - richterliche Entscheidung ermöglichen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn - etwa aus Anlass von großen, risikoträchtigen sportlichen oder kulturellen Veranstaltungen oder bei der Einrichtung von viele Menschen betreffenden polizeilichen Kontrollstellen - eine über den Einzelfall hinausgehende Zahl von körperlichen Untersuchungen, Durchsuchungen oder Ingewahrsamnahmen außerhalb der regelmäßigen zeitlichen Verfügbarkeit eines Ermittlungsrichters zu erwarten ist. Dies beruht jedoch darauf, das bei einem solchen polizeilichen Lagebild von vornherein typischerweise von einer kontroversen Beurteilung der Rechtmäßigkeit und Angemessenheit des polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Eingriffs durch die Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden einerseits und die betroffenen Personen andererseits zu rechnen ist.

In der Regel ist keine Alternative zur richterlichen Anordnung einer Blutprobenentnahme gegeben

Das ist jedoch völlig anders in den Fällen der Anordnung der Entnahme einer Blutprobe wegen des Verdachts einer Verkehrsstraftat. Denn die durch § 81 a StPO angeordnete grundsätzlich präventive richterliche Kontrolle ist von völlig anderem Gewicht als jenes, das sie vor allem bei Durchsuchungen oder Freiheitsentziehungen hat. Der Schutz der körperlichen Integrität betroffener Personen wird selbst im Wesentlichen bereits dadurch bewirkt, dass der Eingriff durch einen Arzt erfolgen muss. Der Eingriff ist seiner Art nach geringfügig und seiner Dauer nach kurz. Gesundheitliche Risiken birgt er nicht. Darüber hinaus ist im Regelfall - anders als bei den typischerweise komplexe Abwägungen erfordernden Durchsuchungen oder Freiheitsentziehungen - nicht von einem Spielraum für die richterliche Entscheidung auszugehen, vielmehr ist die richterliche Anordnung einer Blutprobenentnahme in der Regel alternativlos.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 15.04.2010
Quelle: ra-online, Verfassungsgerichtshof des Saarlandes

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