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Sozialgericht Braunschweig, Urteil vom 15.07.2013
S 5 LW 4/10 -

Anspruch auf Zuschläge zur Hinter­bliebenen­rente besteht auch für eingetragene Lebenspartner

Lebenspartner haben dieselben Ansprüche auf Leistungen wie Ehepartner

Das Sozialgericht Braunschweig hat entschieden, dass eingetragene Lebenspartner dieselben Ansprüche auf Leistungen wie Ehepartner haben und für sie somit auch ein Anspruch auf Zuschläge zur Hinter­bliebenen­rente besteht.

Der 1955 geborene Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens begründete im August 2008 eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz mit einem Landwirt. Der inzwischen verstorbene Lebenspartner des Klägers bezog von der Beklagten seit 1999 eine Altersrente, einschließlich eines so genannten Zuschlages bei Zugangsrenten nach § 97 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).

Sozialversicherung lehnt Gewährung von Rentenzuschlägen ab

Im Juli 2010 beantragte der Kläger bei der beklagten Sozialversicherung die Gewährung einer Hinterbliebenenrente. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2010 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Hinterbliebenenrente nach § 14 ALG (Witwerrente). Die Gewährung der Rentenzuschläge nach § 97 ALG lehnte sie ab. Zur Begründung verwies sie auf die Entstehungsgeschichte der Norm. Es handele sich dabei um eine Übergangsvorschrift, mit der Rechtspositionen gesichert werden sollen, die versicherte Landwirte bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 1995 erworben hätten. Ein Anspruch auf Gleichstellung bestehe erst seit Inkrafttreten des Lebenspartnergesetzes (LPartG) am 1. August 2001, sodass der Kläger keinen Vertrauensschutz genieße.

Ehegatte in derselben Situation würde Rente mit Berücksichtigung der Zuschläge erhalten

Das Widerspruchsverfahren des Klägers blieb erfolglos. Im Oktober 2010 erhob der Kläger beim Sozialgericht Braunschweig Klage gegen die ablehnende Entscheidung der Sozialversicherung. Das Sozialgericht gab dem Kläger Recht und verurteilte die Beklagte, ihm die Zuschläge zu gewähren. Die anspruchsbegründende Vorschrift (§ 97 ALG) sei auf den Kläger anwendbar. Dies ergebe sich aus einer verfassungsgemäßen Auslegung der Norm. Es sei unstreitig, dass ein Ehegatte in derselben Position des Klägers eine Rente mit Berücksichtigung der Zuschläge erhalten würde.

Gericht rügt Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

Dann aber, so das Gericht, habe auch der Kläger diesen Anspruch. Das Gericht sieht in der Ungleichbehandlung des hinterbliebenen Lebenspartners mit einem hinterbliebenen Ehegatten einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG). Sie legte daher die anspruchsbegründende Vorschrift verfassungskonform aus. Eine solche Auslegung entspreche dem Willen des Gesetzgebers. Dieser habe durch die Regelungen des § 14 a ALG und später § 1 a ALG zu erkennen gegeben, dass eine Gleichstellung von Lebenspartnern und Ehegatten gewünscht ist. Dass der Gesetzgeber dabei Übergangsrechtsfälle wie den vorliegenden ausscheiden wollte, ergebe sich weder aus der Gesetzesbegründung noch aus dem Wortlaut der Norm.

Anmerkung:

Die Alterssicherung der Landwirte ist kein Teil der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), sondern ein eigenständiger Zweig der Sozialversicherung. Träger ist seit dem 1. Januar 2013 die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Pflichtversichert sind all diejenigen landwirtschaftlichen Unternehmer, für die die Tätigkeit als selbstständiger Landwirt oder Forstwirt, Winzer, Gartenbauer und dergleichen eine ausreichende Existenzgrundlage bildet. Seit 1995 sind ebenfalls mitarbeitende Familienangehörige des Unternehmers und seines Ehegatten pflichtversichert. Die Alterssicherung für Landwirte wurde 1957 durch das Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (ALG) eingeführt und 1995 durch das Agrarsozialreformgesetz umfassend reformiert. Versicherte, die vor dem 1. Juli 1995 wenigstens für fünf Jahre anrechenbare Beitragszeiten zurückgelegt haben, werden nach Maßgabe von § 97 ALG stufenweise in die neue Rentenberechnung einbezogen. Mit der Übergangsregelung wird in den Fortbestand des früheren Rechts gesetztes Vertrauen berücksichtigt und insbesondere dem Umstand Rechnung getragen, dass sich aus der linearisierten Rentenformel sowie dem Wegfall des Ehegattenzuschlags bei kurzer Versicherungsbiographie sowie bei Verheirateten eine niedrigere Rente als nach dem bis 1994 geltenden Recht ergeben kann.

Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz:

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

§ 97 Absatz 5 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG):

Hat der verstorbene Versicherte einen Zuschlag bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Rente an Hinterbliebene, wird zu der Hinterbliebenenleistung ein entsprechend den Absätzen 1 und 3 berechneter Zuschlag gezahlt.

§ 14 a Absatz 1 ALG:

Die leistungsrechtlichen Vorschriften über Renten wegen Todes nach diesem Kapitel gelten entsprechend für hinterbliebene Lebenspartner. (Gültig ab 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2012) § 1 a ALG: Die für Ehegatten und ehemalige Ehegatten sowie Witwen und Witwer geltenden Vorschriften dieses Gesetzes gelten entsprechend für Lebenspartner, Lebenspartner, deren Lebenspartnerschaft aufgehoben wurde, und hinterbliebene Lebenspartner. (Eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 2013 - Gesetz vom 12. April 2012).

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 31.10.2013
Quelle: Sozialgericht Braunschweig/ra-online

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