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Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass ein eigenhändig ge- und unterschriebenes Schriftstück auch dann ein Testament sein kann, wenn der Verfasser das Schriftstück nicht mit "Testament" oder "mein letzter Wille", sondern mit einer anderen Bezeichnung wie z.B. "Vollmacht" überschrieben hat.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin aus Köln ist die Nichte der Beklagten aus Salzkotten. Die Beklagte, die Mutter der Klägerin und die im Juni 2014 im Alter von 64 Jahren verstorbene Erblasserin sind bzw. waren Schwestern. In einem als "Testament" überschriebenen Schriftstück bestimmte die Erblasserin im Juni 2013, dass sie ihren Schwestern nach ihrem Tode das Elternhaus in Paderborn je zur Hälfte übertrage.
In zwei wenige Tage später im Juni 2013 datierten und mit "Vollmacht" überschriebenen Schriftstücken erteilte die Erblasserin der Klägerin
"über meinen Bausparvertrag bei der [...] Bausparkasse über meinen Tod hinaus, zu verfügen und sich das Guthaben auszahlen zu lassen" und
"über sämtliches Vermögen, welches bei der Volksbank [...] auf meinem Girokonto und Ersparnissen (Sparbuch, Geldanlagen) besteht, über meinen Tod hinaus, zu verfügen".
Beim Tode der Erblasserin belief sich das Guthaben auf den Konten bei der Volksbank und auf dem Bausparvertrag auf zusammen ca. 63.400 Euro.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Erblasserin die Beklagte und die Mutter der Klägerin in dem als "Testament" überschriebenen Schriftstück zu hälftigen Miterben bestimmt hat, weil das Hausgrundstück in Paderborn das wesentliche Vermögen der Erblasserin darstellte. Einen entsprechenden Erbschein stellte das Nachlassgericht im Oktober 2014 aus.
Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob die weiteren Schriftstücke der Erblasserin aus dem Juni 2013 ebenfalls testamentarische Anordnungen beinhalten. Die Klägerin war der Auffassung, die Erblasserin habe ihr die Guthaben als Vermächtnisse zugewandt, bei den beiden Schriftstücken handele es sich nicht um bloße Vollmachten, sondern um Testamente. Während die Mutter der Klägerin ihren Vermächtnisanspruch anerkannt und der Klägerin ca. 31.700 Euro ausgezahlt hat, hat die Beklagte eine Zahlung verweigert und die Auffassung vertreten, die Erblasserin habe der Klägerin lediglich Vollmachten erteilt und ihr keine Vermächtnisse zugewandt.
Die von der Klägerin gegen die Beklagte auf Erfüllung des Vermächtnisses gerichtete Klage war erfolgreich. Die Erblasserin habe der Klägerin ihre Guthaben bei der Volksbank und der Bausparkasse im Rahmen von Vermächtnissen zugewiesen, so das Gericht. Die beiden mit "Vollmacht" überschriebenen Schriftstücke der Erblasserin stellten rechtswirksam errichtete privatschriftliche Testamente dar. Sie seien von der Erblasserin eigenhändig geschrieben und unterschrieben worden und erfüllten so die formalen gesetzlichen Anforderungen an ein privatschriftliches
Dass sie mit "Testament" oder "mein letzter Wille" überschrieben seien, sei nicht erforderlich, weil sie auf einem ernstlichen Testierwillen beruhten. Die Erblasserin habe sie als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen und der Klägerin nicht lediglich eine Verfügungsbefugnis erteilen wollen. Hiervon sei nach der durchgeführten Beweisaufnahme auszugehen.
Zwar habe die Erblasserin die Schriftstücke mit "Vollmacht" überschrieben. Sie habe die Schriftstücke aber nicht bei den genannten Banken verwahrt, sondern gemeinsam mit dem wenige Tage zuvor errichteten
Dass die Erblasserin die beiden Schriftstücke nicht als "Testament" und auch nicht als ihren "letzten Willen" bezeichnet habe, spreche nicht entscheidend gegen ihren Testierwillen. Auch der Text ihres zuvor errichteten Testaments lasse erkennen, dass sich die Erblasserin mit den üblichen Formulierungen letztwilliger Verfügungen nicht ausgekannt habe.
Vor diesem Hintergrund seien die beiden Schriftstücke so aufzufassen, dass die Erblasserin der Klägerin ihre auf den Konten bestehenden Guthaben als Vermächtnisse habe zuwenden wollen. Dabei habe sie mangels juristischer Beratung gemeint, dies geschehe bei den Forderungen gegen eine Bank dadurch, dass sie postmortale Vollmachten ausstelle. Die Formulierungen in dem Text, die Klägerin solle sich die Guthaben auszahlen lassen, spreche für eine Zuwendung, so auch die Formulierung, dass sie die Zuwendung behalten solle. In diesem Sinne habe die Erblasserin - das habe die Beweisaufnahme bestätigt - auch das Schriftstück aufgefasst, in dem nicht zusätzlich erwähnt sei, dass sich die Klägerin das Guthaben auszahlen lassen könne.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 18.01.2018
Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online
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