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Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.10.2011
L 7 AY 3998/11 ER-B -

Gericht darf Asylbewerbern auch bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Regelsätze nicht eigenmächtig höhere Leistungen zusprechen

Auch mögliche Verfassungswidrigkeit im Asylbewerberleistungsgesetz rechtfertigt gerichtlich erlassene einstweilige Anordnung nicht

Asylbewerbern, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten, kann auch bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der den Leistungen zugrunde liegenden Normen im Eilverfahren keine höhere Leistung zugesprochen werden. Dies entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg.

In dem zugrunde liegenden Eilverfahren hatte das erstinstanzlich angerufene Sozialgericht Mannheim den Antragstellern, afghanischen Asylbewerbern, darlehensweise Leistungen in Höhe der Regelsätze nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (so genanntes „Hartz IV“) bzw. in Höhe der Regelsätze der Sozialhilfe (Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch) zugesprochen und damit höhere Leistungen, als das AsylbLG für diesen Personenkreis vorsieht. Gestützt hatte das Sozialgericht seine Entscheidung auf verfassungsrechtliche Erwägungen, nämlich auf das aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem in Artikel 20 Abs. 1 GG verbürgten Sozialstaatsprinzip abgeleiteten Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Damit stehe § 3 Abs. 2 AsylbLG nicht in Einklang.

Gericht darf auch bei Zweifeln an Verfassungsmäßigkeit von zugrunde liegenden Normen nicht eigenmächtig höhere Leistungen bewilligen

Dem ist das Landessozialgericht Baden-Württemberg entgegen getreten. Auch eine mögliche Verfassungswidrigkeit des § 3 Abs. 2 AsylbLG rechtfertige die erlassene einstweilige Anordnung nicht. Denn den Gerichten sei es nicht gestattet, den zuständigen Träger allein auf Grundlage des Verfassungsrechts zu Leistungen zu verurteilen. Die Konkretisierung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum sei allein dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten. Er müsse entscheiden, wie er das Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen sichere. Entsprechendes gelte auch für Art. 27 UN-Kinderrechtskonvention. Auch diese bilde keine Anspruchsgrundlage.

LSG sieht von Vorlage nach Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht ab

Wegen der im Eilverfahren nur möglichen vorläufigen Klärung der Rechtsfrage und aufgrund der in diesem Verfahren gebotenen zeitnahen Entscheidung hat das Gericht von einer Vorlage nach Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht abgesehen.

Asylbewerberleistungsgesetz

§ 3 Grundleistungen

(2) Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylverfahrensgesetzes können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, anstelle von vorrangig zu gewährenden Sachleistungen nach Absatz 1 Satz 1 Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen im gleichen Wert gewährt werden. Der Wert beträgt

1. für den Haushaltsvorstand 360 Deutsche Mark,

2. für Haushaltsangehörige bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres 220 Deutsche Mark,

3. für Haushaltsangehörige von Beginn des 8. Lebensjahres an 310 Deutsche Mark monatlich zuzüglich der notwendigen Kosten für Unterkunft, Heizung und Hausrat. Absatz 1 Satz 3 und 4 findet Anwendung.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 31.10.2011
Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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