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Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 24.01.2017
L 13 R 923/16 -

Witwenrente muss nach nicht mitgeteilter Wiederheirat zurückgezahlt werden

Auch in Las Vegas geschlossene Ehe ist in Deutschland wirksam

Wer Witwer- oder Witwenrente bezieht, muss der Rentenversicherung eine Wiederheirat mitteilen, da der Rentenanspruch dann wegfällt. Wird dies grob fahrlässig unterlassen, kann auch rückwirkend ein Rückzahlungs­anspruch gegen den Versicherten geltend gemacht werden, hat das Landessozialgericht vor wenigen Tagen entschieden.

Die 76jährige Klägerin des zugrunde liegenden Rechtsstreits bezog von der beklagten Rentenversicherung nach dem Tode ihres (ersten) Ehemannes ab 1. April 1996 Witwenrente. Die Rentenversicherung hatte ihr 1996 schriftlich mitgeteilt: "Die Rente fällt mit Ablauf des Monats der Wiederheirat weg. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns die Wiederheirat unverzüglich mitzuteilen."

Rentenversicherung verlangt Rückzahlung der ersten Witwenrente ab Zeitpunkt der Wiederheirat

Im Juni 2014 beantragte die Klägerin bei der Rentenversicherung erneut die Gewährung einer Witwenrente. Sie habe im April 2003 in Las Vegas geheiratet, ihr (zweiter) Ehemann sei im Mai 2014 verstorben. Die Rentenversicherung bewilligte ihr daraufhin zwar eine große Witwenrente in Höhe von monatlich rund 660 Euro, teilte aber gleichzeitig mit, dass wegen der Wiederheirat rückwirkend ab dem 1. Mai 2003 kein Anspruch mehr auf die (erste) Witwenrente bestanden habe. Von den erhaltenen Zahlungen müsse die Klägerin rund 71.000 Euro zurückzahlen.

Klägerin ging von Rechtsungültigkeit der Ehe in Deutschland aus

Die Klägerin hat sich gegen die Erstattungsforderung gewehrt. Sie habe eigentlich nicht noch einmal heiraten wollen. Ihr Lebensgefährte habe sie zu Weihnachten 2002 mit Flugtickets nach Las Vegas überrascht. Zwar habe man dort "spontan" in der "Candlelight Wedding Chaple" unter Vorlage der Ausweisdokumente die Daten für die Heiratslizenz aufnehmen und dann "in Country-Kleidung" eine Trauungszeremonie in englischer Sprache durch einen Pastor mit Tausch der Eheringe in Anwesenheit eines Trauzeugen durchführen lassen und ein "Marriage Certificate" des Staates Nevada erhalten. Sie habe auch die Sterbeurkunde ihres ersten Ehemannes dabei gehabt. Man sei aber tatsächlich davon ausgegangen, dass die Ehe eine Art "Urlaubsspaß" und in Deutschland nicht rechtsgültig gewesen sei. In Deutschland sei man auch nie als Ehepaar aufgetreten. Erst nach dem Tode ihres (zweiten) "Ehemannes" sei sie vom Notar darauf hingewiesen worden, dass sie als Ehefrau Erbin sei. Man könne ihr die unterlassene Anzeige der zweiten Eheschließung nicht als grob fahrlässiges Verhalten vorwerfen.

SG gibt Klage statt

Das Sozialgericht Stuttgart hat der Klägerin in erster Instanz Recht gegeben. Zwar sei die 2003 in Las Vegas geschlossene Ehe in Deutschland wirksam und die Klägerin habe ihre gesetzlich vorgeschriebene Mitteilungspflicht verletzt. Allerdings habe sie dies nicht grob fahrlässig getan. Das Sozialgericht hat der Klägerin geglaubt, dass sie davon ausgegangen sei, die Eheschließung sei in Deutschland unwirksam.

LSG: Klägerin hätte sich über Auswirkungen der erneuten Eheschließung bewusst sein müssen

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg bewertete dies anders, hob das Urteil des Sozialgerichts auf und gab der Rentenversicherung Recht. Nach Auffassung des Landessozialgerichts hätte die Klägerin erkennen können, dass sie die Hochzeit in Las Vegas der Rentenversicherung hätte mitteilen müssen, weil sie wusste oder jedenfalls mit einfachsten und ganz naheliegenden Überlegungen hätte wissen müssen, dass die Wiederheirat zum Wegfall ihres Anspruchs auf Witwenrente führt. Die Trauungszeremonie war ausweislich der Heiratsurkunde eine ernsthafte Eheschließung und in Deutschland wirksam. Dass die Heiratszeremonie in Las Vegas nicht ohne jede rechtliche Bedeutung war, hätte ihr ohne weiteres einleuchten müssen. Für die Heirat waren Gebühren zu entrichten und weitere Formalien zu erfüllen. So benötigte die Klägerin z.B. ihren Reisepass und musste Angaben zum Familienstand machen. Ferner führte sie nach eigenen Angaben sogar die Sterbeurkunde ihres verstorbenen ersten Ehemannes mit. Angesichts dieser Umstände war es für das Landessozialgericht nicht glaubhaft, dass die Heirat spontan und unvorbereitet ohne jegliche Überlegung zur Ernsthaftigkeit der Sache erfolgt sein soll.

Sozialgesetzbuch (SGB) VI

§ 46 Abs. 1 SGB VI:

Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.

Sozialgesetzbuch (SGB) X

§ 48 Abs. 1 Satz 1und 2 SGB X:

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,

4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 07.02.2017
Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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