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Die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Mannheim hat den Angeklagten Jörg Kachelmann vom Vorwurf der schweren Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen.
Der vorsitzende Richter führte in der Urteilsbegründung aus, dass der Freispruch jedoch nicht darauf beruhe, dass die Kammer von der Unschuld von Herrn Kachelmann und damit im Gegenzug von einer Falschbeschuldigung der Nebenklägerin überzeugt sei. Es bestünden aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Zweifel an der Schuld von Herrn Kachelmann. Er war deshalb nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freizusprechen.“
Das Gericht nahm weiteren Verlauf der Urteilsbegründung auch Stellung zu den Angriffen gegen das Gericht und die Staatsanwaltschaft und stellte fest, dass die Unterstellung, das Gericht sei nicht bestrebt gewesen, die Wahrheit herauszufinden und es stattdessen mit dem Vorwurf zu überziehen, es verhandele, bis etwas Belastendes herauskomme, sei schlicht abwegig. Im Ergebnis werde damit den Richtern jegliche Professionalität und jegliches Berufsethos abgesprochen. Es bliebe dabei der ungerechtfertigte, dem Ansehen der Justiz schadende Vorwurf im Raum stehen, Richter seien bei Prominenten bereit, zu deren Lasten Objektivität, richterliche Sorgfalt und Gesetze außeracht zu lassen.
Gleiches gelte im übrigen für die Staatsanwälte. Gerade der vorliegende Fall stehe in seiner Komplexität exemplarisch dafür, dass mit vertretbaren Erwägungen unterschiedliche Sichtweisen denkbar sind. Den Vertretern der Staatsanwaltschaft deshalb pflicht- bzw. gesetzeswidriges Verhalten zu unterstellen, sei eines Strafprozesses unwürdig. Die - wenn auch hart geführte - Auseinandersetzung in der Sache setze immer auch den respektvollen Umgang miteinander voraus. Diesen habe der Verteidiger des Angeklagten häufig vermissen lassen.
Dass angesichts der Verdachtslage ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, Anklage zu erheben und das Hauptverfahren zu eröffnen war, sei bei objektiver Betrachtung der gesamten Aktenlage - und nur auf die komme es bei den vorgenannten Entscheidungen an - nicht zu bezweifeln. Auch das Oberlandesgericht Karlsruhe habe dies nicht anders gesehen.
Das Gericht hat vor allem auch die Rolle des Internets und der Medien kritisch beleuchtet. Die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut. Aber auch sie kenne Grenzen. Diese Grenzen existieren offensichtlich im Internet nicht. Vorwiegend hinter der Fassade der Anonymität seien im Verlauf des Verfahrens in den Meinungsforen, Blogs und Kommentaren im Internet die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten, der Nebenklägerin, aber auch des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten immer wieder mit Füßen getreten worden, ohne dass die Möglichkeit bestanden hätte, sich dagegen in irgendeiner Weise effektiv zur Wehr zu setzen.
Auch angeblich Sachkundige haben nicht der Versuchung widerstehen können, ohne Aktenkenntnis und ohne an der Hauptverhandlung teilgenommen zu haben, häufig aber auf der Grundlage unvollständiger und fehlerhafter Medienberichte per Ferndiagnose ihre persönliche Meinung zum Besten zu geben, die in der Regel nichts mit sachlicher Kritik zu tun gehabt hätte, sondern häufig nur Klischees bedient habe.
Die Pressefreiheit zählt wie die Meinungsfreiheit zu den elementaren Grundrechten. Die Gerichte haben bei ihrer Tätigkeit die Pressefreiheit zu respektieren und den Medien eine angemessene
Umgekehrt aber ist es Aufgabe der
Mit Befremden hat die Kammer die Aufrufe an die Bevölkerung registriert, im Wege der Abstimmung über Schuld und Unschuld des Angeklagten zu entscheiden. Damit verkommt das Gerichtsverfahren nicht nur zu einem reinen Event; vielmehr werden Entscheidungen von Gerichten, denen nicht selten eine hochkomplizierte Entscheidungsfindung vorausgeht, in der öffentlichen Wahrnehmung mit dem Merkmal der Beliebigkeit behaftet. Dass auch dadurch dem Ansehen der Justiz in der Öffentlichkeit massiver Schaden zugefügt wird, liegt auf der Hand. Mit öffentlicher Kontrolle der Gerichte durch die Medien hat diese Form der Medienarbeit nichts zu tun.
Der Kammer ist bewusst, dass die Arbeit der Medien im vorliegenden Verfahren unter erschwerten Bedingungen stattfand. Durch den wiederholten Ausschluss der Öffentlichkeit war es den Medienvertretern nicht möglich, sich ein vollständiges Bild vom Ablauf und Inhalt der Hauptverhandlung zu machen. Dies hätte jedoch umso mehr Anlass zur Zurückhaltung bei der
Das Gericht ist bei der Durchführung der Hauptverhandlung in erster Linie der Wahrheitsfindung verpflichtet. Dabei sind nicht nur die in der Strafprozessordnung vorgegebenen Regeln einzuhalten; die Gerichte, denen von Gesetzes wegen erhebliche Eingriffsbefugnisse zustehen, haben vor allem darauf zu achten, dass die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten und der Zeugen nicht mehr als zur Wahrheitsfindung erforderlich eingeschränkt werden. Ob einer Hauptverhandlung für die breite Öffentlichkeit ein ausreichender Unterhaltungswert zukommt, ist für die Beurteilung der Schuldfrage und damit für die Gestaltung der Hauptverhandlung ohne Belang. Das Gericht ist bei der Durchführung der Hauptverhandlung nicht der Befriedigung des Sensations- und Unterhaltungsinteresses verpflichtet.
Die medienwirksam vorgetragene Kritik des Verteidigers am Ausschluss der Öffentlichkeit ließ vordergründig den Eindruck entstehen, die Kammer habe bis zu seinem Auftreten ohne sachliche Rechtfertigung die Öffentlichkeit in exzessiver Weise ausgeschlossen. Dass sich drei Zeuginnen durch Interviews ihrer Persönlichkeitsrechte - jedenfalls teilweise - begeben hatten, verstärkte diesen Eindruck. Ohne Zweifel haben diese drei Zeuginnen und die entsprechenden Medien durch ihr Verhalten dem Ablauf der Hauptverhandlung geschadet. Abgesehen davon, dass die weit überwiegende Anzahl der unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommenen Zeuginnen keine Interviews gegeben und damit Anspruch auf Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte hatten, geht die Kammer nicht davon aus, dass der Angeklagte oder sein Verteidiger ernsthaft gewollt hätten, dass das Beziehungs- und Intimleben des Angeklagten der Allgemeinheit in allen Einzelheiten durch eine Vernehmung der Zeuginnen in öffentlicher Verhandlung zugänglich gemacht worden wäre. Im Ergebnis steht deshalb außer Frage, dass der wiederholte Ausschluss der Öffentlichkeit sachlich gerechtfertigt war. Er diente allein dazu, die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten, auch die des Angeklagten zu wahren und die Wahrheitsfindung in geordneten Bahnen ablaufen zu lassen.
Auf der anderen Seite hat die Kammer aber auch gesehen, dass einige Medienvertreter - wenn auch eher eine überschaubare Anzahl - durchaus sachgerecht und ausgewogen über das Verfahren berichtet haben. Bei allem Verständnis für die Belange der Medienarbeit erhofft sich das Gericht, dass die Medien künftig wieder mehr Verständnis für das vorrangige Interesse der Justiz an der ordnungsgemäßen Durchführung eines Strafverfahrens entwickeln. Das vorliegende Verfahren sollte Anlass dazu sein, eine sachgerechte Diskussion auch unter Beteiligung der Justiz in Gang zu setzen, um zu verhindern, dass ohne Not unüberbrückbare Gegensätze entstehen.
Im Rahmen der Urteilsbegründung im engeren Sinn hat der Vorsitzende die Komplexität der Beweislage, aber auch das Erfordernis der umfangreichen Beweisaufnahme betont und darauf hingewiesen, dass gerade die Plädoyers der Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Verteidigerin dies eindrucksvoll belegt hätten. Er führte aus, dass der Schuldspruch auf einer tragfähigen Beweisgrundlage aufbauen muss, die die hohe Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit des Beweisergebnisses ergibt. Er wies daraufhin, dass nicht nur die Nebenklägerin, sondern auch der Angeklagte nach Überzeugung der Kammer in einigen Punkten die Unwahrheit gesagt haben. Er hob jedoch in diesem Zusammenhang hervor, dass sie in einzelnen Punkten die Unwahrheit gesagt haben, macht sie unter Berücksichtigung der weiteren Beweisergebnisse angreifbar; dass sie deshalb insgesamt die Unwahrheit gesagt haben, lässt sich mit dieser Feststellung nicht belegen.
In diesem Zusammenhang verwies er auf die Ausführungen in einem juristischen Lehrbuch, in dem sich bezogen auf das Sprichwort „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er auch die Wahrheit spricht“ folgender Hinweis findet. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, stets anzunehmen, dass jemand der in einem Nebenpunkt lügt, auch im Kernpunkt die Unwahrheit sage.
Im Verlauf der weiteren Urteilsbegründung erklärte der Vorsitzende: Angesichts des Umstandes widersprechender Angaben des Angeklagten und der Nebenklägerin sowie angesichts der Feststellungen, dass beide in Teilbereichen nachweisbar die Unwahrheit gesagt haben, stellt sich die Frage, ob durch außerhalb der Aussagen liegende Beweise begründete Anhaltspunkte für die Richtigkeit der einen oder anderen Schilderung der Ereignisse nach dem Ende des Trennungsgesprächs gefunden werden können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass keiner der außerhalb der Aussagen liegenden Beweise für sich gesehen geeignet ist, die Schuld oder gar die Unschuld des Angeklagten zu belegen. Es ist vielmehr festzuhalten, dass die objektive Beweiskette in die eine wie in die andere Richtung immer wieder abreißt. Die unzureichende objektive Beweislage lässt sich auch durch die von dem Vertreter der Nebenklage in seinem Plädoyer aufgeworfenen Sinnfragen nicht auffüllen. Diese zu Recht in den Raum gestellten Sinnfragen belegen zwar begründete Zweifel an einer Falschbeschuldigung durch die Nebenklägerin; die Zweifel an der Schuld des Angeklagten können sie jedoch nicht ausräumen.
Abschließend führte er zum Ergebnis der Beweisaufnahme aus, dass auch in der Gesamtschau der Beweisergebnisse keine tragfähige Grundlage für eine Verurteilung von Herrn Kachelmann bestehe, dass aber umgekehrt angesichts des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht von einer Falschbeschuldigung durch die Nebenklägerin ausgegangen werden könne. Zum Schluss wandte sich der Vorsitzende mit einem persönlichen Wort der Kammer an die Verfahrensbeteiligten, die Prozessbeobachter und die Vertreter der Medien:
„Wir sind überzeugt, dass wir die juristisch richtige Entscheidung getroffen haben. Befriedigung verspüren wir dadurch jedoch nicht. Wir entlassen den Angeklagten und die Nebenklägerin mit einem möglicherweise nie mehr aus der Welt zu schaffenden Verdacht, ihn als potentiellen Vergewaltiger, sie als potentielle rachsüchtige Lügnerin. Wir entlassen den Angeklagten und die Nebenklägerin aber auch mit dem Gefühl, ihren jeweiligen Interessen durch unser Urteil nicht ausreichend gerecht geworden zu sein. Bedenken Sie, wenn Sie künftig über den Fall reden oder berichten, dass Herr Kachelmann möglicherweise die Tat nicht begangen hat und deshalb zu Unrecht als Rechtsbrecher vor Gericht stand. Bedenken Sie aber auch umgekehrt, dass Frau Dinkel möglicherweise Opfer einer schweren Straftat war.
Versuchen Sie, sich künftig weniger von Emotionen leiten zu lassen. Unterstellen Sie die jeweils günstigste Variante für Herrn Kachelmann und Frau Dinkel und führen Sie sich dann vor Augen, was beide möglicherweise durchlitten haben. Nur dann haben Sie den Grundsatz „in dubio pro reo“ verstanden. Nur dann kennt der Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht nur Verlierer, sondern neben dem Rechtsstaat auch Gewinner.“
Die Staatsanwaltschaft Mannheim hat am 6. Juni 2010 Revision gegen das Urteil der 5. Großen Strafkammer vom 31. Mai 2011 eingelegt. Einen Tag später ist auch die Ex-Geliebte und Nebenklägerin in die Revision gegen den Freispruch des Wettermoderators gegangen.
Anfang Oktober 2011 haben die Staatsanwaltschaft Mannheim und die Nebenklägerin ihre Anträge auf Revision zurückgezogen.
Der Freispruch ist damit rechtskräftig.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 31.05.2011
Quelle: Landgericht Mannheim/ra-online
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Dokument-Nr. 11731
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