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Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24.11.2011
L 8 KR 93/10 -

Kosten für Rhythmische Massage werden nicht von der Krankenkasse übernommen

Gemeinsamer Bundesausschuss hat sich bisher nicht mit Heilmethode der anthroposophischen Medizin befasst

Auch Heilmittel der sich von der Schulmedizin unterscheidenden „besonderen Therapierichtungen“ - wie der anthroposophischen Medizin - sind nur bei positiver Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss von den gesetzlichen Krankenkassen zu leisten. Mit der in der anthroposophischen Medizin angewandten rhythmischen Massage hat sich der Bundesausschuss bislang nicht befasst, so dass sie von den gesetzlichen Krankenkassen nicht zu leisten ist. Dies entschied das Hessische Landessozialgericht.

Im zugrunde liegenden Streitfall erhielt eine 77-jährige Frau aus Marburg von ihrem Arzt mittels Privatrezept rhythmische Massagen verordnet und beantragte bei ihrer Krankenkasse die Kostenerstattung. Dies lehnte die Kasse mit der Begründung ab, dass es sich hierbei um ein neues Heilmittel handele, für das sie nicht leistungspflichtig sei. Die Frau berief sich hingegen darauf, dass diese Behandlungsmethode bereits seit mehr als 80 Jahren integrativer Bestandteil der anthroposophischen Medizin sei. Es könne ihr auch nicht entgegen gehalten werden, dass der Gemeinsame Bundesausschuss bisher kein Anerkennungsverfahren eingeleitet habe, da sie hierauf keinen Einfluss habe.

Behandlungsmethode vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht anerkannt

Die Richter des Sozialgerichts und des Hessischen Landessozialgerichts gaben der Krankenversicherung Recht. Als neue Heilmittel gelten solche, die bisher nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung gewesen seien. Hierzu zähle die rhythmische Massage, da sie in der Anlage der Heilmittelrichtlinie nicht aufgeführt sei. Zudem habe der Gemeinsame Bundesausschuss diese Behandlungsmethode weder anerkannt, noch habe er sich mit diesem Heilmittel befasst.

Gericht verweist auf zahlreiche andere, als Kassenleistung zur Verfügung stehende Heilmittel der physikalischen Therapie

Darin liege auch kein Systemversagen, das ausnahmsweise einen Behandlungsanspruch des Versicherten begründen könne. Ein entsprechendes Anerkennungsverfahren könnten – so die Darmstädter Richter - eine kassenärztliche Vereinigung oder ein Spitzenverband der Krankenkassen beantragen. Diesen stehe insoweit angesichts der begrenzten Bearbeitungskapazität des Gemeinsamen Bundesausschusses ein Beurteilungsspielraum zu. Ein sachgerechtes Kriterium sei insoweit die medizinische Relevanz der Methode bei Diagnostik und Behandlung bestimmter Erkrankungen. Für Krankheitsbilder, die mit der rhythmischen Massage behandelt würden, stünden zahlreiche andere Heilmittel der physikalischen Therapie – wie z.B. klassische Massage und Krankengymnastik – als Kassenleistung zur Verfügung.

Positive Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses maßgeblich

Der Gesetzgeber habe zwar Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der „besonderen Therapierichtungen“, die sich von der Schulmedizin abgrenzten, vom Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Dies besage aber nicht, dass diese Mittel ohne jegliche Prüfung ihres Nutzens und ihrer Wirtschaftlichkeit von den Krankenkassen zu bezahlen seien.

Hinweise zur Rechtslage

§ 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

§ 12 SGB V

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

§ 27 SGB V

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst (…)

3. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, (…).

§ 32 SGB V

Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, soweit sie nicht (…) ausgeschlossen sind. (…)

§ 138 SGB V

Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte dürfen neue Heilmittel nur verordnen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat.

§ 92 SGB V

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten, (…) er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind (…) Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die (…)

6. Verordnung von (…) Heilmittel (…)

§ 135 SGB V

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen (…) Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen (…), einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien (…) Empfehlungen abgegeben hat über

1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung, (…)

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 02.02.2012
Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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