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Bayerischer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 18.04.2013
Vf. 8-VII-12; Vf. 24-VII-12 -

Rundfunkbeitrag: Bayerischer Verfassungs­gerichtshof weist Eilantrag gegen Meldedatenabgleich ab

Meldedatenabgleich dient Vermeidung von Vollzugsdefiziten und größerer Beitrags­gerechtigkeit

Der Bayerische Verfassungs­gerichtshof hat in einem Popular­klageverfahren auf Feststellung der Verfassungs­widrigkeit des Rundfunkbeitrags­staatsvertrags (RBStV) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewiesen. Er hat es abgelehnt, den in § 14 Abs. 9 RBStV geregelten Meldedatenabgleich vorläufig bis zu einer Entscheidung über die Popularklage ganz oder zumindest teilweise auszusetzen.

Durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag wird die bisherige geräteabhängige Rundfunkgebühr durch einen geräteunabhängigen Wohnungs- und Betriebsstättenbeitrag ersetzt. Mit der Popularklage wendet sich der Antragsteller des zugrunde liegenden Falls gegen die Vorschriften zur Rundfunkbeitragspflicht im privaten (§ 2 Abs. 1 RBStV) und im nicht privaten Bereich (§ 5 Abs. 1 und 2 RBStV), die seiner Meinung nach insbesondere gegen den Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) und das Grundrecht der Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) verstoßen. Weiter beanstandet er u. a. den einmaligen Meldedatenabgleich nach § 14 Abs. 9 RBStV. Um einen Datenabgleich zur Bestands- und Ersterfassung der Beitragsschuldner zu ermöglichen, übermittelt auf dieser Grundlage jede Meldebehörde bestimmte Daten aller volljährigen Personen (vor allem Familienname, Vornamen, frühere Namen, Doktorgrad, Familienstand, Geburtsdatum, Tag des Einzugs) an die jeweils zuständige Landesrundfunkanstalt. Der Antragsteller rügt insoweit eine Verletzung des durch Art. 101, 100 BV gewährleisteten Anspruchs auf informationelle Selbstbestimmung. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung will er erreichen, dass der bereits angelaufene Vollzug dieses Meldedatenabgleichs vorläufig bis zu einer Entscheidung über die Popularklage ganz oder zumindest teilweise ausgesetzt wird.

Allgemeine Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hatte vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof keinen Erfolg. Nach Auffassung des Gerichtshofs ist es bereits fraglich, ob und inwieweit der Zustimmungsbeschluss des Landtags (Art. 72 Abs. 2 BV) zu einem Staatsvertrag nach dessen Inkrafttreten durch eine einstweilige Anordnung ausgesetzt werden kann. Denn eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs kann den Freistaat Bayern grundsätzlich nicht von seiner aus dem bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz der Bundestreue folgenden Verpflichtung entbinden, die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags anzuwenden. Diese Frage kann jedoch offenbleiben, weil bereits die allgemeinen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vorliegen.

Nach Folgenabwägung sprechen Gründe gegen Erlass einer einstweiligen Anordnung

Da die Popularklage bei einer vorläufigen Prüfung weder offensichtlich begründet noch offensichtlich unbegründet erscheint, ist eine Folgenabwägung vorzunehmen. Es sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Popularklage aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Popularklage aber der Erfolg zu versagen wäre. Bei dieser Abwägung überwiegen die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe.

Aussetzung des Meldedatenabgleichs würde zur erheblichen Beeinträchtigung der gleichmäßigen Beitragserhebung führen

Bei dem Meldedatenabgleich handelt es sich um ein effizientes Kontrollinstrument, mit dem in der Umstellungsphase eine verlässliche und möglichst vollständige Erfassung der Rundfunkbeitragsschuldner im privaten Bereich in einem überschaubaren Zeitraum sichergestellt werden soll. Er dient damit der Vermeidung von Vollzugsdefiziten und einer größeren Beitragsgerechtigkeit. Eine Aussetzung würde zumindest vorübergehend eine gleichmäßige Beitragserhebung in erheblicher Weise beeinträchtigen, und zwar sowohl im Freistaat Bayern selbst als auch im Verhältnis zu den übrigen Ländern mit Auswirkungen auf sämtliche den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bildenden Anstalten und Körperschaften.

Nachteile für Betroffene haben geringeres Gewicht

Demgegenüber haben die Nachteile, die den Betroffenen durch die Übermittlung der in § 14 Abs. 9 Satz 1 RBStV genannten Daten an die Landesrundfunkanstalt entstehen, zurückzutreten. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang das Interesse, beitragsrelevante Sachverhalte nicht zu offenbaren und nicht als Beitragsschuldner identifiziert zu werden. Die Nachteile, die mit der Datenübermittlung und -verarbeitung ohne Kenntnis und Einwilligung der Betroffenen und gegebenenfalls nachfolgenden Auskunftsverlangen seitens der Landesrundfunkanstalt verbunden sind, haben auch für diejenigen Personen, die später nicht als Beitragsschuldner herangezogen werden, eher geringes Gewicht.

Meldedaten decken sich mit anzugebenden Daten durch Betroffene

Die Meldedaten, die von den Einwohnermeldeämtern nach dem abschließenden Katalog des § 14 Abs. 9 Satz 1 RBStV zu übermitteln sind, decken sich im Wesentlichen mit denjenigen Daten, die nach § 8 Abs. 1, 4 und § 14 Abs. 1 RBStV von den Betroffenen anzuzeigen sind. Soweit sie darüber hinausreichen, wie die Übermittlung von Doktorgrad und Familienstand (§ 14 Abs. 9 Satz 1 Nrn. 4 und 5 RBStV), dienen sie der eindeutigen Identifikation und können die Zuordnung der Mitbewohner in einer Wohnung erleichtern. Der vom Antragsteller beanstandeten Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenwohnungen (§ 14 Abs. 9 Satz 1 Nr. 7 RBStV) kommt ebenfalls kein ausschlaggebendes Gewicht zu; deren Kenntnis mag zwar für den Beitragstatbestand des § 2 Abs. 1 RBStV („jede Wohnung“) unerheblich sein, sie erleichtert aber gegebenenfalls erforderliche Nachfragen beim Betroffenen und knüpft im Übrigen lediglich an die melderechtlich vorgegebenen Begrifflichkeiten beim Innehaben mehrerer Wohnungen an.

Übermittelte Daten sind durch strikte Zweckbindung und strenge Löschungspflichten abgesichert

Weiter spricht gegen eine Aussetzung des Zustimmungsbeschlusses zu § 14 Abs. 9 RBStV, dass die von den Meldebehörden übermittelten Daten bei der Landesrundfunkanstalt (und der gemeinsamen Stelle im Sinn des § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV) durch eine strikte Zweckbindung und strenge Löschungspflichten abgesichert sind.

Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus

Die obige Entscheidung ist in einem Eilverfahren ergangen. In der Hauptsache muss über die Popularklage noch entschieden werden. Das Verfahren läuft noch.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 24.04.2013
Quelle: Bayerischer Verfassungsgerichtshof/ra-online

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