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Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.05.2015
BVerwG 1 C 23.14 -

Ermessens­ein­bürgerung erfordert auch Sicherung des Lebensunterhalts im Ausland lebender Angehöriger

Bei Ermessenseinbürgerung gelten erhöhte Anforderungen an wirtschaftliche Integration des Ausländers

Ein Ein­bürgerungs­bewerber muss bei der Ermessens­ein­bürgerung nach § 8 StAG den Lebensunterhalt seiner Familie sichern können; dabei sind auch die im Ausland lebenden Angehörigen zu berücksichtigen. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Der 1972 geborene Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens, ein staatenloser Palästinenser, begehrt seine Einbürgerung. Er ist 1997 erstmals in das Bundesgebiet eingereist. Seit 2009 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Seit 2003 ist er mit einer Jordanierin verheiratet, die mit den drei gemeinsamen Kindern in Jordanien lebt. Einen auf eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG gerichteten Antrag vom Juli 2009 lehnte die Einbürgerungsbehörde ab, weil der Kläger seit seiner Einreise Geringverdiener sei und bei einem Nachzug seiner Ehefrau und der minderjährigen Kinder deren Lebensunterhalt nicht werde decken können.

VGH: Sicherung des Lebensunterhalts für Angehörige nur bei konkreten Nachzugsplänen entscheidend

Das Verwaltungsgericht München verpflichtete den Beklagten zur Neubescheidung, weil dieser bei seiner Prognoseentscheidung zur Lebensunterhaltssicherung die individuelle Lebenssituation des Klägers nicht hinreichend berücksichtigt habe. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, weil der Kläger i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande sei. Bei der Prognose künftiger Lebensunterhaltssicherung sei grundsätzlich nur auf den Kreis der bereits im Bundesgebiet lebenden Unterhaltsberechtigten abzustellen. Weitere unterhaltsberechtigte Angehörige, die wegen des bei Einbürgerung erleichterten Familiennachzuges nachziehen könnten, seien nur zu berücksichtigen, wenn sich deren Nachzugsabsicht konkret abzeichne.

BVerwG: Pflicht zur Sicherung des Lebensunterhalts beschränkt sich nicht nur auf Angehörige im Bundesgebiet

Das Bundesverwaltungsgericht gab der Revision des Beklagten statt und wies die Klage ab. Bei der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG muss der Einbürgerungsbewerber sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande sein. Die Einbürgerungsvoraussetzung, den Lebensunterhalt der Angehörigen sichern zu können, ist umfassend formuliert. Dies ist nicht auf solche unterhaltsberechtigten Angehörigen beschränkt, die bereits im Bundesgebiet leben oder für den Fall der Einbürgerung konkret beabsichtigen, in das Bundesgebiet nachzuziehen. Die Ermessenseinbürgerung stellt erhöhte Anforderungen an die wirtschaftliche Integration des Ausländers. Das Gesetz soll hier nicht nur einem künftigen Bezug steuerfinanzierter Sozialleistungen im Inland vorbeugen. Es erfordert solide wirtschaftliche Verhältnisse, die unabhängig von den durch eine Einbürgerung erleichterten Möglichkeiten des Nachzuges und dem aktuellen Aufenthaltsort der Familie die Fähigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts der unterhaltsberechtigten Angehörigen verlangt. Der Gesetzgeber hat für dieses umfassende Lebensunterhaltssicherungserfordernis gerade nicht die Einschränkungen übernommen, die bei der Anspruchseinbürgerung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 StAG) vorgesehen sind. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hat auch das Bundesverwaltungsgericht keinen Grund gesehen, aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zu Vermeidung einer besonderen Härte von dem Lebensunterhaltssicherungserfordernis abzusehen.

§ 8 Staatsangehörigkeitsgesetz

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er

1. bis 3. [...]

4. sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 02.06.2015
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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