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Die Koppelung einer Rente an die Abgabe eines landwirtschaftlichen Hofs greift faktisch in die Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG ein. Die Pflicht zu einer solchen Hofabgabe wird verfassungswidrig, wenn diese in unzumutbarer Weise Einkünfte entzieht, die zur Ergänzung einer als Teilsicherung ausgestalteten Rente notwendig sind. Darüber hinaus darf die Gewährung einer Rente an den einen Ehepartner nicht von der Entscheidung des anderen Ehepartners über die Abgabe des Hofs abhängig gemacht werden. Mit dieser Begründung hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss die einschlägigen Vorschriften für verfassungswidrig erklärt, den Verfassungsbeschwerden eines Landwirtes und der Ehefrau eines Landwirtes stattgegeben und die Verfahren unter Aufhebung der Gerichtsentscheidungen an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.
Die Alterssicherung der Landwirte ist die berufsständische Altersvorsorge der Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland. Sie ist Teil der gesetzlichen Rentenversicherung. Gesetzliche Grundlage ist das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG). Dieses sieht die Abgabe des landwirtschaftlichen Hofs als eine der Voraussetzungen eines Rentenanspruchs vor.
Die Beschwerdeführerin in dem Verfahren 1 BvR 97/14 ist im Jahr 1944 geboren und mit einem im Jahr 1940 geborenen Land- und Forstwirt verheiratet. Als Ehegattin eines landwirtschaftlichen Unternehmers gilt sie gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 ALG als Landwirt. Den Rentenantrag der Beschwerdeführerin aus dem Jahr 2011 lehnte der zuständige Träger der Alterssicherung der Landwirte ab, weil ihr Ehegatte bereits die Regelaltersgrenze erreicht und das landwirtschaftliche Unternehmen noch nicht abgegeben hatte.
Die deswegen von der Beschwerdeführerin vor dem Sozialgericht erhobene Klage hatte - auch in der Berufungsinstanz - keinen Erfolg. Das Bundessozialgericht wies die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und die dagegen erhobene Anhörungsrüge zurück.
Der im Jahr 1938 geborene Beschwerdeführer in dem Verfahren 1 BvR 2392/14 betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen. Die Landwirtschaftliche Alterskasse lehnte den Rentenantrag des Beschwerdeführers aus dem Jahr 2010 ab, weil dessen landwirtschaftliche Nutzfläche die zulässige Rückbehaltsfläche von sechs Hektar um ein Vielfaches überschritten habe und deshalb das landwirtschaftliche Unternehmen nicht abgegeben war.
Das Sozialgericht wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Berufung des Beschwerdeführers vor dem Landessozialgericht und die sich anschließende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hatten, ebenso wie die Anhörungsrüge, keinen Erfolg.
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass sich die Pflicht zur Hofabgabe als Voraussetzung eines Rentenanspruchs nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte als Eingriff in die grundrechtlich geschützte Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) erweist.
In durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rentenanwartschaften oder Rentenansprüche der Beschwerdeführer wird aber nicht eingegriffen. Denn nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte schafft die Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft erst die Voraussetzungen für die Entstehung von Anwartschaften und Ansprüchen auf eine Rente im Bereich der Alterssicherung der Landwirte und kann somit in Bezug auf diese Rechtspositionen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht verletzen.
Hingegen liegt ein Eingriff in das Sacheigentum des Beschwerdeführers in dem Verfahren 1 BvR 2392/14 an dem landwirtschaftlichen Unternehmen vor. Denn ein Grundrechtseingriff kann nicht nur in einem rechtsförmigen Vorgang liegen, der unmittelbar und gezielt durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Gebot oder Verbot, also imperativ, zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt. Als Beeinträchtigung eines Grundrechts können vielmehr auch staatliche Maßnahmen anzusehen sein, die mittelbar faktisch eine eingriffsgleiche Wirkung entfalten. Dies ist bei der Hofabgabeklausel der Fall. Ein
Mangels einer Güterbeschaffung zugunsten des Staates oder eines Dritten zum Wohl der Allgemeinheit liegt hierin keine Enteignung, sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese ist nur nach den folgenden Maßgaben gerechtfertigt. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG werden Inhalt und Schranken des Eigentums durch Gesetz bestimmt. Ein solches Gesetz ist § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG, wonach ein Anspruch auf eine Regelaltersrente nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte nur dann besteht, wenn das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist. Der Eingriff im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung in die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Rechte muss durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein.
Die Hofabgabe als Voraussetzung eines Rentenanspruchs nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte entspricht jedoch nur mit folgenden Maßgaben dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Hofabgabeklausel mehrere legitime, agrarstrukturelle Ziele. Ein Ziel ist die Förderung der frühzeitigen Hofübergabe an Jüngere, um hierdurch eine Senkung des durchschnittlichen Lebensalters der Betriebsleiterinnen oder Betriebsleiter zu bewirken. Die Hofabgabeklausel will somit einen Beitrag zur Übergabe von landwirtschaftlichen Unternehmen zu einem wirtschaftlich sinnvollen Zeitpunkt an jüngere Kräfte leisten. Im Weiteren geht es dem Gesetzgeber um die Funktion der Hofabgabe für den Bodenmarkt vor dem Hintergrund der das Angebot deutlich übersteigenden Nachfrage nach landwirtschaftlichen Flächen und des starken Anstiegs der Pachtpreise. Darüber hinaus verfolgt die Hofabgabeklausel das Ziel der Verbesserung der Betriebsstruktur durch die Schaffung größerer Entwicklungschancen für Wachstumsbetriebe. Diese können ihren Aufstockungsbedarf aus den frei werdenden landwirtschaftlichen Nutzflächen früher befriedigen, als dies ohne ein Abgabeerfordernis möglich wäre.
Zur Erreichung dieser Ziele ist die Hofabgabeklausel nicht von vornherein untauglich. Verfassungsrechtlich genügt für die Eignung der Regelung die Möglichkeit, dass der erstrebte Erfolg gefördert werden kann, dass also die Möglichkeit der Zweckerreichung besteht. Es besteht zwar keine Pflicht zur Hofabgabe; im Fall der Nichtabgabe des Unternehmens entfällt aber die Gegenleistung in Form einer Rente für jahrelange Beitragsleistungen. Der Landwirt unterliegt daher einem faktischen Zwang zur Hofabgabe. Verfassungsrechtlich ist die Mitursächlichkeit der Hofabgabeklausel für den Strukturwandel in der Landwirtschaft ausreichend. Die Auswertung einer Stichprobe bezüglich des Abgabeverhaltens des Rentenzugangs in der Alterssicherung der Landwirte im Jahr 2011 hat die positiven agrarstrukturellen Effekte der Hofabgabeklausel bestätigt.
Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass die Hofabgabeklausel erforderlich ist, da kein milderes Mittel zur Verfügung steht. Das Bundesverfassungsgericht prüft nicht, ob der Gesetzgeber die beste Lösung für die hinter einem Gesetz stehenden Probleme gefunden hat, denn er verfügt über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum. Die Verpflichtung zur Hofabgabe ist jedoch nicht in allen Fällen zumutbar. Eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe andererseits muss die Grenze der Zumutbarkeit wahren. Die Regelung darf die Betroffenen nicht übermäßig belasten.
Das Erfordernis der Hofabgabe als Voraussetzung eines Rentenanspruchs wahrt nicht mehr die Grenze der Zumutbarkeit, soweit das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte keine Härtefallregelung für die Hofabgabe vorsieht. Härtefälle entstehen vornehmlich, wenn der abgabewillige Landwirt keinen zur Hofübernahme bereiten Nachfolger findet. In diesem Fall kann der landwirtschaftliche Unternehmer die Hofabgabe nur in einer der Formen vollziehen, die nicht mit einer Einkommenserzielung verbunden sind, also durch Unmöglichmachung der landwirtschaftlichen Nutzung, Stilllegung, Aufgabe des Fischereiausübungsrechts, Aufgabe des Unternehmens der Imkerei oder Wanderschäferei oder Aufforstung. Dann fehlen ein Kaufpreis oder Pachtzins zur Sicherung des Alters und die Hofabgabepflicht wird unzumutbar. Härtefälle entstehen aber auch dann, wenn das landwirtschaftliche Unternehmen zwar abgegeben werden könnte, dies jedoch nicht zu Einkünften des Landwirts führen würde, mit Hilfe derer er seinen Lebensunterhalt in Ergänzung der Rente sicherstellen kann. In diesen Fällen wird die Pflicht zur Hofabgabe unzumutbar, denn der abgebende Landwirt wird zur Erlangung der Rente gezwungen, seine andere Finanzquelle für das Alter aufzugeben oder zu reduzieren, obwohl seine Rente nur als Teilsicherung angelegt ist und die Einkünfte aus dem abgegebenen Hof dies nicht angemessen ergänzen.
Insgesamt ist die angegriffene Regelung infolge der mit den vorliegenden Verfassungsbeschwerden nicht angegriffenen Änderung des § 21 Abs. 9 ALG zum 1. Januar 2016 durch Art. 3 Nr. 3 d) des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften vom 21. Dezember 2015 unzumutbar geworden, weil sie inzwischen tatsächlich nur noch eine kleine Gruppe von Landwirten erfasst und ihnen damit im Vergleich zu anderen Landwirten eine unangemessene Last zumutet. Der Gesetzgeber ist bei der inhaltlichen Festlegung von Eigentümerbefugnissen und -pflichten nach Art. 14 Abs. 1 GG auch an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Dem wird die Regelung nach der Gesetzesänderung nicht mehr gerecht. Die Neuregelung hat die Hofabgabe unter
In dem Verfahren 1 BvR 97/14 gilt die Beschwerdeführerin als Ehegattin eines Landwirts selbst als Landwirtin nach § 1 Abs. 3 Satz 1 ALG. Ihr dadurch begründeter eigener
§ 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG in der Fassung des Art. 17 Nr. 6 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 ist in dem sich aus den Entscheidungsgründen ergebenden Umfang mit Art. 14 Abs. 1 GG und in Verbindung mit § 21 Abs. 9 Satz 4 ALG in der Fassung des Art. 7 Nr. 1a LSV-Neuordnungsgesetz vom 12. April 2012 mit Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG unvereinbar und damit unanwendbar. § 11 Abs. 1 Nr. 3 ALG wird insgesamt für unanwendbar erklärt, weil es dem Gesetzgeber obliegt, die Fälle einer Unzumutbarkeit der Hofabgabe näher zu bestimmen. § 11 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 ALG bleiben hingegen weiter anwendbar. Von einer Nichtigerklärung wird abgesehen, weil der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, die
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 09.08.2018
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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