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Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.04.2003
VI ZR 260/02 -

Winterdienst: Keine Verpflichtung zum Entfernen von Streugut vor Ende der Frostperiode

Vom Streugut ausgehende Gefahren sind hinzunehmen

Solange jederzeit mit erneutem Schneefall und Glatteis zu rechnen ist, besteht keine Verpflichtung des Verkehrssicherungspflichtigen zum Entfernen von Streugut. Dies gilt selbst dann, wenn sich die winterliche Wetterlage zwischenzeitlich beruhigt. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall verlangte die Klägerin von der Beklagten, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG, Schadenersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Die Klägerin kam aufgrund des auf dem Weg befindlichen Streuguts Anfang Februar auf einem zum Bahnsteig des Bahnhofs führenden Weg zu Fall und verletze sich. Das Bahnhofsgelände wurde wegen der winterlichen Witterung geräumt und gestreut. In der darauffolgenden Woche bestand aufgrund des Wetters weder Anlass zu einer Räumung noch zu einer Streuung. Das ausgebrachte Streugut (Splitt) verblieb auf dem Gelände. Die Klägerin meinte, die Beklagte sei dazu verpflichtet gewesen, dass Streugut nach Beruhigung der Wetterlage zu entfernen. Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Revision wurde nicht zugelassen. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Klägerin.

Keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht

Der Bundesgerichtshof entschied gegen die Klägerin. Die Revision sei nicht zuzulassen gewesen. Es sei für die Beklagte unzumutbar gewesen, das Streugut auf dem Zuweg zum Bahnsteig zum Unfallzeitpunkt zu beseitigen, da jahreszeitbedingt jederzeit mit weiteren Schneefällen und weiterer Glatteisbildung zu rechnen war.

Keine besondere Pflicht zur Streugutentfernung

Dem Bahnbetreiber obliege nach Ansicht des BGH keine besonderen Sicherungspflichten. Das auf den Wegen verbleibende Streugut erfülle einen besonderen Sicherungszweck. Für seine Entfernung können nicht die gleichen strengen Maßstäbe angelegt werden, wie für die Beseitigung winterlicher Glätte. Solange jederzeit mit dem Auftreten von Glätte zu rechnen sei, könne eine kurzfristige Entfernung des Streuguts und ein erneutes Aufbringen bei neuer Glättegefahr nicht verlangt werden.

Gefahr durch Glatteis überwiegt

Es sei weiterhin zu berücksichtigen, so der BGH, dass die von dem Streugut ausgehenden Gefahren in keinem Verhältnis zu den Gefahren stehen, die den Wegebenutzern bei erneut auftretender Glätte auf den von Streugut vollständig geräumten Wegen bis zur Aufbringung neuen Streuguts drohen. Die Fußgänger haben insofern die von dem Streugut ausgehende verbleibende Gefahr hinzunehmen. Man müsse in den Wintermonaten jederzeit mit größeren Ansammlungen von Streugut rechnen und sich auf die davon ausgehenden Gefahren einstellen.

Pflicht zur Beseitigung nach Ende der Frostperiode

Nach Auffassung des BGH sei eine Entfernung des Streuguts erst nach endgültiger Beendigung der Frostperiode erforderlich. Dies sei dann der Fall, wenn mit dem Auftreten von Glätte nicht mehr oder nur noch in seltenen Ausnahmefällen gerechnet werden müsse.

der Leitsatz

BGB § 823 Abs. 1

Der für den Bereich eines im Allgäu gelegenen Bahnhofs Verkehrssicherungspflichtige muss Streugut (Splitt), welches Ende Januar wegen der winterlichen Witterung auf dem Zuweg zu einem Bahnsteig aufgebracht wurde, nicht zeitnah nach Beruhigung der winterlichen Wetterlage entfernen, wenn jederzeit erneut mit Schneefall oder Glatteis gerechnet werden muss.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 26.11.2012
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-RR 2003, 1103Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2003, Seite: 1103
  • NZV 2003, 471Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2003, Seite: 471
  • VersR 2003, 1451Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2003, Seite: 1451
  • zfs 2003, 441Zeitschrift für Schadenrecht (zfs), Jahrgang: 2003, Seite: 441

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