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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.01.2016
I ZB 12/15 -

BGH: Räumungsschutz auf unbestimmte Zeit aufgrund Gesundheits- oder Suizidgefahr beim Schuldner nur in absoluten Ausnahmefällen

Verringerung des Gesundheitsrisikos oder der Suizidgefahr muss ausgeschlossen sein

Besteht ein Gesundheitsrisiko oder eine Suizidgefahr bei einem Schuldner aufgrund einer Zwangsräumung, so kann nur in absoluten Ausnahmefällen ein Räumungsschutz auf unbestimmte Zeit gewährt werden. Ein solcher Ausnahmefall wird in der Regel nur vorliegen, wenn eine Verringerung des Gesundheitsrisikos oder der Suizidgefahr in Zukunft ausgeschlossen ist. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall wurde das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück einer 92-jährigen Frau im Januar 2013 zwangsversteigert. Nachfolgend wurde der Frau mehrmals Räumungsschutz gewährt. Im Januar 2015 hat das Landgericht Bielefeld schließlich die Zwangsvollstreckung auf unbestimmte Zeit eingestellt. Es begründete seine Entscheidung damit, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass die 94-jährige Frau die Zwangsräumung aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht überleben werde und dass sie bei einer Zwangsräumung Selbstmord begehen werde. Die Gläubigerin sah dies anders und legte gegen die Entscheidung Rechtsbeschwerde ein.

Einstellung der Zwangsvollstreckung auf unbestimmte Zeit nur in absoluten Ausnahmefällen

Der Bundesgerichtshof führte zum Fall aus, dass eine Zwangsvollstreckung gemäß § 765 a ZPO untersagt oder einstweilig eingestellt werden könne, wenn mit der Vollstreckungsmaßnahme eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners verbunden sei. Es komme aber stets auf eine Abwägung zwischen dem Interesse des Schuldners und dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers an. Sei der Räumungstitel des Gläubigers nicht durchsetzbar, werde sein Grundrecht auf Eigentumsschutz (Art. 14 GG) sowie auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) beeinträchtigt. Bestehe daher für den Betroffenen einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Lebensgefahr, sei sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auf andere Weise als durch Einstellung der Vollstreckung wirksam begegnet werden könne. Ein Räumungsschutz auf unbestimmte Zeit sei in solchen Fällen eine absolute Ausnahme.

Räumungsschutz auf unbestimmte Zeit nur bei Ausschluss der Verringerung des Gesundheitsrisikos oder der Suizidgefahr

Ein Räumungsschutz auf unbestimmte Zeit komme regelmäßig nur dann ausnahmsweise in Betracht, so der Bundesgerichtshof, wenn die Verringerung des Gesundheitsrisikos oder der Suizidgefahr auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Mitwirkung des Schuldners und staatlicher Stellen in Zukunft ausgeschlossen sei.

Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts

Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten der Gläubigerin und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Zum einen habe ein Verfahrensfehler vorgelegen und zum anderen haben die Feststellungen des Landgerichts eine dauerhafte Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht gerechtfertigt.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.07.2016
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Herford, Beschluss vom 01.11.2014
    [Aktenzeichen: 7b M 778/13]
  • Landgericht Bielefeld, Beschluss vom 30.01.2015
    [Aktenzeichen: 23 T 851/14]
Aktuelle Urteile aus den Rechtsgebieten:
Fundstellen in der Fachliteratur:
  • FamRZ 2016, 814Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2016, Seite: 814
  • NJW-RR 2016, 583Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2016, Seite: 583
  • WuM 2016, 515Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 2016, Seite: 515

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