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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.07.2014
2 AZR 505/13 -

Fristlose Kündigung eines Kandidaten für das Amt des Wahlvorstands wegen angeblich geschäfts­schädigender Aussagen in YouTube-Video unwirksam

Inhalt und den Kontext der Äußerungen für Zulässigkeit der außerordentlichen Kündigung entscheidend

Ein Arbeitnehmer darf im Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsratswahl nicht wissentlich falsche oder geschäftsschädigende Behauptungen über die betrieblichen Verhältnisse aufstellen und über digitale Medien verbreiten oder verbreiten lassen. Nimmt der Arbeitgeber diese Äußerungen eines "Wahlbewerbers" zum Anlass für eine Kündigung, ist diese nur wirksam, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­arbeits­gerichts hervor, das die fristlose Kündigung eines Kandidaten für das Amt des Wahlvorstands mangels Vorliegen eines solchen wichtigen Grundes für unwirksam erklärte.

Die Arbeitgeberin des zugrunde liegenden Falls stellt Verpackungen her. In ihrem Betrieb, in dem viele Facharbeiter beschäftigt sind, fand am 10. Februar 2012 auf Einladung der Gewerkschaft ver.di eine Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands statt. Die Versammlung nahm einen unübersichtlichen Verlauf. Nach dem Verständnis beider Prozessparteien ist es zu einer wirksamen Wahl des Klägers nicht gekommen. Zwei Wochen später stellte ver.di beim Arbeitsgericht den Antrag, einen Wahlvorstand zu bestellen. In der Antragsschrift schlug sie als eines von dessen Mitgliedern erneut den Kläger vor. An einem der folgenden Tage gab der Kläger in einer von ver.di produzierten Videoaufzeichnung eine Erklärung des Inhalts ab, es gebe im Betrieb "Probleme". An einzelnen Maschinen fehlten Sicherheitsvorkehrungen. Man könne "fast behaupten", keine Maschine sei "zu 100 % ausgerüstet". Das Problem sei, dass "keine Fachkräfte vorhanden" seien und "das Beherrschen der Maschinen nicht zu 100 % erfüllt" werde. Das Video wurde ins Internet gestellt und war bei "YouTube" zu sehen. Der Kläger verbreitete es zudem über "Facebook". Mit Blick hierauf kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 15. März 2012 fristlos.

BAG: Fristlose Kündigung ist unwirksam

Das Bundesarbeitsgericht hat die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Kandidaten für das Amt des Wahlvorstands wegen vermeintlich geschäftsschädigender Äußerungen - anders als die Vorinstanzen - für unwirksam erachtet.

Arbeitnehmer darf nicht wissentlich falsche, geschäftsschädigende Behauptungen über Betrieb aufstellen und über digitale Medien verbreiten

Auch im Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsratswahl darf ein Arbeitnehmer nicht wissentlich falsche, geschäftsschädigende Behauptungen über die betrieblichen Verhältnisse aufstellen und über digitale Medien verbreiten oder verbreiten lassen. Sachliche Kritik an den betrieblichen Gegebenheiten ist jedoch erlaubt. Für die Grenzziehung kommt es auf den Inhalt und den Kontext der Äußerungen an.

Für das Amt des Wahlvorstands kandidierende Arbeitnehmer sind keine Wahlbewerber im gesetzlichen Sinne

Nimmt der Arbeitgeber die Äußerungen eines "Wahlbewerbers" zum Anlass für eine Kündigung, ist diese gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG nur wirksam, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen, und entweder die Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 Abs. 1 BetrVG oder - wenn ein Betriebsrat nicht gebildet ist - eine entsprechende gerichtliche Entscheidung vorliegt. Arbeitnehmer, die für das Amt des Wahlvorstands zur Durchführung einer Betriebsratswahl kandidieren oder vorgeschlagen werden, sind keine Wahlbewerber im gesetzlichen Sinne.

Kündigung mangels wichtigem Grund unwirksam

Die außerordentliche Kündigung ist zwar im vorliegende Fall nicht mangels gerichtlicher Zustimmung - der Kläger genoss keinen Sonderkündigungsschutz -, aber mangels wichtigen Grundes unwirksam. Die Erklärungen in dem Video waren erkennbar darauf gerichtet zu verdeutlichen, weshalb der Kläger die Bildung eines Betriebsrats als sinnvoll ansah. Der Kläger wollte dagegen nicht behaupten, die Beklagte beschäftige überwiegend ungelernte Kräfte.

LAG muss Rechtmäßigkeit der Kündigung wegen verspätetem Arbeitsbeginn des Klägers prüfen

Der Senat hat den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses hat nunmehr die Wirksamkeit einer am 17. Februar 2012 erklärten, auf einen verspäteten Arbeitsbeginn des Klägers gestützte ordentliche Kündigung zum 30. April 2012 zu prüfen.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 01.08.2014
Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online

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