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Die fristlose Kündigung einer Altenpflegerin, die Strafanzeige gegen ihren Arbeitgeber erstattet hatte, weil ihrer Ansicht nach Pflegebedürftige und ihre Angehörigen wegen Personalmangels keine angemessene Gegenleistung für die von ihnen getragenen Kosten erhielten, ist ungerechtfertigt. Dies entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und sah in der Kündigung eine Verletzung von Artikel 10 (Freiheit der Meinungsäußerung) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).
Die Beschwerdeführerin des zugrunde liegenden Streitfalls, Brigitte Heinisch, ist deutsche Staatsangehörige, 1961 geboren, und lebt in Berlin. Sie war als Altenpflegerin bei der Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH beschäftigt, die auf Gesundheits- und Altenpflege spezialisiert und deren Mehrheitseigner das Land Berlin ist. Ab Januar 2002 arbeitete Brigitte Heinisch in einem Altenpflegeheim, in dem viele der Patienten auf spezielle Hilfe angewiesen waren.
Brigitte Heinisch und ihre Kollegen wiesen die Geschäftsleitung der GmbH im Zeitraum zwischen Januar 2003 und Oktober 2004 mehrfach darauf hin, dass das Personal überlastet sei und seinen Pflichten nicht nachkommen könne; darüber hinaus würden Pflegeleistungen nicht korrekt dokumentiert. Von Mai 2003 an erkrankte Brigitte Heinisch mehrfach und war teilweise arbeitsunfähig; laut einer ärztlichen Bescheinigung war dies die Folge von Arbeitsüberlastung. Nach einem Kontrollbesuch in dem Altenpflegeheim stellte der Medizinische Dienst der Krankenkassen im November 2003 wesentliche
Nachdem die Geschäftsleitung diese Vorwürfe zurückgewiesen hatte, erstattete Brigitte Heinisch im Dezember 2004 durch ihren Anwalt
Brigitte Heinisch wurde im Januar 2005 aufgrund ihrer wiederholten Erkrankungen mit Wirkung zum 31. März gekündigt. Gemeinsam mit Freunden und mit der Unterstützung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di verteilte sie ein Flugblatt, das die
Brigitte Heinisch klagte vor dem Arbeitsgericht Berlin gegen ihre
Es bestand zwischen den Parteien Einigkeit darüber, dass die von Brigitte Heinisch erstattete
Der Gerichtshof teilte die in ihrer Stellungnahme zu der Beschwerde dargelegte Auffassung der deutschen Bundesregierung, dass dieser Eingriff im Sinne von Artikel 10 „gesetzlich vorgesehen“ war, da das deutsche BGB die mögliche
Nach der einschlägigen Rechtsprechung der deutschen Gerichte kann eine
Die von Brigitte Heinisch offengelegten Informationen über die mutmaßlichen
Weiter lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Brigitte Heinisch wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hätte. Die von ihr geäußerten Bedenken waren nicht nur Gegenstand früherer Hinweise an ihren Arbeitgeber, sondern sie wurden auch durch die Kritik des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen bestätigt. Zwar wurden die strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihren Arbeitgeber eingestellt; allerdings kann von einer Person, die
Der Gerichtshof zweifelte nicht daran, dass Brigitte Heinisch in gutem Glauben gehandelt hatte. Er war nicht vom Argument der Bundesregierung überzeugt, ihr hätte angesichts der regelmäßigen Kontrollen, insbesondere durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen, bewusst sein müssen, dass eine
Die von Brigitte Heinisch geäußerten Vorwürfe hatten zweifellos eine schädigende Wirkung auf den Ruf und die Geschäftsinteressen der GmbH. Der Gerichtshof kam aber zu der Auffassung, dass in einer demokratischen Gesellschaft das öffentliche Interesse an Informationen über
Schließlich war gegen Brigitte Heinisch die härteste arbeitsrechtliche Sanktion verhängt worden. Ihre
Gemäß Artikel 41 (gerechte Entschädigung) entschied der Gerichtshof, dass Deutschland Frau Heinisch 10.000 Euro für den erlittenen immateriellen Schaden und 5.000 Euro für die entstandenen Kosten zu zahlen hat.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 21.07.2011
Quelle: Europäischer Gerichtshof für Menschenrecht/ra-online
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