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Verwaltungsgericht Schleswig, Urteil vom 27.01.2011
6 A 60/10 -

VG Schleswig: Nachbarklage gegen Errichtung einer Biogasanlage erfolgreich

Biogasanlage verstößt sowohl gegen Bundesimmissionsschutzgesetz als auch gegen baurechtliches Rücksichtnahmegebot

Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Biogasanlage in unmittelbarer Nähe zu einem ehemaligen landwirtschaftlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäude ist unzulässig. Die Biogasanlage verstößt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Schleswig sowohl gegen das Bundesimmissionsschutzgesetz als auch gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot.

Im zugrunde liegenden Fall klagte eine Anwohnerin aus der unmittelbaren Nachbarschaft einer schon in Betrieb befindlichen Biogasanlage im Kreis Nordfriesland. Ihr 1990 vom Vater des jetzigen Betreibers erworbenes Wohngebäude ist Teil eines ehemaligen landwirtschaftlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäudes.

Verwaltungsgericht gibt Klage statt

Die jetzt in unmittelbarer Nähe genehmigte Biogasanlage verstößt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Schleswig sowohl gegen das Bundesimmissionsschutzgesetz als auch gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot.

Wohngebäude wird durch Biogasanlage erheblichen Geruchsbelästigungen ausgesetzt

Zum einen werde das Wohngebäude erheblichen Geruchsbelästigungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz ausgesetzt. Eine im Genehmigungsverfahren eingeholte Immissionsprognose sei von der Genehmigungsbehörde unzutreffend gewichtet worden. Der nach der als Entscheidungshilfe herangezogenen Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) im Außenbereich grundsätzlich unbedenkliche Wert von 0,15 (entspricht 15 % der Jahresstunden) werde mit errechneten 0,20 (20 %) überschritten, sodass es einer Einzelfallbewertung bedürfe. Diese gehe im vorliegenden Fall zugunsten der Nachbarin aus. Bei der vorzunehmenden Abwägung ergebe sich nicht ein einziges Kriterium zugunsten der Anlage. Bei der Biogasanlage handele es sich um einen Gewerbebetrieb. Das Grundstück der Nachbarin sei jedoch weder rechtlich durch irgendeinen Gewerbebetrieb noch tatsächlich durch eine andere Biogasanlage in der näheren Umgebung vorgeprägt. Die vorzunehmende Einzelfallbewertung habe aber die grundsätzlich andere rechtliche Bewertung von Biogasanlagen im Vergleich zu landwirtschaftlichen Tierhaltungsanlagen ebenso zu berücksichtigen, wie die Tatsache, dass Biogasanlagen eine Konzentration von großen Mengen Gärsubstrat und Gärresten an einem Standort verursachen, für die es weder in Dorfgebieten noch im Außenbereich eine charakteristische Vorprägung gebe.

Intensivierung der Nutzung des Grundstückes war zum Zeitpunktes des Verkaufs des Wohngebäudes nicht beabsichtigt

Hinzu komme im vorliegenden Einzelfall, dass es sich bei der genehmigten Anlage auch nicht um eine planmäßige Weiterentwicklung des betreffenden Grundstückes handele, eine Intensivierung der Nutzung des Grundstückes zum Zeitpunktes des Verkaufs des Wohngebäudes an die Nachbarin aber gerade nicht beabsichtigt gewesen sei.

Wohngrundstück wird durch unmittelbare Nähe der Anlage vollständig erdrückt

Zum anderen verstoße die Biogasanlage auch gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot. Das Wohngrundstück der Nachbarin werde durch die in unmittelbarer Nähe errichtete Anlage und deren Betriebsabläufe vollständig erdrückt. Dieser für die Nachbarin nicht zumutbare Zustand hätte aber - so das Verwaltungsgericht - ohne weiteres durch die Wahl eines anderen Standorts, gegebenenfalls unter Inkaufnahme der Kosten eines B-Plan-Verfahrens, vermieden werden können.

Entscheidung nicht als Grundsatzurteil in Bezug auf Zulässigkeit von Biogasanlagen anzusehen

Das Gericht betont im Urteil mehrfach, dass es sich bei der Entscheidung nicht um ein Grundsatzurteil in Bezug auf die Zulässigkeit von Biogasanlagen handele, sondern lediglich den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung getragen werde.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 31.05.2011
Quelle: Verwaltungsgericht Schleswig/ra-online

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