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Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat einen Arzt vom Vorwurf des Berufsvergehens freigesprochen, der die Vornahme eines EEG bei einer Patientin ablehnte, die ohne die Versichertenkarte in seine Praxis gebracht worden war.
Die alte Dame lebte seit mehreren Jahren in einem Stift. Im Jahre 1997 hatte sie sich einer schweren Kopfoperation unterziehen müssen und litt danach an einem symptomatischen Anfallsleiden und wurde in dem Stift hausärztlich von einem Arzt betreut. Sie erlitt in der Regel einmal pro Monat einen wenige Sekunden anhaltenden Anfall ohne Bewusstseinsverlust.
Die neurologische Betreuung durch einen - vom Hausarzt vermittelten - Neurologen beschränkte sich auf die Überwachung der medikamentösen Therapie und eine entsprechende Beratung des Hausarztes. Da im Jahre 2004 vermehrt Anfälle auftraten, sollte abgeklärt werden, ob die bisherige Medikamentation noch ausreichend war. Auf Vermittlung des Neurologen sollte ein EEG in der leicht zugänglichen Praxis des Beschuldigten durchgeführt werden, weil die Patientin seit Oktober 2004 bettlägerig war, was dem Neurologen, dessen im Obergeschoss gelegene Praxis ohne Aufzug schwer erreichbar war, bis Januar 2004 noch nicht bekannt geworden war. Dieser stellte darauf hin einen Überweisungsschein für die Praxis des Beschuldigten aus, der das Gültigkeitsdatum der Krankenversicherungskarte der Patientin nicht enthielt.
Die Tochter der Patientin beschaffte für die am 17.01.2004 vorgesehene Untersuchung in der Praxis des Beschuldigten verschiedene Unterlagen, die Krankenversicherungskarte ihrer Mutter war allerdings nicht dabei. Diese soll sich nach den Angaben des Stifts beim Hausarzt befunden haben, dem Beschuldigten wurde ausgerichtet, sie sei "derzeit nicht griffbereit", sie werde aber "auf Wunsch jederzeit nachgereicht". Der Beschuldigte lehnte die Durchführung des EEG an der von Sanitätern des Roten Kreuzes in seine Praxis transportierten alten Dame ab, weil die Krankenversicherungskarte nicht vorlag und der Überweisungsschein kein Gültigkeitsdatum dieser Karte enthielt. Die Patientin wurde daraufhin zurück in das Stift gebracht. Nachdem einige Tage später wieder Anfälle auftraten, entschieden ihre Tochter und ihr Sohn gemeinsam mit der Patientin und nach Rücksprache mit dem behandelnden Neurologen, dass sie zu einer Untersuchung in die Universitätsklinik gebracht werden sollte. Dies geschah elf Tage nach Ablehnung der Übernahme der Behandlung durch den beschuldigten Arzt.
Auf die Beschwerde der Tochter der inzwischen verstorbenen alten Dame bei der Landesärztekammer Hessen, wurde von dieser im April 2005 eine Anschuldigungsschrift beim Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main eingereicht. Aufgrund der Hauptverhandlung wurde der Beschuldigte vom Vorwurf des Berufsvergehens freigesprochen.
Das Gericht führt aus, es sei nicht ersichtlich, aufgrund welcher rechtlichen Verpflichtung der beschuldigte Arzt gehalten gewesen sein sollte, die Untersuchung ohne Vorlage der Krankenversichertenkarte vorzunehmen. Nach § 15 Abs. 2 SGB V hätten Versicherte vor Beginn der Behandlung dem Arzt oder Zahnarzt ihre Krankenversichertenkarte vorzulegen. Für den Arzt stelle dies den Nachweis dar, dass die um ärztliche Leistungen nachsuchende Patientin berechtigt sei, vertragsärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dass die Patientin im vorliegenden Fall aufgrund ihres Versicherungsverhältnisses mit der AOK die Leistungen der Kasse in Anspruch nehmen wollte und nicht etwa eine private Leistung auf eigene Kosten, ergebe sich eindeutig aus dem festgestellten Sachverhalt. Danach habe nämlich die - derzeit nicht griffbereite - Versichertenkarte nachgereicht werden sollen.
Zwar sei ein Versicherter gem. § 15 Abs. 5 SGB V berechtigt, in dringenden Fällen die Krankenversicherungskarte nachzureichen. In einem solchen Fall sei auch der um Vornahme der ärztlichen Handlung ersuchte Arzt aus seinem vertragsärztlichen Verhältnis zur Krankenkasse gegenüber dem Versicherten verpflichtet, die erforderliche Handlung vorzunehmen. Nach dem festgestellten Geschehensablauf sei jedoch im vorliegenden Fall kein "dringender" Fall gegeben gewesen. Wörtlich heißt es dazu in dem Urteil:
"Es ist ersichtlich nicht Zielsetzung dieser Vorschrift, dem Patienten zu ermöglichen, die Versichertenkarte unkontrolliert bei Ärzten zu belassen und durch Vorsprache bei einem weiteren Arzt ohne Versichertenkarte eine Situation zu schaffen, die die Bewertung "dringlich" nahlege. Die Verlagerung des Behandlungs- und Zahlungsrisikos auf den Arzt mit der Folge erhöhter Verwaltungskosten in Bezug auf den zu erbringenden Beschaffungsaufwand ist vom Leistungserbringer ohne entsprechende gesetzliche Grundlage nicht einforderbar. Es bedarf im Zusammenhang mit der vorliegenden Entscheidung keines Eingehens darauf, inwieweit die Patientin oder, für sie handelnd, das............Stift befugt waren, die Versichertenkarte ohne weitere Kontrolle aus der Hand zu geben."
Gegen das Urteil ist die Einlegung der Berufung möglich, über welche das Landesberufsgericht für Heilberufe beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel entscheidet.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 09.11.2005
Quelle: Pressemitteilung des VG Frankfurt/Main v. 04.11.2005
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Dokument-Nr. 1201
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