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Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 19.06.2013
4 KS 3/08 -

OVG Schleswig hebt Genehmigung für Zwischenlager Brunsbüttel auf

Atomrechtliche Genehmigung weist mehrere Ermittlungs- und Bewertungsdefizite der Genehmigungsbehörde auf

Das Schleswig-Holsteinische Ober­verwaltungs­gericht hat die atomrechtliche Genehmigung für das Standort­zwischen­lager des Kernkraftwerks Brunsbüttel wegen mehrerer Ermittlungs- und Bewertungsdefizite der Genehmigungsbehörde aufgehoben.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die im Februar 2004 gegen die Genehmigung erhobene Klage eines Anwohners hatte der 4. Senat des OVG mit Urteil vom 31. Januar 2007 (Az. 4 KS 2/04) zunächst abgewiesen; dieses Urteil war aber vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 10. April 2008 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen worden. Der Kläger hat gegen die Genehmigung des Zwischenlagers im Wesentlichen eingewandt, dass die Risiken terroristischer Angriffe u.a. durch gezielten Absturz eines Verkehrsflugzeuges sowie den Einsatz panzerbrechender Waffen gegen das Lager nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Insbesondere habe das beklagte Bundesamt nicht untersucht, welche Folgen Terrorangriffe auf das Lager in Form eines gelenkten Absturzes eines Airbus A380 und des Einsatzes moderner panzerbrechender Waffen der so genannten dritten Generation für den Kläger hätten. Dem Gericht war ein wesentlicher Teil der Unterlagen der Genehmigungsbehörde unter Berufung auf Geheimhaltung nicht vorgelegt worden. Die Geheimhaltung war vom Bundesverwaltungsgericht im so genannten in-camera-Verfahren größtenteils bestätigt worden.

Folgen eines Airbus A380-Absturzes auf Zwischenlager wurden vom Bundesamt für Strahlenschutz nicht ermittelt

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht führte in der Verhandlung aus, dass es das Bundesamt für Strahlenschutz versäumt habe, die Folgen eines Absturzes eines Airbus A380 auf das Zwischenlager vor der Genehmigungserteilung zu ermitteln, obwohl die hierfür erforderlichen Daten vorlagen. Das Gericht habe offengelassen, ob dieses Ermittlungsdefizit durch eine nachträgliche Untersuchung der Behörde aus dem Jahr 2010 gegenstandslos geworden sei; insoweit bestünden aber jedenfalls Zweifel gegenüber der verwendeten Untersuchungsmethodik.

Bei Untersuchung der Folgen eines Angriffs mit panzerbrechenden Waffen wurde nur älterer Waffentyp berücksichtigt

Ein weiteres Ermittlungsdefizit der Beklagten liege darin, dass im Genehmigungsverfahren bei der Untersuchung der Folgen eines Angriffs mit panzerbrechenden Waffen auf Castorbehälter offensichtlich nur ein älterer Waffentyp aus dem Jahr 1992 berücksichtigt worden sei, obwohl neuere Waffen eine größere Zerstörungswirkung auf das Inventar der Castorbehälter haben könnten und schneller nachladbar sind, was für die Trefferanzahl von Bedeutung sein könne. Es sei auch nicht nachvollziehbar geworden, dass wegen sogenannter "ausreichender temporärer Maßnahmen" bis zu einer künftigen Nachrüstung des Zwischenlagers nunmehr das Risiko des Eindringens entschlossener Täter in das Lager ausgeschlossen sein solle.

Mögliche Überschreitung des Eingreifrichtwerts bei Umsiedlung der betroffenen Bevölkerung wurde nicht ermittelt

Zusätzlich habe die Genehmigungsbehörde es versäumt zu ermitteln, ob infolge der erörterten Angriffsszenarien der Eingreifrichtwert für die Umsiedlung der betroffenen Bevölkerung über-schritten würde, obwohl auch eine Umsiedlung als schwerwiegender Grundrechtseingriff hier zu berücksichtigen sei. Ein weiterer Bewertungsfehler der Behörde liege in der Anwendung des so genannten 80-Perzentils bei der Untersuchung des Kerosineintrages in das Lager bei einem Flugzeugabsturz.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 21.06.2013
Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht/ra-online

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