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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 29.09.2014
6 U 2/14 -

Online-Vertrieb von Gleitsichtbrillen - Werbung als "hochwertig" und "individuell" zulässig

Brillen gefährden bei sachgemäßer Anwendung nicht die Sicherheit und Gesundheit der Anwender

Ein Online-Anbieter von Brillen und Kontaktlinsen darf Gleitsichtbrillen vermarkten, auch wenn die Brille allein aufgrund von Angaben aus dem Brillenpass hergestellt und nicht individuell beim Optiker angepasst wird. Die Werbung für die Brillen als "hochwertig" und "individuell" ist zulässig. Dies entschied das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht und wies damit die Klage des Zentralverbandes der Augenoptiker gegen den Online-Anbieter weitgehend zurück.

Das beklagte Unternehmen des zugrunde liegenden Verfahrens vermarktet über das Internet Brillen, Kontaktlinsen, Zubehör und Pflegemittel. Der Besteller einer Gleitsichtbrille wählt dabei über das Internet die Brillenfassung aus und gibt für die Brillengläser die Daten aus seinem Brillenpass ein, insbesondere die Sehstärke. Nach Erhalt der Brille hat der Kunde die Möglichkeit, die Brille bei Nichtgefallen binnen vier Wochen kostenfrei zurückzugeben. Beworben wurde die Gleitsichtbrille unter anderem wie folgt: "Hochwertige Gleitsichtbrillen mit Qualitätsgläsern" und "individuelle Gleitsichtbrillen, bestehend aus einer modischen Kunststoff-Fassung und Premium-Gleitsichtgläsern in Optiker-Qualität". Der Zentralverband der Augenoptiker klagte daraufhin und wollte vor Gericht ein Verbot der online-Vermarktung der Gleitsichtbrillen und der Werbung erreichen.

Beklagtes Unternehmen muss Hinweis auf Gefährdungen bei nicht optimal angepassten Gleitsichtbrillen erteilen

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht entschied, dass die Vermarktung der Gleitsichtbrillen über das Internet und die Werbung zulässig ist. Bei den Gleitsichtbrillen besteht nicht der begründete Verdacht, dass die Brillen die Sicherheit und Gesundheit ihrer Anwender bei sachgemäßer Anwendung gefährden (§ 4 Medizinproduktegesetz – MPG), auch wenn die Brillen nur auf der Grundlage der Daten aus dem Brillenpass hergestellt und nicht weitere individuelle Parameter des Brillenträgers ermittelt werden. Der klagende Apothekerverband trägt selbst nicht vor, dass durch die Verwendung der streitigen Gleitsichtbrillen konkrete Gesundheitsschäden, etwa in Form von Kopfschmerzen, Hals- oder Nackenproblemen aufgetreten sein sollen. Auch wenn die Rückgabequote von 10 bis 12 % ein gewisses Indiz für das Auftreten konkreter Beschwerden sein kann, so sind die Beschwerden dann offenbar jeweils rechtzeitig bemerkt worden. Beschwerden, die so rechtzeitig und deutlich bemerkt werden, dass die Brille zurückgegeben wird, können aber kaum zu einer wirklichen Gefährdung führen. Allerdings muss das beklagte Unternehmen den Hinweis erteilen, dass nicht optimal angepasste Gleitsichtbrillen bei Benutzung im Straßenverkehr gefährlich sein können, da sie den Überblick über den seitlichen Straßenverkehr beeinträchtigen können.

Gericht verneint Irreführung der Verbraucher

Die Bewerbung der Gleitsichtbrillen ist nicht irreführend. Die Bezeichnungen der Gleitsichtbrillen als "hochwertig" und als "Premium" sind nichtssagend und können deshalb auch einen verständigen und informierten Verbraucher nicht täuschen. Die Bezeichnung der Gleitsichtbrillen als "individuell" ist zutreffend, weil die Brillengläser anders als bei Fertigbrillen immerhin anhand der vom Kunden mitgeteilten individuellen Werte aus dem Brillenpass angefertigt werden. Auch der Hinweis auf "Optikerqualität" ist nicht zu beanstanden. Der Kunde weiß, dass dem beklagten Unternehmen anders als einem Optiker zur Anfertigung der Brille nur die Daten aus dem Brillenpass zur Verfügung stehen und folglich das Gestell mit Gläsern nicht dem Gesicht des Kunden angepasst werden kann. Der aufmerksame Verbraucher wird sich deshalb nur vorstellen, dass die Qualität der vom beklagten Unternehmen erstellten Brillen derjenigen entspricht, die ein Optiker ohne Kundenkontakt, also nur auf Grundlage der Daten des Brillenpasses leisten könnte.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 13.10.2014
Quelle: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht/ra-online

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