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Sozialgericht Berlin, Urteil vom 04.09.2014
S 139 VG 310/08 -

DDR-Damen-Volleyballerin hat Anspruch auf Opferentschädigung wegen Vermännlichung, Bewegungsdefiziten und Schmerzen nach Zwangsdoping

Dopingvergabe erfolgte auf Anordnung des DDR-Regimes flächendeckend, systematisch und im Regelfall ohne Aufklärung über die Risiken

Das Sozialgericht Berlin hat entschieden, dass eine Sportlerin der DDR-Damen-Volley­ball­mann­schaft, die ohne ihr Wissen Dopingsubstanzen erhalten hatte und in Folge dessen es bei ihr zu einer Vermännlichung, zu Bewegungsdefiziten und Schmerzen gekommen sei, Anspruch auf Leistungen nach dem Opfer­entschädigungs­gesetz hat.

Die 1959 geborene Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens stieß mit 13 zum Volleyballteam des SC Dynamo Berlin und wurde mit 15 Mitglied der Volleyballnationalmannschaft der DDR. 1980 gewann sie mit ihrer Mannschaft bei der Olympiade in Moskau die Silbermedaille. Ein Jahr später beendete sie ihre sportlerische Karriere aus gesundheitlichen Gründen. Nach unterschiedlichen beruflichen Tätigkeiten ist die Klägerin seit 2000 arbeitslos.

Klägerin stellt Antrag auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz wegen unwissend erhaltener Dopingsubstanzen

Im Jahr 2006 stellte die Klägerin beim Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin einen Antrag auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Sie habe zwischen 1972 und 1981 ohne ihr Wissen Dopingsubstanzen erhalten. Unter anderem seien ihr 1975 in Vorbereitung auf die Junioren-Europameisterschaft blaue Tabletten gegeben worden – es müsse sich um das anabole Steroid Oral-Turinabol gehandelt haben. Auch andere Substanzen seien an ihr getestet worden. In der Folge sei es zu einer unumkehrbaren Vermännlichung ihres äußeren Erscheinungsbildes gekommen (z. B. männliche Stimme), was zu Depressionen und Isolation geführt habe. Ihrer Stasi-Akte habe sie zudem entnommen, dass ihr die Sportärzte im Vorfeld der olympischen Spiele erforderliche Behandlungsmaßnahmen vorenthalten und stattdessen starke Schmerzmittel verabreicht hätten, um eine Olympiateilnahme nicht zu gefährden. Nach den Spielen sei sie dann als leistungssportuntauglich eingestuft worden.

Landesamt für Gesundheit und Soziales lehnt Entschädigungszahlung ab

Die Beklagte lehnte eine Entschädigung ab. Es sei weder geklärt, welche Substanzen die Klägerin eingenommen habe, noch ob sie der Einnahme nicht zugestimmt habe. Die orthopädischen Beschwerden seien darüber hinaus volleyballtypische Überlastungsschäden.

Sozialgericht bejaht Anspruch auf Versorgungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz

Das Sozialgericht Berlin hat die Beklagte nach umfangreichen medizinischen Ermittlungen verurteilt, Versorgungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz zu gewähren. Infolge des Zwangsdopings leide die Klägerin an einer Instabilität der Kniegelenke, einem Bewegungsdefizit der rechten Schulter und einem Wirbelsäulen-Schmerzsyndrom. Das Gericht hege keine vernünftigen Zweifel, dass die Klägerin in das DDR-Dopingsystem eingebunden gewesen sei, ohne hierin selbst oder über ihre Eltern eingewilligt zu haben. Sowohl die Dopingpraxis des SC Dynamo Berlin als auch des Nationalkaders der DDR seien durch andere Verfahren und Forschungsprojekte hinreichend belegt. Die Dopingvergabe sei auf Anordnung des DDR-Regimes flächendeckend, systematisch und im Regelfall ohne Aufklärung über die Risiken erfolgt. Die orthopädischen Gesundheitsschäden seien auch Folge des Dopings. Zwar habe auch die übermäßige Trainingsbelastung ihren Anteil, diese sei aber in dem jugendlichen Alter der Klägerin ohne künstliche Kräftigung der Muskulatur durch Dopingsubstanzen gar nicht zu bewältigen gewesen. Für die psychische Erkrankung der Klägerin seien hingegen ganz überwiegend nicht die durch das Doping verursachten orthopädischen Leiden und die Vermännlichung ursächlich, sondern andere Umstände.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 05.11.2014
Quelle: Sozialgericht Berlin/ra-online

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