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Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 09.10.2014
4 U 46/14 -

Rückwärts ausparkender Autofahrer haftet allein bei Kollision mit anderem Fahrzeug

Verstoß gegen erhöhte Sorgfaltspflicht des rückwärts Ausparkenden wiegt schwerer als Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Unfallopfers

Fährt ein Autofahrer auf einem Kundenparkplatz eines Supermarktes rückwärts aus einer Parklücke, so treffen ihn erhöhte Sorgfaltspflichten. Verstößt er gegen diese Sorgfaltspflichten und kommt es deshalb zu einer Kollision mit einem in der Mittelgasse befindlichen Fahrzeug, so haftet der rückwärts Ausparkende allein für die Unfallfolgen. Denn der Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten wiegt schwerer als die bloße Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Unfallopfers. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juni 2012 kam es auf einem Kundenparkplatz eines Supermarktes zu einer Kollision zwischen einem aus einer Parklücke rückwärts ausparkenden Fahrzeug und eines in der Mittelgasse befindlichen Fahrzeugs. Die Fahrerin des in der Mittelgasse befindlichen Fahrzeugs klagte anschließend auf Schadenersatz. Sie behauptete, dass sie den Unfall nicht habe verhindern können, da die rückwärts ausparkende Autofahrerin unvermittelt losgefahren sei.

Landgericht gab Klage teilweise statt

Das Landgericht Saarbrücken gab der Klage teilweise statt. Es nahm jedoch eine Haftungsverteilung vor. Denn auch der Klägerin sei ein Verstoß gegen das Rücksichtsnahmegebot aus § 1 Abs. 2 StVO anzulasten gewesen. Nach den Ausführungen eines Sachverständigen sei die Klägerin entweder zu schnell gefahren oder sie habe zu spät reagiert. Der Unfall sei daher vermeidbar gewesen. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein.

Oberlandesgericht bejahte volle Haftung der Beklagten

Das Oberlandesgericht Saarbrücken entschied zu Gunsten der Klägerin und hob daher die erstinstanzliche Entscheidung auf. Die Beklagte hafte aufgrund eines Verstoßes gegen das Rücksichtsnahmegebot aus § 1 Abs. 2 StVO für den Schaden allein. Denn sie hätte sich vergewissern müssen, ob ein rückwärts Ausparken ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer möglich war. Das Gericht nahm ein entsprechendes Verschulden der Beklagten aufgrund eines Anscheinsbeweises an. Denn kommt es bei einem Rückwärtsfahren zu einer Kollision, so sei zu vermuten, dass der Rückwärtsfahrende seine Sorgfaltspflichten nicht beachtet habe. Die Vermutung gelte nur dann nicht, wenn der Rückwärtsfahrende nachweisen könne, dass er vor dem Zusammenstoß angehalten habe, urteilten die Richter. Diesen Nachweis habe die Beklagte hier aber nicht führen können.

Kein Verstoß gegen Rücksichtsnahmegebot durch die Klägerin

Der Klägerin sei demgegenüber nach Auffassung des Oberlandesgerichts kein Verstoß gegen das Rücksichtsnahmegebot (§ 1 Abs. 2 StVO) anzulasten gewesen. Ein solcher Verstoß liege zum einen nicht bereits darin, dass sich das in der Mittelgasse befindliche Fahrzeug mit Schrittgeschwindigkeit bewegt. Zum anderen seien die Ausführungen des Sachverständigen zur Vermeidbarkeit des Zusammenstoßes ungereimt und widersprüchlich gewesen. Es habe weder festgestanden, dass die Klägerin zu schnell fuhr noch das sie zögerlich gehandelt habe. Somit sei auf Seiten der Klägerin nur die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs unfallursächlich gewesen. Diese sei jedoch geringer zu bewerten gewesen als der schwere Sorgfaltsverstoß der Beklagten.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 08.01.2015
Quelle: Oberlandesgericht Saarbrücken, ra-online (vt/rb)

Vorinstanz:
  • Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 07.03.2014
    [Aktenzeichen: 4 O 330/12]
Aktuelle Urteile aus den Rechtsgebieten:
Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DAR 2014, 703Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2014, Seite: 703
  • NJW-RR 2015, 223Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2015, Seite: 223

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