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Wenn Eltern mit ihrem zweijährigen Kind auf dem Bürgersteig neben einer befahrenen Straße gehen, müssen sie es nicht ständig an der Hand festhalten. Etwas anderes gilt nur, wenn es eine besondere Gefahrensituation gibt. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgericht Saabrücken hervor.
Im Fall war eine Mutter mit ihrer zweijährigen Tochter auf einem Bürgersteig unterwegs. Das Mädchen hielt sie dabei nicht ständig an der Hand. Unvermittelt lief das Kind an der Mutter vorbei auf die Fahrbahn. Die Mutter erschrak und lief blindlings ihrem Kind hinterher, um es zurückzuhalten. Dabei wurden beide von einem herannahenden Autofahrer erfasst und schwer verletzt.
Mutter und Kind verklagten den Autofahrer später auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Das Oberlandesgericht gab ihnen Recht. Sie hätten einen Anspruch aus § 7 I StVG a.F., 3 Nr. 1 und Nr. 2 PflVG. Der Unfall sei bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden.
Ein Mitverschulden hätten sich Mutter und Kind nicht anrechnen zu lassen. Bei dem Kind komme ein (Mit-) Verschulden schon deshalb gar nicht in Frage, weil es zum Unfallzeitpunkt gemäß § 828 I BGB nicht zurechnungsfähig gewesen sei.
Auch für die Mutter komme ein Mitverschulden nicht in Betracht. Weder die Tatsache, dass sie das Kind nicht an die Hand genommen habe, noch die Tatsache, dass sie ohne jede Vorsicht auf die Straße gerannt sei, begründe hier ein Mitverschulden.
Das Kind habe sich in einer Entwicklungsphase befunden, in der es darauf angewiesen sei, die eigenen neu gelernten Fähigkeiten fortwährend neu zu trainieren. Für das Kind wäre es deshalb unzumutbar gewesen, wenn es sich nur an der Hand der Mutter hätte bewegen dürfen und seine Fortbewegungsfreiheit auf diesen engen Aktionsradius eingeschränkt gewesen wäre. Die notwendige Entwicklung des Kindes wäre damit deutlich beeinträchtigt gewesen. Schließlich könne ein Kind in diesem Alter auch nicht ausschließlich an der Hand gehen. Indem die Mutter das Kind auch nur auf der Hausseite des Bürgersteiges laufen lief und sie selbst auf der der Straße zugewandeten Seite gegangen sei und das Kind so von der Fahrbahn abschirmte, sei auch keine besondere Gefahrenlage ersichtlich gewesen, so dass die Mutter ihre Aufsichtspflicht hinreichend erfüllt habe.
Die Tatsache, dass die Mutter dem Kind nachgelaufen sei, sei eine reflexartige Reaktion gewesen, die nicht willensgesteuert und deshalb auch nicht geeignet sei, einen Mitverschuldensvorwurf zu begründen.
a. Ein Erziehungsberechtigter ist nicht dazu verpflichtet, sein zweijähriges Kind ständig an der Hand zu halten, wenn dieses auf einem Bürgersteig neben einer befahrenen Straße geht. Das Kind ist nur in besonderen Gefahrensituationen an die Hand zu nehmen.
b. Rennt eine Mutter ihrem Kinde nach, welches auf eine befahrene Straße läuft, und achtet sie dabei nicht auf ein herannahendes Fahrzeug, so ist dies eine reflexartige Reaktion, die kein Mitverschulden der Mutter begründet.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 11.01.2007
Quelle: ra-online
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Dokument-Nr. 3610
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