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Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 28.03.2008
1 Ss 127/07 -

Keine Bewährung nach tödlichem Verkehrsunfall bei grob verkehrswidrigem und rücksichtlosem Verhalten im Straßenverkehr

Wer sich "ohne Bedenken über Verkehrsregeln und Sicherheitsbedenken anderer Verkehrsteilnehmer hinwegsetzt" und eine tödlichen Verkehrsunfall verursacht kann nicht damit rechnen, dass seine Strafe (hier: Fahrlässige Tötung) zur Bewährung ausgesetzt wird.

Der 40-jährige nicht vorbestrafte Angeklagte war im Juni 2007 im Berufungsverfahren durch das Landgericht Waldshut-Tiengen wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden. Eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung lehnte die Strafkammer ab. Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte mit einer Motorsportversion eines Neuwagens, den er zunächst auf Schotterpisten auf seine Leistungsfähigkeit getestet hatte, eine enge und kurvenreiche Landstraße im südbadischen Raum mit überhöhter Geschwindigkeit von mindestens 125 km/h befahren. Nach einem Überholvorgang schnitt er eine sich nach einer Rechtskurve anschließende Linkskurve, obwohl für ihn die weitere Fahrbahn nicht einsehbar gewesen war. Nachdem der Angeklagte nach Einfahrt in die Linkskurve - er befand sich dabei weitgehend auf der linken Fahrbahn - ein entgegenkommendes Auto wahrgenommen hatte, versuchte er nach rechts auszuweichen, wobei er die Beherrschung über seinen Pkw verlor und mit dem entgegenkommenden Fahrzeug frontal zusammenstieß. Dessen Fahrerin verstarb an den Folgen des Aufpralls noch am Unfallort.

OLG Karlsruhe verwirft die Berufung

Die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen eingelegte Revision hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe nunmehr verworfen und damit auch die Versagung einer Strafaussetzung zur Bewährung bestätigt.

Verteidigung der Rechtsordnung verbietet im Fall die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung

Nach § 56 Abs. 3 StGB werde bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe vom mindestens sechs Monaten die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebiete. Ein solcher Fall sei dann anzunehmen, wenn eine Strafaussetzung im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsse und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werde. Diese könne auch bei Fahrlässigkeitsdelikten im Straßenverkehr der Fall sein. So etwa bei Trunkenheitsdelikten oder schwersten Verkehrsverstößen, die zu besonders schweren, insbesondere tödlichen Unfallfolgen führten. Allerdings erfordere nicht jede Missachtung von Verkehrsvorschriften eine derart nachdrückliche Sanktion, vielmehr kämen im Regelfalle nur besonders grobe und rücksichtslose Verstöße in Betracht.

Angeklagter hat eine besonders grobe und rücksichtslose Pflichtverletzung begangen

Eine derartige besonders grobe und rücksichtslose Pflichtverletzung habe die Strafkammer vorliegend zu Recht angenommen. Sie habe nicht nur die Eingangsvoraussetzungen der § 315 c Abs. 1 Nr. 2 d und e StGB festgestellt, sondern das Verhalten des Angeklagten auch auf eine verkehrsfeindliche und aus eigennützigen Beweggründen geprägte Motivation zurückgeführt. Der Angeklagte sei nicht nur auf der schmalen und kurvenreichen Landstraße zu schnell gefahren, sondern habe auch an der für ihn unübersichtlichen Linkskurve die rechte Fahrbahnseite nicht eingehalten und sei auf die linke Fahrspur gewechselt. Gerade dieses "Kurvenschneiden" zeige, dass der Angeklagte nicht nur die Fahrleistung seines neuen Fahrzeugs überschätzt, sondern sich ohne Bedenken über Verkehrsregeln und die Sicherheitsinteressen anderer Verkehrseilnehmer hinweggesetzt habe.

Besondere Umstände des Einzelfalles, welche eine andere Beurteilung gebieten könnten, habe die Strafkammer rechtsfehlerfrei verneint.

Gesetzesauszug

StGB § 222 fahrlässige Tötung

Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

StGB § 315 c Gefährdung des Straßenverkehrs

(1) Wer im Straßenverkehr

1. ein Fahrzeug führt, obwohl er

a) infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder

b) infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, oder

2. grob verkehrswidrig und rücksichtslos

a) die Vorfahrt nicht beachtet,

b) falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt,

c) an Fußgängerüberwegen falsch fährt,

d) an unübersichtlichen Stellen, an Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt,

e) an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält,

und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1. die Gefahr fahrlässig verursacht oder

2. fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

StGB § 56 Strafaussetzung

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 18.04.2008
Quelle: ra-online, OLG (pm)

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Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-Spezial 2008, 619 (Rainer Heß und Michael Burmann)Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2008, Seite: 619, Entscheidungsbesprechung von Rainer Heß und Michael Burmann

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