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Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 23.02.2016
9 U 43/15 -

Vorfahrts­berechtigter Verkehrsteilnehmer trägt wegen erheblicher Geschwindigkeits­überschreitung bei Kollision Mithaftung

OLG Hamm zur Haftungsverteilung nach Verkehrsunfall

Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass die erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchst­geschwindig­keit durch einen vorfahrt­berechtigten Motorradfahrer bei einem Zusammenstoß mit einem Pkw-Fahrer, der aus einer rechtsseitig gelegenen, untergeordneten Straße abbiegen will, eine Haftungsverteilung von 30 % zu 70 % zu Lasten des Motoradfahrers rechtfertigen kann.

Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist die Krankenkasse des im September Jahre 2011 28 Jahre alten Motorradfahrers aus Hamm. Sie nimmt den seinerzeit 58 Jahre alten Pkw-Fahrer aus Arnsberg und dessen Haftpflichtversicherung auf Erstattung von Aufwendungen in Anspruch, die ihr aufgrund eines Unfalls des Motorradfahrers entstanden sind. Im September 2011 befuhr der Motorradfahrer den Haarweg in Werl. Im Bereich der von rechts einmündenden Autobahnabfahrt ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf dem Haarweg auf 50 km/h begrenzt. Diese Begrenzung ließ der Motorradfahrer außer Acht, sein Motorrad Yamaha war mindestens 121 km/h schnell. Der beklagte Pkw-Fahrer bog mit seinem Pkw VW Touran langsam nach links ab, als das Motorrad noch ca. 250 m entfernt war. Aufgrund des Abbiegemanövers leitete der Motorradfahrer eine Bremsung ein und wich nach links aus, kollidierte jedoch mit dem abbiegenden Pkw. Bei dem Unfall zog sich der Motoradfahrer schwere Verletzungen zu. Im vorliegenden Zivilprozess haben die Parteien im Wege der Feststellungsklage darüber gestritten, ob der beklagte Pkw-Fahrer für den Unfall mitverantwortlich ist und die Beklagten der Klägerin deswegen 1/3 der unfallbedingten Aufwendungen zu ersetzen haben.

OLG bejaht 30 prozentige Haftung der Beklagten

Im Unterschied zum Landgericht, das die Klage in der Annahme eines die Verantwortung der Beklagten ausschließenden, überwiegenden Verschuldens des Motorradfahrers abgewiesen hatte, bejahte das Oberlandesgericht Hamm eine 30 prozentige Haftung der Beklagten für das Unfallgeschehen.

Erhebliche Geschwindigkeit des Motorrads war für Pkw-Fahrer erkennbar

Auf Seiten des Motorradfahrers sei zunächst, so das Gericht, die unfallursächliche, massive Tempoüberschreitung zu berücksichtigen, von der die Klägerin selbst ausgehe. Allerdings liege auch auf Seiten des Pkw-Fahrers ein schuldhaftes Verhalten vor. Beim Beginn seines Abbiegevorgangs sei das mit eingeschaltetem Fahrlicht herannahende Motorrad für den Pkw-Fahrer zu sehen gewesen. Wenn er dieses - seinen Angaben vor Gericht entsprechend - erst nach Abbiegebeginn erstmals wahrgenommen habe, habe er den Verkehr auf der bevorrechtigten Straße nicht ausreichend beachtet. Bei ausreichender Ausschau habe er die erhebliche Geschwindigkeit des Motorrads erkennen können und dann warten müssen. Keinesfalls habe er in der tatsächlich erfolgten langsamen Weise mit nur geringer Beschleunigung abbiegen dürfen, sondern - wenn überhaupt - zügig anfahren müssen. Beim Abwarten und - nach den Angaben des vom Gericht befragten Sachverständigen - auch beim zügigen Abbiegen wäre der Zusammenstoß zu vermeiden gewesen. Die damit ebenfalls unfallursächliche Vorfahrtsverletzung des Pkw-Fahrers rechtfertige eine Haftung von 30 % zu Lasten der Beklagten.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 27.06.2016
Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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