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Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 02.01.2014
3 UF 192/13 -

Kindesunterhalt ist nach fiktivem Vollerwerbs­einkommen zu berechnen

Kindesvater schuldet seinen drei minderjährigen Kindern keinen Unterhalt

Kindesunterhalt ist bei der Zurechnung eines fiktiven Einkommens im Regelfall nach einem fiktiven Vollerwerbs­einkommen und nicht nach einem fiktiven Nebenerwerbs­einkommen neben einem Sozialleistungs­bezug zu berechnen. Das gilt auch dann, wenn der Unterhaltsschuldner nach der Berechnung mit einem Vollerwerbs­einkommen nicht leistungsfähig ist, während er nach der Berechnung mit einem Nebenerwerbs­einkommen aufgrund des niedrigeren Selbstbehalts Unterhalt zahlen müsste. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengerichts - Herne entschieden.

Dem vorzuliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beteiligten, in Bochum und Herne getrennt lebende Eheleute tamilischer Herkunft, streiten über die Verpflichtung des Kindesvaters zur Zahlung von monatlich ca. 950 Euro Unterhalt für die drei bei der Mutter lebenden minderjährigen Kinder im Alter von 15, 13 und 11 Jahren. Der Vater bezieht Arbeitslosengeld-II-Leistungen in Höhe von ca. 775 Euro monatlich. Nach der Aufgabe einer selbständigen Tätigkeit im Gastronomiegewerbe im Jahre 2012 hätte er als ungelernter Hilfskoch tätig werden können, ohne diese Tätigkeit in der Folgezeit auszuüben.

OLG Hamm kann notwendige Leistungsfähigkeit des Vaters nicht festellen

Im Unterschied zum Familiengericht Herne hat das Oberlandesgericht Hamm die für einen Unterhaltsanspruch der Kinder notwendige Leistungsfähigkeit des Vaters nicht feststellen können. Der Vater sei zwar in der Lage, einer vollschichtigen abhängigen Beschäftigung nachzugehen und habe nicht ausreichend dargelegt, dass er diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen oder trotz ausreichender Bemühungen um einen Arbeitsplatz nicht habe ausüben können. Für die Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit sei ihm daher ein fiktives Vollerwerbseinkommen zuzurechnen. Dies betrage bei einem Hilfskoch in Nordrhein-Westfalen monatlich durchschnittlich 1.387 Euro brutto. Von diesem Einkommen seien Steuern, Sozialversicherungsabgaben und berufsbedingte Aufwendungen in einer Höhe abzuziehen, dass ein Nettobetrag verbleibe, der unter dem monatlichen Selbstbehalt eines Vollerwerbstätigen von 1.000 Euro liege. Hiernach sei der Vater nicht leistungsfähig und schulde keinen Unterhalt.

Rechnerisch ist nur eine geringe Leistungsfähigkeit zu begründen

Rechnerisch lasse sich zwar eine Leistungsfähigkeit geringen Umfangs begründen, wenn man von den monatlichen Sozialgesetzbuch-II-Leistungen und einem dazu fiktiv erzielten, teilweise anrechnungsfrei bleibenden monatlichen Nebeneinkommen ausgehe. Dieses ergäbe ein fiktives Einkommen von ca. 940 Euro, dem ein Selbstbehalt eines teilweise Erwerbstätigen von 850-900 Euro gegenüberstehe. Die Differenz verbleibe rechnerisch als eine Leistungsfähigkeit geringen Umfangs zum Kindesunterhalt.

Unterhaltstitel liegt nicht vor

Aus der gesetzlichen Regelung des Sozialgesetzbuches II folge aber, dass es nur bei einem bereits titulierten Unterhaltsanspruch auf das aus Sozialleistungen und einem Nebeneinkommen bestehende Einkommen mit dem geringeren Selbstbehalt des die Sozialleistungen beziehenden Unterhaltsschuldners ankomme. Gebe es - wie im vorliegenden Fall - noch keinen Unterhaltstitel, solle es dem Unterhaltsgläubiger hingegen nach dem sozialpolitischen Sinn und Zweck des Gesetzes nicht ermöglicht werden, Kindesunterhalt auf der Grundlage eines Verbleibs des Unterhaltsschuldners im Bezug von Sozialleistungen und eines anrechnungsfreien Teils fiktiver Nebeneinkünfte erstmals titulieren zu lassen. Die Leistungsfähigkeit des Kindesvaters als Unterhaltsschuldner sei daher nach einem fiktiven Vollerwerbseinkommen zu beurteilen.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 13.02.2014
Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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