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Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 02.09.2016
11 U 16/16 -

Lehrerin hat nach abgelehnter Verbeamtung trotz verfassungswidriger Altersgrenze keinen Anspruch auf Schadensersatz

Voraussetzungen für Haftung des Landes trotz objektiver Amtspflicht­verletzung nicht gegeben

Einer Lehrerin, die vom Land Nordrhein-Westfalen in Anwendung einer verfassungswidrigen Altersgrenze zu Unrecht nicht verbeamtet wurde, kann Schadensersatz zu versagen sein, weil - trotz objektiver Amtspflicht­verletzung - die Voraussetzungen für eine Haftung des Landes Nordrhein-Westfalen nicht erfüllt sind. Dies entschied das Oberlandesgericht Hamm.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die im Jahre 1950 geborene Klägerin aus Paderborn arbeitete bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand Anfang des Jahres 2016 als tarifangestellte Lehrerin im Schuldienst des beklagten Landes Nordrhein-Westfalen. Ihren Antrag, sie zum 1. Juni 2009 in das Beamtenverhältnis zu übernehmen, lehnte das beklagte Land mit der Begründung ab, dass die Klägerin das in der nordrhein-westfälischen Laufbahnverordnung bestimmte Höchstalter von 35 Jahren für die Verbeamtung überschritten habe. Diese Entscheidung bestätigten im Jahre 2011 das von der Klägerin angerufene Verwaltungsgericht Minden und - in 2. Instanz - im Jahre 2012 das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen.

Schadensersatzforderungen bleiben erfolglos

Ausgehend hiervon blieb auch der von der Klägerin gegen das Land angestrengte zivilrechtliche Schadensersatzprozess erfolglos. Mit diesem wollte die Klägerin in finanzieller Hinsicht so gestellt werden, als sei sie antragsgemäß verbeamtet worden. Dabei machte sie insbesondere einen ihr in 80 Monaten entgangenen höheren Beamtenverdienst geltend, den sie - nunmehr - mit einem Mittelwert von ca. 2.000 Euro monatlich berechnet. In erster Instanz wies das Landgericht Paderborn ihre Schadensersatzklage ab. Gegen das ihre Berufung zurückweisende Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. April 2014 ließ der Bundesgerichtshof die Revision nicht zu.

Verfassungsbeschwerde gegen OLG-Urteil erfolgreich

Im Jahre 2015 hatte die von der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster erhobene Verfassungsbeschwerde Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass es an einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage für die in der Laubahnverordnung, einer Rechtsverordnung, festgelegten Altersgrenze fehle und hob die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen auf.

Aufgrund der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung hat die Klägerin das ihre Schadensersatzklage abweisende Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. April 2014 erfolgreich mit einer Restitutionsklage angefochten und das Gericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über ihre Berufung veranlasst.

OLG verneint erneut Schadensersatzanspruch

Mit seiner Entscheidung vom 2. September 2016 wies das Oberlandesgerichts Hamm die Berufung der Klägerin nun erneut zurück. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch stehe der Klägerin laut Gericht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Für Amtshaftung fehlt es an notwendigem Verschulden der seinerzeit entscheidenden Amtsträger

Als Amtshaftungsanspruch sei er nicht gerechtfertigt. Zwar sei die Übernahme der Klägerin in das Beamtenverhältnis objektiv amtspflichtwidrig abgelehnt worden. Die Höchstaltersgrenze der nordrhein-westfälischen Laufbahnverordnung, mit deren Überschreitung ihre Ablehnung in das Beamtenverhältnis begründet worden sei, sei mangels hinreichend bestimmter gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage mit dem Grundgesetz nicht vereinbar gewesen. Jedoch fehle es an dem für eine Amtshaftung notwendigen Verschulden der seinerzeit entscheidenden Amtsträger. Bis zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2015 habe es keine Hinweise auf die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung der Laufbahnverordnung gegeben. So habe auch das Bundesverwaltungsgericht in Urteilen aus den Jahren 2009 und 2012 noch eine im nordrhein-westfälischen Landesbeamtengesetz enthaltene Bestimmung als ausreichende gesetzliche Grundlage für die Regelung der Altersgrenze in der Laufbahnverordnung angesehen. Ausgehend hiervon sei den zuständigen Amtsträgern kein Verschulden vorzuwerfen. Sie hätten die Richtigkeit der Beurteilung durch das Bundesverwaltungsgericht nicht in Zweifel ziehen müssen.

Auf das Alter gestützte Ablehnung der Verbeamtung verstößt nicht gegen materielles Unionsrecht

Die Voraussetzungen einer unionsrechtlichen Staatshaftung seien im Fall der Klägerin ebenfalls nicht erfüllt. Die auf das Alter der Klägerin gestützte Ablehnung ihrer Verbeamtung verstoße nicht gegen materielles Unionsrecht, insbesondere nicht gegen die europäische Richtlinie zur Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Diese verbiete nicht jede Differenzierung von Bewerbern aufgrund ihres Alters. Der Landesgesetzgeber könne im Rahmen des in Deutschland zur Umsetzung der Richtlinie geschaffenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vielmehr eine Altersgrenze einführen, um zu gewährleisten, dass die Dienstzeit der Beamten in einem angemessenen Verhältnis zum späteren Anspruch auf Versorgung während des Ruhestandes stehe. Das habe der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber mit der in Frage stehenden Regelung seiner Laufbahnverordnung umgesetzt. Aus dem Fehlen einer innerstaatlich formal wirksamen, weil im Gesetz nicht hinreichend bestimmten Regelung für eine Einstellungshöchstaltersgrenze ergebe sich kein hinreichend qualifizierter Rechtsverstoß, der einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch begründen könne.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 21.10.2016
Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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