wichtiger technischer Hinweis:
Sie sehen diese Hinweismeldung, weil Sie entweder die Darstellung von Cascading Style Sheets (CSS) in Ihrem Browser unterbunden haben, Ihr Browser nicht vollständig mit dem Standard HTML 4.01 kompatibel ist oder ihr Browsercache die Stylesheet-Angaben „verschluckt“ hat. Lesen Sie mehr zu diesem Thema und weitere Informationen zum Design dieser Homepage unter folgender Adresse:   ->  weitere Hinweise und Informationen


Dies ist die mobile Version von kostenlose-urteile.de - speziell optimiert für Smartphones.

Klicken Sie hier, wenn Sie lieber die klassische Version für Desktop-PCs und Tablets nutzen wollen.


Hier beginnt die eigentliche Meldung:

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.07.1998
20 W 2241/98 -

Zur Frage, ob § 1904 BGB analog auf das Herbeiführen des Todes angewendet werden darf

Der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen kann durch das Vormundschaftsgericht genehmigt werden, wenn dies dem zuvor geäußerten oder dem mutmaßlichen Willen eines im Koma liegenden Patienten entspricht und ein bewußtes und selbstbewußtes Leben nicht mehr zu erwarten ist.

Der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hatte darüber zu entscheiden, ob Gerichte - wie dies in § 1904 BGB ausdrücklich für schwerwiegende ärztliche Maßnahmen vorgesehen ist - auch dann eine Genehmigung erteilen dürfen, wenn es nicht um einen Heileingriff geht, sondern um die Beendigung der Sondenernährung und damit um "Hilfe zum Sterben".

Eine 85-jährliche Patientin befindet sich nach einem ausgedehnten Hirninfarkt bei anhaltender Bewußtlosigkeit (Koma) mit vollständigem Verlust der Bewegungs- und Kommunikationsfähigkeit seit Ende 1997 in einem Frankfurter Krankenhaus und wird dort über eine Magensonde ernährt. Eine Besserung des Zustandes ist nicht zu erwarten. Zu einer eigenen freien Willensbestimmung ist sie nicht in der Lage.

Die Tochter der Patientin, die durch das Vormundschaftsgericht zur Betreuerin bestellt worden ist, beantragte die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu einem Behandlungsabbruch durch Einstellung der Sondenernährung und wies unter Vorlage mehrerer eidesstattlicher Versicherungen darauf hin, die Mutter habe früher geäußert, kein langes Sterben ertragen zu wollen.

Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Frankfurt hatten es abgelehnt, die Genehmigung für den ärztlicherseits empfohlenen Abbruch der Sondenernährung zu erteilen, weil § 1904 BGB nicht analog auf eine gezielte Herbeiführen des Todes angewendet werden könne. Dies habe der Gesetzgeber zu regeln.

Die Richter des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main änderten die Entscheidungen der Vorinstanzen ab und vertraten die Auffassung, es liege eine Gesetzeslücke vor. Der Gesetzgeber habe das Betreuungsrecht unter Wahrung der größtmöglichen Autonomie der Betroffenen regeln wollen. Eine Analogie sei möglich, zumal der geregelte Tatbestand der Risikooperationen und der nicht geregelte Tatbestand eines Behandlungsabbruches bei wertendem Denken nicht absolut ungleich seien. Wenn schon eine Risikooperation vorher genehmigt werden müsse, bedürfe ein Behandlungsabbruch erst recht der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes. Hinter der Ansicht, daß in der Rechtsordnung ein Richter über Leben und Tod« nicht vorgesehen sei und sich dies aus rechtsethischen und -historischen Gründen verbiete, sei der Gedanke an das Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten verborgen, das das Ziel der Vernichtung "lebensunwerten" Lebens gehabt habe. Demgegenüber stehe hier aber ein vom tatsächlich geäußerten oder wenigsten mutmaßlichen Willen des Betroffenen getragener Behandlungsabbruch. Die richterliche Genehmigung solle gerade einem Mißbrauch entgegenwirken.

Es gehe bei der Entscheidung nicht um lediglich passive Sterbehilfe, sondern um den Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme und damit um "Hilfe zum Sterben". Dabei sei das Selbstbestimmungsrecht des Patienten grundsätzlich anzuerkennen. An die Annahme eines erklärten oder mutmaßlichen Willen seien erhöhte Anforderungen zu stellen, weil der Gefahr entgegengewirkt werden müsse, daß Arzt, Angehörige oder der Betreuer nach eigenen Vorstellungen das für sinnlos gehaltene Leben des Betroffenen, beenden wollten. Es gelte, den Konflikt zwischen dem hohen Anspruch an die Achtung des Lebens und dem ebenfalls hohen Anspruch auf Achtung der Selbstbestimmung der Person und ihrer Würde zu lösen. Es komme daher entscheidend auf die Feststellung einer mutmaßlichen Einwilligung des Betroffenen an, an die strenge Anforderungen zu stellen seien. In diesem Zusammenhang dürfte Patiententestamtenten künftig ein Bedeutungszuwachs zukommen. Bei nicht aufklärbarer mutmaßlicher Einwilligung sei dem Lebensschutz der Vorrang einzuräumen.

Der Senat hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung des mutmaßlichen Willens der Patientin an das Amtsgericht zurück.

Gegen diese Entscheidung ist kein weiteres Rechtsmittel mehr gegeben.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 20.03.2005
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main

Aktuelle Urteile aus den Rechtsgebieten:
Urteile zu den Schlagwörtern:

Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/OLG-Frankfurt-am-Main_20-W-224198_Zur-Frageob-Paragraph-1904-BGB-analog-auf-das-Herbeifuehren-des-Todes-angewendet-werden-darf~N3003

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Dokument-Nr.: 3003 Dokument-Nr. 3003

recht-aktuell.de Alles, was Recht ist

kostenlose-urteile.de ist ein Service der ra-online GmbH


Die Redaktion von kostenlose-urteile.de gibt sich größte Mühe bei der Zusammenstellung interessanter Urteile und Meldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann kostenlose-urteile nicht die fachkundige Rechtsberatung in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.