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Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10.05.2016
L 9 AS 5116/15 -

Hartz IV: Fahrerkabine eines offenen Pritschenwagens stellt keine geeignete Unterkunft dar

Jobcenter muss Kosten für Leben in Pritschenwagen können nicht übernehmen

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass ein Empfänger von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende, sogenanntes "Hartz IV"), der in der Fahrerkabine eines offenen Pritschenwagens nächtigt, dafür keine Kosten der Unterkunft geltend machen kann.

Der klagende 60-jährige Leistungsempfänger des zugrunde liegenden Streitfalls lebt im Bodenseeraum und ist seit einigen Jahren ohne festen Wohnsitz. Er nächtigte nach eigenen Angaben seit 2010 in einem Pritschenwagen. Das zuständige Jobcenter ging zunächst davon aus, es handle sich um eine Art Wohnmobil mit geschlossenem Überbau und erstattete dem Kläger die Kosten der Kfz-Haftpflichtversicherung sowie eine Heizkostenpauschale für die vorhandene Standheizung. Ende 2013 besichtigte das Jobcenter das Fahrzeug und weigerte sich sodann, dem Kläger dafür Unterkunftskosten zu zahlen. In dem offenen Wagen sei ein Mindestmaß an Privatsphäre nicht gewährleistet. Es fehle an der Vergleichbarkeit mit einer privaten Wohnung, die einen längeren Aufenthalt ermögliche.

Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, dass der deutsche Sozialstaat ihm sein menschenwürdiges Existenzminimum verweigere.

Wichtige Aspekte der Privatsphäre wie Hygiene oder ungestörter Kleidungswechsel unmöglich

Das Sozialgericht Konstanz wies die Klage in erster Instanz ab. Auch die Berufung blieb erfolglos. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg gab dem Jobcenter in zweiter Instanz ebenfalls Recht. Der offene Pritschenwagen stelle keine Unterkunft im Sinne des SGB II dar, für die Kosten übernommen werden könnten. Das Fahrzeug sei lediglich mit einem geschlossenen einreihigen Fahrerhaus ausgestattet, das eine Sitzbank mit drei Sitzplätzen beinhalte. Eine Rückbank existiere nicht, und die Ladefläche sei offen. Wichtige Aspekte der Privatsphäre wie Hygiene oder ungestörter Kleidungswechsel sowie ein gewisses Maß an Komfort seien mangels Ausstattung und Platz (insbesondere mangels Möglichkeit zum Stehen) sowie aufgrund deutlicher Einsehbarkeit des Innenbereichs nicht einmal annähernd wie in einer Wohnung möglich. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber die Leistungen im SGB II zur Deckung der notwendigen Bedarfe nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen.

Sozialgesetzbuch (SGB) II - Grundsicherung für Arbeitsuchende

§ 19 Absatz 1 Satz 1 und 3 SGB II:

1 Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Arbeitslosengeld II. [...]

3 Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung.

§ 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II:

Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 23.05.2016
Quelle: Landessozialgericht Baden-Württemberg/ra-online

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