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Kammergericht Berlin, Beschluss vom 03.11.2009
9 W 196/09 -

"Google-Snippets": Automatisierte Zusammenfassung von Suchergebnissen ("Snippets") stellt eine Persönlichkeitsverletzung dar

Unwahre Tatsachenbehauptung durch verkürzte Inhaltswiedergabe durch Snippets

Wird die Aussage auf einer verlinkten Seite durch die automatische Zusammenfassung von Suchergebnissen derart sinnentstellt, dass eine unwahre Tatsachenbehauptung vorliegt, so kann der Verletzte erfolgreich ein Unterlassungsanspruch geltend machen. Dies hat das Kammergericht entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall beantragte der Antragsteller eine einstweilige Verfügung gegen Google. Der Antragsteller war Journalist und Sachbuchautor, der sowohl im Fernsehen als auch auf Bühnen auftrat. Mit der einstweiligen Verfügung begehrte der Antragsteller das Unterlassen der Verbreitung folgenden Inhalts, der bei Eingabe des Namens des Antragstellers auf der Internetsuchmaschine Google erschien:

"Eklat - Bastian Sick tritt unter Buhrufen ab…Aber ein sichtlich verwirrter Bastian Sick und ein besserwisserisches Publikum verwandelten den sprachkritischen Abstand in ein… www.welt.de/.../Eklat_Bastian_Sick_tritt_unter_Buhrufen_ab.html - Im Cache - Ähnlich".

Hierbei handelte es sich um eine automatisierte Zusammenfassung von Suchergebnissen, sogenannte "Snippets". Ein Anklicken des Links führte zu einem Beitrag von WELT-ONLINE, in dem über einen fiktiven Auftritt des Antragstellers berichtet wurde. Er war der Meinung, dass durch Kürzungen und Auslassungen, namentlich durch Weglassen jeglichen Hinweises auf den Satirecharakter des angezeigten WELT-ONLINE-Artikels, eine ihn belastende unwahre Tatsachenbehauptung verbreitet wurde. Das Landgericht Berlin wies den Antrag auf einstweilige Verfügung zurück. Dagegen richtete sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

Unterlassungsanspruch bestand

Das Kammergericht entschied zu Gunsten des Antragstellers. Diesem habe ein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) zugestanden.

Zwar sei es Google nicht möglich und zuzumuten, jedes Rechercheergebnis vor der Anzeige des Abfrageergebnisses auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu überprüfen. Denn insofern würde ihr gesamtes Geschäftsmodell in Frage gestellt werden. Die Haftung von Google habe deshalb die Verletzung von Prüfungspflichten vorausgesetzt. Deren Umfang bestimme sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten sei.

Verletzung von Prüfpflichten lag vor

Nach Ansicht des KG habe Google ihre Prüfungspflichten verletzt. Denn aufgrund des anwaltlichen Mahnschreibens habe Google hinreichend Anlass gehabt, den automatisch erstellten Inhalt des Beitrages im Suchergebnis auf eine Persönlichkeitsverletzung hin zu überprüfen. Dieser Prüfungspflicht sei sie nicht nachgekommen.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht des Antragstellers wurde verletzt

Der Antragsteller sei auch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden, so das KG weiter. Dabei komme es maßgeblich auf den Erklärungsgehalt der Snippets an. Abzustellen sei auf das objektive Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Adressaten.

Der objektive Sinngehalt der hier vorliegenden Snippets sei gewesen, dass der Antragsteller einen vollkommen misslungenen Auftritt vor einem Publikum hatte. Aus dem Snippet selbst ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass es sich um eine satirische Darstellung gehandelt habe und ein solcher Auftritt tatsächlich gar nicht stattgefunden habe. Damit werde aber die Aussage auf der verlinkten Seite durch die verkürzte Inhaltswiedergabe im Snippet zu einer eindeutig unwahren Tatsachenbehauptung.

Die unwahre Tatsachenbehauptung sei auch geeignet gewesen, den sozialen Geltungsanspruch des Antragstellers zu beeinträchtigen. Die Aussage habe ihn in seinem öffentlichen, wirtschaftlichen und beruflichen Wirken betroffen. Sie sei für den Antragsteller, der mit öffentlichen Auftritten sein Einkommen erziele, geschäftsschädigend gewesen.

Auf den Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) könne sich Google wegen Vorliegens einer bewusst unwahren Tatsachenbehauptung nicht berufen.

Automatische Erstellung der Snippets unerheblich

Dass der Sucheintrag automatisch erstellt wurde, sei nach Ansicht des KG unerheblich. Denn der Wille, eine Aussage mit einem bestimmten Inhalt zu treffen, sei für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht erforderlich.

Weiterhin habe es keine Rolle gespielt, dass der Aussagegehalt durch Anklicken und Lesen der verlinkten Seite beim Nutzer möglicherweise korrigiert werde, denn selbst eine Schlagzeile in einer Zeitung könne, auch wenn sie durch den nachfolgenden Text korrigiert werde, eine Persönlichkeitsverletzung darstellen.

Wissen des Nutzers um die automatisierte Zusammenfassung unbeachtlich

Die Frage, ob der Durchschnittsnutzer wisse, wie die ihm nach Eingabe von Suchworten präsentierten Snippets zustanden kamen, könne nach Auffassung des KG dahin stehen (andere Ansicht: OLG Hamburg, Urt. v. 26.05.2011 - 3 U 67/11). Allein maßgebend für die Haftung eines Suchmaschinenbetreibers sei, ob sich die Zusammenfassung bzw. Verkürzung der verlinkten Seite noch im Rahmen der Kernaussage der Ursprungsseite hält. Wenn aber die verkürzte, zusammenfassende Darstellung im Snippet sinnentstellend werde, treffe der Snippet trotz seiner automatischen Erstellung eine eigene Aussage.

Keine Haftungsprivilegierung nach dem Telemediengesetz (TMG)

Das KG führte schließlich aus, dass sich Google nicht auf die Haftungsprivilegierung nach §§ 8-10 TMG stützen könne. Denn sie umfasse nicht Unterlassungsansprüche, sondern lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadenersatzhaftung (vgl. BGH, Urt. v. 30.04.2008 - I ZR 73/05).

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 20.11.2012
Quelle: Kammergericht Berlin, ra-online (vt/rb)

Vorinstanz:
  • Landgericht Berlin, Beschluss vom 10.09.2009
    [Aktenzeichen: 27 O 848/09]
Aktuelle Urteile aus den Rechtsgebieten:
Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MMR 2010, 495Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2010, Seite: 495

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