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Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15.05.2014
L 1 KR 56/13 KL -

Betriebs­kranken­kassen dürfen Erwachsenen keinen Zuschuss für eine Brille gewähren

Satzungsänderung einer Betriebs­kranken­kasse rechtswidrig

Gesetzliche Kranken­ver­sicherungen haben keinen Anspruch auf Genehmigung einer Satzungsänderung, die einen Zuschuss zu Brillen und Kontaktlinsen für volljährige Versicherte vorsieht. Dies entschied das Hessische Landessozialgericht.

Im zugrunde liegende Streitfall beabsichtigte eine Betriebskrankenkasse, ihren volljährigen Versicherten einen Zuschuss von maximal 50 Euro zu Brillen und Kontaktlinsen zu gewähren. Sie beantragte beim Bundesversicherungsamt die Genehmigung der entsprechenden Satzungsänderung. Das Bundesversicherungsamt lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass ein voraussetzungsloser Anspruch auf einen Zuschuss zu Sehhilfen für volljährige Versicherte einen neuen Versicherungsfall darstelle. Die Satzungsermächtigung erlaube jedoch keine schrankenlose Bereichsausweitung. Daraufhin klagte die Betriebskrankenkasse vor dem Hessischen Landessozialgericht mit der Begründung, sie sei in ihrer Selbstverwaltungsautonomie verletzt. Bei Satzungsregelungen stünde ihr ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ferner verwies sie darauf, dass die Landesaufsichten in anderen Bundesländern identische Satzungsregelungen genehmigt hätten. Dies führe zu einer unzulässigen Wettbewerbsverzerrung.

Zuschuss verstößt gegen krankversicherungsrechtliches Leistungsrecht

Das Hessische Landessozialgericht gab dem Bundesversicherungsamt Recht und wies die Klage der Betriebskrankenkasse ab. Zwar könne eine gesetzliche Krankenkasse in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen vorsehen. Die Satzung dürfe jedoch keine Bestimmungen enthalten, die den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung widersprechen. Dies sei jedoch der Fall, wenn die zusätzlichen Leistungen nicht lediglich eine Weiterentwicklung der Regelversorgung beinhalteten, sondern neue Leistungen darstellten. Im Bereich der Sehhilfen bestehe für Erwachsene keine Regelversorgung, sondern vielmehr ein grundsätzlicher Leistungsausschluss. Einen Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen hätten lediglich Versicherte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sowie volljährige Versicherte mit einer schweren Sehbeeinträchtigung. Daher sei die Satzungsänderung nicht genehmigungsfähig.

Kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht

Im Hinblick auf die Genehmigungspraxis anderer Bundesländer verwiesen das Gericht darauf, dass es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gebe. Die entsprechenden Aufsichtsbehörden würden zudem regelmäßig im Anschluss an höchstrichterliche Rechtsprechung ihre Genehmigungspraxis überprüfen.

Hinweise zur Rechtslage

§ 11 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) - Leistungsarten

(6) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen [...] bei der Versorgung mit [...] Hilfsmitteln [...] vorsehen. [...]

§ 33 SGB V - Hilfsmittel

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen [...]. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie auf Grund ihrer Sehschwäche oder Blindheit [...] auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen [...]. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfasst nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen.

[...]

§ 194 SGB V – Satzung der Krankenkassen

(2) Die Satzung darf keine Bestimmungen enthalten, die den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung widersprechen. Sie darf Leistungen nur vorsehen, soweit dieses Buch sie zulässt.

§ 195 SGB V – Genehmigung der Satzung

(1) Die Satzung bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

(2) Ergibt sich nachträglich, dass eine Satzung nicht hätte genehmigt werden dürfen, kann die Aufsichtsbehörde anordnen, dass die Krankenkasse innerhalb einer bestimmten Frist die erforderliche Änderung vornimmt.

§ 29 Sozialgerichtsgesetz (SGG)

(2) Die Landessozialgerichte entscheiden im ersten Rechtszug über

[...]

2. Aufsichtsangelegenheiten gegenüber Trägern der Sozialversicherung [...].

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.05.2014
Quelle: Hessisches Landessozialgericht/ra-online

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