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Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 16.11.2016
2 K 110/15 -

Allgemeine Aufzeichnungspflichten auch für gewerbliche Prostitution

Finanzamt kann Schätzungsbescheide erlassen

Bei der Ermittlung des gewerblichen Gewinns aus Eigenprostitution durch Einnahme-Überschussrechnung kann nicht auf die Aufzeichnung der einzelnen Geschäftsvorfälle verzichtet werden. Dies hat das Finanzgericht Hamburg entschieden.

Im vorliegenden Streitfall übt die Klägerin ihre Tätigkeit als Prostituierte in einem sog. Laufhaus aus. Nachdem die Steuerfahndung die Klägerin, die bis dahin keine Steuererklärungen abgegeben hatte, dort angetroffen hatte, erließ das Finanzamt gegenüber der Klägerin Schätzungsbescheide zur Einkommen-, Umsatzsteuer und zum Gewerbemessbetrag.

Nur geringfügige Schätzungsreduzierung nach Einreichung von Unterlagen

Die Klägerin erhob Einspruch und reichte nun Einnahmeüberschussrechnungen und Steuererklärungen mit deutlich geringeren Umsätzen und Gewinnen ein. Als das Finanzamt gleichwohl an seiner Schätzungsbefugnis festhielt und seine Schätzungen lediglich in geringem Umfang reduzierte, wandte sich die Klägerin an das Finanzgericht.

Aufzeichnungs- und Erklärungspflicht auch für gewerbliche Prostitution

Die Klage hatte keinen Erfolg. Die für Gewerbebetriebe geltenden Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten erstrecken sich auch auf die gewerbliche Prostitution. Das Argument, eine individuelle Quittierung der erbrachten Leistungen und deren Entlohnung seien wegen der branchenspezifischen Besonderheiten dieses speziellen Gewerbes nicht praktikabel, ließ das Gericht nicht gelten.

Einzelaufzeichnungspflichtbefreiung: Bargeschäfte im Einzelhandel nicht auf gewerbliche Prostitution übertragbar

Die Befreiung von der Einzelaufzeichnungspflicht, wie sie bei Bargeschäften im Einzelhandel anerkannt wird, sei nicht auf die gewerbliche Prostitution zu übertragen. Anders als im Einzelhandel sei bei der Prostitution der Kreis der Kunden begrenzt und individuell bestimmt. Ob im Rahmen der Aufzeichnungen auch die Identität der Kunden festgehalten werden müsse, konnte das Gericht deswegen offen lassen, weil er schon die Mindestanforderungen an die Aufzeichnung der einzelnen Leistungen und Bareinnahmen durch die Klägerin als nicht erfüllt angesehen hat. Das Finanzgericht macht in seinem Urteil grundsätzliche Anmerkungen zur Schätzung und erkennt, dass die vom Finanzamt zugrunde gelegten Daten - Anzahl der Arbeitstage (20), der anzunehmenden Anzahl der Freier pro Tag (5), der Einnahmen pro Freier (130 € in den Streitjahren 2007 und 2008 bzw. 160 € in den Folgejahren) und der Betriebsausgaben im Rahmen einer Zimmermiete in einem Laufhaus (120 € bzw. 140 € pro Tag) - eher moderat und daher nicht zu beanstanden sind.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 11.04.2017
Quelle: Finanzgericht Hamburg/ ra-online

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