kostenlose-urteile.de ist ein Service der ra-online GmbH
Dies ist die mobile Version von kostenlose-urteile.de - speziell optimiert für Smartphones.
Klicken Sie hier, wenn Sie lieber die klassische Version für Desktop-PCs und Tablets nutzen wollen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) schützt die Religionsfreiheit im Beruf, wiegt aber die Ausübung der Religionsfreiheit mit schützenswerten Rechten anderer ab.
In vier Einzelfällen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg entschieden, wann das sichtbare Tragen religiöser Zeichen während der Berufsausübung gestattet ist. Er stellte klar, dass die Religionsfreiheit im Beruf nicht so weit reicht, dass Homosexuelle diskriminiert werden dürften. Im Einzelnen entschied der EGMR:
1. Bodenangestellte von Fluggesellschaften dürfen während ihrer Arbeit sichtbar ein Kreuz tragen.
2. Krankenschwestern in der Alterspflege dürfen keine Kette mit einem Kreuz tragen, an dem Patienten hängen bleiben können.
3. Standesbeamte dürfen sich nicht aus religiöser Überzeugung weigern, gleichgeschlechtliche Partnerschaften im Rahmen von Verpartnerungen einzutragen.
4. Die Entlassung von Paartherapeuten, die sich aus religiösen Gründen weigern, homosexuelle Paare zu betreuen, ist rechtmäßig.
Allen vier Fällen lagen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zugrunde, wonach Religionsfreiheit im Beruf unter britischem Recht nicht ausreichend geschützt wäre. Weil ihr Recht auf freie Religionsausübung während der Arbeit unter britischem Recht nicht ausreichend geschützt sei, machten die Beschwerdeführer vor dem EGMR Schadenersatz gegen das Vereinigte Königreich geltend.
Seit 1999 trug Nadia Eweida als Teilzeit-Bodenangestellte der Fluggesellschaft British Airways aus religiösen Gründen ein Kreuz unter ihrer Uniform. Obwohl der Uniform-Kodex allen Angestellten das offene Tragen von Schmuck oder religiösen Zeichen untersagte, war praktizierenden Sikhs und Moslems das Tragen von Kopfbedeckungen während der Arbeitszeit gestattet. Ab Mai 2006 begann die Beschwerdeführerin Nadia Eweida, ihr Kreuz offen zu tragen. Daraufhin wurde Frau Eweida ab September 2006 unbezahlt beurlaubt. Frau Eweida weigerte sich, eine Stelle im nicht-uniformierten Verwaltungsbereich anzunehmen, wo sie das Kreuz hätte offen tragen dürfen und kehrte erst im Februar 2007 zur Arbeit zurück, nachdem ihr Arbeitgeber eine allgemeine Erlaubnis erteilt hatte, Kreuz und Davidstern als religiöse Symbole offen zu tragen.
Hier befand der EuGHMR, dass der Beschwerdeführerin Eweida zu Unrecht untersagt worden war, während der Arbeitszeit offen eine Halskette mit einem Kreuz zu tragen.
Im Fall der seit 1989 in einer geriartrischen Pflegestation tätigen Krankenschwester Shirley Chaplin wurde das Tragen einer Halskette mit Kreuz untersagt, als es wegen des Umstellens auf neue Dienstkleidung mit V-Ausschnitten sichtbar wurde.
Zwar sah der EGMR auch hier das Recht auf freie Religionsausübung dadurch betroffen, dass die Beschwerdeführerin Shirley Chaplin ihr Kreuz nicht weiterhin offen tragen durfte. Allerdings sei diese Untersagung dadurch gerechtfertigt, dass der Arbeitgeber zu Recht darüber besorgt sei, dass Patienten durch die Kette der Pflegeschwester Chaplin verletzt werden könnten. Das Recht auf freie Religionsausübung müsse mit dem Rechten anderer abgewogen werden. Insofern wiege das Recht der Patienten auf Gesundheitsschutz und das Recht auf Sicherheit im Krankenheit schwerer als das Recht der Pflegeschwester Chaplin darauf, als Ausfluss ihrer Religionsfreiheit während ihrer Berufsausübung offen ein Kreuz an einer Halskette zu tragen.
Arbeitgeber können Beschäftigte entlassen, die homosexuelle Paare unter Berufung auf ihre christliche Überzeugung diskriminieren. Die Religionsausübungsfreiheit ist insoweit wirksam durch die Rechte anderer beschränkt.
Im Fall der von 1992 bis 2009 als Standesbeamtin in London tätigen Lillian Ladele waren Disziplinarmaßnahmen und Entlassung rechtmäßig, weil sich die Beschwerdeführerin seit dem Inkrafttreten des Partnerschaftsgesetztes unter Berufung auf ihre religiöse Überzeugung weigerte, gleichgeschlechtliche Paare zu verpartnern, obwohl es das Gesetz so vorsah.
Auch im Fall des Sexualtherapeuten Gary McFarlane wog das Recht auf Gleichbehandlung von schwulen und lesbischen Paaren gegenüber heterosexuellen Paaren stärker als das Recht auf Religionsfreiheit des Beschwerdeführers McFarlane. Dieser wollte im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses nur heterosexuelle Paare therapieren und weigerte sich aus religiösen Gründen, homosexuelle Paare zu betreuen. Eine daraufhin erfolgte suspendierung und eine spätere Entlassung waren nach Überzeugung des EuGHMR rechtmäßig.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 15.01.2013
Quelle: ra-online, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (pm/pb)
Urteile sind im Original meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst kostenlose-urteile.de alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/EuropGMR_4842010-5984210-5167110-und-3651610_EGMR-Airline-Bodenangestellte-darf-Kreuz-tragen-Krankenschwester-darf-kein-Kreuz-tragen-Standesbeamter-darf-Homo-Ehe-nicht-verweigern~N15032
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.
Dokument-Nr. 15032
kostenlose-urteile.de ist ein Service der ra-online GmbH
Die Redaktion von kostenlose-urteile.de gibt sich größte Mühe bei der Zusammenstellung interessanter Urteile und Meldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann kostenlose-urteile nicht die fachkundige Rechtsberatung in einem konkreten Fall ersetzen.
Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.