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Einem biologischen Vater, der nie mit seinen Kindern zusammen gelebt hat, darf dennoch nicht der Umgang mit seinem Nachwuchs versagt werden. Wird dem Mann der Umgang dennoch verweigert, stellt dies eine Verletzung von Artikel 8 – dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens – der Europäischen Menschenrechtskonvention dar. Dies entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.
Der Beschwerdeführer, Frank Eze Anayo, ist nigerianischer Staatsbürger und 1967 geboren. Er reiste 2003 nach Deutschland ein und lebte in Achern, bevor er 2008 nach Spanien zog. Sein Antrag auf Asyl in Deutschland wurde im Februar 2006 rechtskräftig abgelehnt. Etwa zwei Jahre lang hatte er eine Beziehung mit Frau B., die mit ihrem Ehemann drei
Im September 2006 räumte das Amtsgericht-Familiengericht Baden-Baden Herrn Anayo betreuten Umgang mit den Zwillingen einmal monatlich für eine Stunde ein. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass er nach § 1685 Abs. 2 BGB als enge Bezugsperson Recht auf Umgang mit den Kindern habe. Es stützte sich auf ein psychologisches Sachverständigengutachten und befand, dass der Kontakt zwischen Herrn Anayo und den Zwillingen im Kindeswohlinteresse liege, da es wichtig für sie sei, ihre Herkunft zu kennen. Weiter befand das Gericht, dass diese Umgangsregelung für die anderen
Im Dezember 2006 gab das Oberlandesgericht Karlsruhe der Beschwerde des Ehepaars B. statt, hob den Beschluss des Amtsgerichts auf und wies den Antrag Herrn Anayos auf Umgang mit den Zwillingen ab. Es befand, dass er kein umgangsberechtigter Elternteil im Sinne von § 1684 BGB sei, da sich diese Regelung auf die
Herr Anayo sah durch die Weigerung der deutschen Gerichte, ihm Umgang mit seinen Kindern zu gewähren, seine Rechte aus Artikel 8 verletzt.
Der Gerichtshof befand, dass die Entscheidungen der deutschen Gerichte, Herrn Anayo den Umgang mit seinen Kindern zu verwehren, einen Eingriff in seine Rechte aus Artikel 8 darstellten. Da er mit den Zwillingen nie zusammengelebt und sie nie kennengelernt hatte, war seine Beziehung zu ihnen zwar nicht beständig genug um als bestehendes „Familienleben“ zu gelten. Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung allerdings festgestellt, dass der Wunsch, eine familiäre Beziehung aufzubauen, in den Geltungsbereich von Artikel 8 fallen kann, sofern die Tatsache, dass noch kein Familienleben besteht, nicht dem Beschwerdeführer zuzuschreiben ist. Dies war bei Herrn Anayo der Fall, der nur deswegen keinen Kontakt zu den Zwillingen hatte, weil deren
Herr Anayo hatte ein ernsthaftes Interesse an den Kindern gezeigt, indem er, sowohl vor als auch nach deren Geburt, den Wunsch nach Kontakt mit ihnen geäußert und zügig ein Umgangsverfahren eingeleitet hatte. Auch wenn er mit Frau B. nie zusammengelebt hatte, waren die
Der Eingriff in Herrn Anayos Privatleben war nach deutschem Recht gesetzlich vorgesehen. In Anwendung der maßgeblichen Bestimmungen des BGB hatte das Oberlandesgericht argumentiert, dass er nicht zum Kreise der zum Umgang mit den Kindern berechtigten Personen gehörte. Das deutsche Recht sah nach Auslegung des Oberlandesgerichts in Herrn Anayos Fall folglich keine Untersuchung der Frage vor, ob Kontakte zwischen dem biologischen
Der Gerichtshof nahm zur Kenntnis, dass es in den Europaratsmitgliedstaaten keine einheitliche rechtliche Herangehensweise an die Frage gibt, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen ein biologischer
Der Gerichtshof war sich dessen bewusst, dass die Entscheidung der deutschen Gerichte, Herrn Anayo Kontakt mit seinen Kindern zu verwehren, darauf abzielte, dem Willen des Gesetzgebers zu entsprechen, bestehenden Familienbindungen Vorrang gegenüber der Beziehung eines biologischen Vaters zu seinem Kind einzuräumen. Der Gerichtshof erkannte an, dass diese bestehenden Bindungen gleichermaßen schutzbedürftig waren. Folglich wäre eine gerechte Abwägung zwischen den konkurrierenden Rechten nach Artikel 8 notwendig gewesen, nicht nur denjenigen zweier Elternteile und eines Kindes, sondern denjenigen mehrerer betroffener Einzelpersonen – der
Der Gerichtshof war nicht davon überzeugt, dass die deutschen Gerichte letztinstanzlich eine gerechte Abwägung der konkurrierenden Interessen vorgenommen hatten. Insbesondere hatten sie es unterlassen, die Frage auch nur zu prüfen, ob der Kontakt zwischen den Zwillingen und Herrn Anayo unter den besonderen Umständen des Falls im Interesse der
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.12.2010
Quelle: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte/ra-online
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