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Die Katholische Kirche darf einen von seiner Frau getrennt und mit einer neuen Partnerin zusammen lebenden Angestellten nicht ohne weiteres wegen des Vorwurfs des Ehebruchs und der Bigamie kündigen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Bei Kündigungen von Kirchenangestellten wegen Ehebruchs müssen Gerichte zwischen Rechten beider Parteien genau abwägen und die Art der Tätigkeit berücksichtigen, da ansonsten ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Schutz des Privatlebens vorliegt.
Im zugrunde liegenden Streitfall ging es um die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch einen kirchlichen Arbeitgeber wegen eines außerehelichen Verhältnisses des Arbeitnehmers.
Bernhard Schüth ist deutscher Staatsbürger, 1957 geboren, und lebt in Essen. Er war seit Mitte der 1980er Jahre bei der katholischen Pfarrgemeinde St. Lambertus in Essen als Organist und Chorleiter angestellt, als er sich 1994 von seiner Frau trennte. Von 1995 an lebte er mit seiner neuen Partnerin zusammen. Nachdem seine Kinder im Kindergarten davon gesprochen hatten, dass Bernhard Schüth wieder Vater werden würde, führte der Dekan der Gemeinde im Juli 1997 zunächst ein Gespräch mit ihm. Wenige Tage später sprach die Gemeinde seine Kündigung mit Wirkung ab April 1998 aus, da er gegen die Grundordnung der Katholischen
Bernhard Schüth klagte vor dem Arbeitsgericht Essen gegen seine Kündigung, die das Gericht mit Urteil vom Dezember 1997 für ungültig erklärte. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf bestätigte das Urteil zunächst, aber das Bundesarbeitsgericht hob das Urteil auf und verwies den Fall zurück. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts hätte das Landesarbeitsgericht den Dekan der Gemeinde anhören müssen, um festzustellen, ob dieser in einem persönlichen Gespräch versucht hatte, Bernhard Schüth zur Beendigung seines außerehelichen Verhältnisses zu bewegen. Wie im Fall Obst bezog sich das Gericht auf das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts und unterstrich, dass die von der Katholischen
Nach der Zurückverweisung wies das Landesarbeitsgericht die Klage Bernhard Schüths im Februar 2000 ab. Es befand, dass der Dekan angesichts der Entschlossenheit Bernhard Schüths, seine neue Beziehung aufrechtzuerhalten, berechtigterweise habe annehmen können, dass eine Abmahnung überflüssig sei. Nach Auffassung des Gerichts habe die Gemeinde Bernhard Schüth nicht ohne den Verlust jeglicher Glaubwürdigkeit weiter beschäftigen können, da seine Tätigkeit in enger Verbindung mit der kirchlichen Mission gestanden habe.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht blieb erfolglos. Im Juli 2002 entschied das Bundesverfassungsgericht unter Berufung auf sein Grundsatzurteil vom 4. Juni 1985, die Verfassungsbeschwerde Bernhard Schüths nicht zur Entscheidung anzunehmen.
Unter Berufung auf Artikel 8 beklagte sich der Beschwerdeführer über die Weigerung der deutschen Arbeitsgerichte, ihre Kündigung aufzuheben.
Die Beschwerde wurde am 11.Januar 2003 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt. Die Katholische
Der Gerichtshof hatte darüber zu befinden, ob die von den deutschen Arbeitsgerichten vorgenommene Abwägung zwischen dem Recht des Beschwerdeführers auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens nach Artikel 8 einerseits und den Konventionsrechten der Katholischen
Mit seinen Arbeitsgerichten und einem für die Überprüfung von deren Entscheidungen zuständigen Verfassungsgericht erfüllte Deutschland im Grundsatz die positive Verpflichtung des Staates gegenüber Klägern in arbeitsrechtlichen Streitfällen. Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer vor einem Arbeitsgericht geklagt, das dazu befugt war, über die Wirksamkeit seiner Kündigung nach staatlichem Arbeitsrecht unter Berücksichtigung des kirchlichen Arbeitsrechtes zu entscheiden. Das Bundesarbeitsgericht ist zu der Auffassung gelangt, dass die von der Katholischen
Der Gerichtshof merkte an, dass sich das Landesarbeitsgericht darauf beschränkt hatte festzustellen, dass er als Organist und Chorleiter zwar nicht in die Gruppe derjenigen Mitarbeiter fiel, deren Kündigung im Falle schweren Fehlverhaltens zwangsläufig war, etwa derjenigen in seelsorgerischen und klerikalen Berufen sowie in leitenden Positionen, aber dass seine Tätigkeit dennoch so eng mit der Mission der Katholischen
Zwar erkannte der Gerichtshof an, dass Bernhard Schüth, indem er seinen Arbeitsvertrag unterzeichnet hatte, gegenüber der Katholischen
Die Tatsache, dass ein von einem kirchlichen Arbeitgeber gekündigter Mitarbeiter nur begrenzte Möglichkeiten hatte, eine neue Stelle zu finden, war nach Auffassung des Gerichtshofs von besonderer Bedeutung. Dies galt besonders, wenn der gekündigte Arbeitnehmer eine spezifische Qualifikation hatte, die es ihm schwierig oder gar unmöglich machte, eine neue Arbeit außerhalb der
Der Gerichtshof befand, dass die Abwägung der deutschen Arbeitsgerichte zwischen den Rechten Bernhard Schüths und denen des kirchlichen Arbeitgebers nicht in Übereinstimmung mit der Konvention vorgenommen worden war.
Der Gerichtshof zu dem Schluss, im Fall Schüth eine Verletzung von Artikel 8 vorlag.
Der Gerichtshof befand, dass die Frage der Anwendung von Artikel 41 (gerechte Entschädigung) im Fall Schüth noch nicht reif für eine Entscheidung war und zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden würde. Die Parteien haben Gelegenheit, binnen drei Monaten nach Verkündung des Urteils zu einer diesbezüglichen Einigung zu gelangen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 11.10.2012
Quelle: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte/ra-online
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Dokument-Nr. 14340
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