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Der Strombezugsvertrag zwischen der Gesellschaft Budapesti Erõmû und dem ungarischen öffentlichen Unternehmen MVM umfasst eine rechtswidrige staatliche Beihilfe umfasst. Obwohl dieser Vertrag vor dem Beitritt Ungarns zur Union geschlossen wurde, ist er vom Zeitpunkt des Beitritts an am Maßstab des Beihilferechts der Union zu prüfen. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.
Mitte der 1990er Jahre verfolgte Ungarn das Ziel einer Modernisierung der Stromerzeugungsinfrastruktur, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Da eine solche Modernisierung erheblichen Kapitaleinsatz erforderte, war der ungarische Staat bestrebt, ausländische Stromerzeuger zu Investitionen in Ungarn zu bewegen. Zu diesem Zweck errichtete Ungarn ein System langfristiger Strombezugsverträge, in dessen Rahmen sich das staatseigene öffentliche Unternehmen Magyar Villamos Mûvek Zrt (MVM) verpflichtete, als „Alleinabnehmer“ während mehrerer Jahre oder gar Jahrzehnte eine bestimmte Strommenge zu einem Festpreis abzunehmen, um den ungarischen Endverbrauchermarkt zu versorgen. Durch diese langfristigen Strombezugsverträge konnte den Erzeugern garantiert werden, dass ihre Investitionen voraussichtlich rentabel sein würden.
Die Budapesti Erõmû Zrt, eine ungarische Tochtergesellschaft der Électricité de France Internationale SA, wurde vom ungarischen Staat im Jahr 1996 privatisiert. Sie betreibt vier Kraftwerke, die die Fernwärmeversorgung der Region Budapest sicherstellen und auch Strom erzeugen. Drei dieser Kraftwerke* profitieren von einem langfristigen Strombezugsvertrag mit MVM, deren letzter im Jahr 2024 ablaufen wird.
Im November 2005 leitete die Kommission ein Verfahren zur Prüfung der Vereinbarkeit der Strombezugsverträge mit dem Beihilferecht der Union ein. Infolgedessen erhob die Budapesti Erõmû Zrt beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission, mit der diese beschlossen hatte, ein Untersuchungsverfahren zu eröffnen (Rechtssache T-80/06).
Am 4. Juni 2008 befand die Kommission, dass die Strombezugsverträge mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen umfassten, die von den begünstigten Gesellschaften an den ungarischen Staat zurückzuzahlen seien. Nach Ansicht der Kommission schützten die Strombezugsverträge die betroffenen Erzeuger nämlich vor jedem Geschäftsrisiko und versetzten sie damit in eine günstigere Lage als die übrigen Erzeuger auf dem Markt. Die Budapesti Erõmû Zrt focht auch diese Entscheidung beim Gericht an (Rechtssache T-182/09).
In seinem Urteil prüft der Gerichtshof der Europäischen Union zunächst, ob der Abschluss der Strombezugsverträge vor dem Beitritt Ungarns zur Union bedeutet, dass sie keine unionsrechtswidrigen staatlichen Beihilfen umfassen können. In diesem Zusammenhang stellt das Gericht fest, dass die von Ungarn vor dem 1. Mai 2004 erlassenen staatlichen Beihilfemaßnahmen, die nach diesem Datum weiter anwendbar und mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind, in der Beitrittsakte dieses Landes aufgeführt sind. Da die Strombezugsverträge nicht zu diesen Maßnahmen zählen, sind sie als neue Beihilfe anzusehen, deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht von der Kommission ab dem Beitritt Ungarns zur Union geprüft werden kann. Außerdem weist das Gericht darauf hin, dass die Beitrittsakte Ungarns gerade vorsieht, dass eine Maßnahme, die bei ihrer Einführung nicht als staatliche Beihilfe galt, mit dem Beitritt dieses Landes zur Union zu einer solchen werden kann.
Das Gericht beschäftigt sich sodann mit der Frage, ob die betroffenen Kraftwerke für sie ebenso günstige Vertragsbedingungen hätten aushandeln können, wenn die andere Vertragspartei ein auf rein kommerzieller Grundlage handelnder Abnehmer und kein öffentliches Unternehmen gewesen wäre. Es stellt insoweit fest, dass es nicht den Bedingungen des europäischen Großkundenmarkts in diesem Sektor entspricht, dass Stromerzeugern die Abnahme ihres Erzeugnisses in einer Menge und zu einem Preis zugesichert wird, die für Zeiträume der in den Strombezugsverträgen vereinbarten Dauer vorab festgesetzt sind. Auf diesem Markt hängen nämlich die Strommenge, die die Erzeuger verkaufen können, und der Verkaufspreis, den sie dafür erwarten können, von der Höhe der Nachfrage ab, die ständigen Schwankungen unterliegt.
Daher setzte sich MVM mit der Abnahmezusage über Strommengen, die losgelöst von der zu verschiedenen Zeiten bestehenden tatsächlichen Stromnachfrage im Vorhinein festgelegt wurden, dem ernsthaften Risiko aus, übermäßige Strommengen abnehmen und mit Verlust weiterverkaufen zu müssen. Ein privater Wirtschaftsteilnehmer wäre in vergleichbarer Marktsituation ein solches Risiko aber nicht eingegangen. Das Gericht bestätigt unter diesen Umständen die Schlussfolgerung der Kommission, dass die Stromerzeuger durch die Strombezugsverträge in den Genuss wirtschaftlicher Vorteile kamen, die sie nicht hätten erlangen können, wenn MVM nach den Regeln eines wettbewerbsorientierten Marktes gehandelt hätte.
Abschließend weist das Gericht darauf hin, dass die Berechnung des genauen Betrags der zurückzuzahlenden Beihilfe auf einer Simulation der Bedingungen beruhen muss, zu denen MVM vom 1. Mai 2004 bis zum Ablaufdatum der Strombezugsverträge Strom bezogen hätte, wenn sie nicht durch die Vorgaben dieser Verträge gebunden gewesen wäre. Dazu stellt es fest, dass die Kommission zu Recht eine auf dem Spotmarkt** für Strom beruhende Simulationsmethode gewählt hat, da jede andere zur Verfügung stehende Methode weniger objektive Hypothesen mit sich gebracht und zu minder zuverlässigen Ergebnissen geführt hätte. Das Gericht weist daher die Klagen der Budapesti Erõmû Zrt in vollem Umfang ab.
Auf den Spotmärkten geht es im Allgemeinen um auf den nächsten Tag bezogene Geschäfte, die am Tag vor der tatsächlichen Lieferung geschlossen werden; im Gegensatz dazu stehen die Terminmärkte, auf denen Strom mit späteren Lieferdaten verkauft wird.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 13.02.2012
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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