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Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass bestimmte Formen schwerer Eingriffe in die Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit eine Verfolgung wegen der Religion darstellen können. Ist diese Verfolgung hinreichend schwerwiegend, muss die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden.
Nach der Richtlinie über die Flüchtlingseigenschaft* müssen die Mitgliedstaaten Angehörigen von Staaten, die nicht Mitglieder der Union sind, grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen, wenn diese befürchten, wegen ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in ihrem Herkunftsland verfolgt zu werden. Eine Handlung gilt als Verfolgung, wenn sie aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend ist, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt.
Die muslimische
Y und Z, die aus Pakistan stammen, leben derzeit in Deutschland, wo sie Asyl und Schutz als Flüchtlinge beantragten. Sie gehören der
Die deutschen Behörden lehnten die Asylanträge von Y und Z ab, da die Beschränkungen der öffentlichen Betätigung des Glaubens für Ahmadis in Pakistan ihrer Auffassung nach keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstellen.
Das mit den Rechtsstreitigkeiten befasste Bundesverwaltungsgericht ersucht den Gerichtshof um Klarstellung, welche Beschränkungen der Glaubensbetätigung eine Verfolgung darstellen, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigt.
Der Gerichtshof stellte zunächst fest, dass nur bestimmte Formen schwerer Eingriffe in das Recht auf Religionsfreiheit und nicht jeder Eingriff in dieses Recht eine Verfolgungshandlung ist, die die zuständigen Behörden verpflichten würde, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. So können zum einen gesetzlich vorgesehene Einschränkungen der Ausübung dieses Rechts nicht als Verfolgung angesehen werden, solange sie dessen Wesensgehalt beachten. Zum anderen stellt selbst eine Verletzung dieses Rechts nur dann eine Verfolgung dar, wenn sie hinreichend schwerwiegend ist und den Betroffenen erheblich beeinträchtigt.
Sodann führt der Gerichtshof aus, dass zu den Handlungen, die eine schwerwiegende Verletzung darstellen können, nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit des Betroffenen gehören, seinen Glauben im privaten Kreis zu praktizieren, sondern auch solche in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben. Ob eine Verletzung des Rechts auf
In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof fest, dass es sich bei einer Verletzung des Rechts auf Religionsfreiheit um eine Verfolgung handeln kann, wenn der
Der Gerichtshof stellt außerdem fest, dass bei der Prüfung, ob tatsächlich die Gefahr besteht, dass diese Nachteile eintreten, die zuständige Behörde eine Reihe objektiver wie auch subjektiver Gesichtspunkte zu berücksichtigen haben wird. Hierzu führt er aus, dass der subjektive Umstand, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten religiösen Praxis in der Öffentlichkeit, die Gegenstand der beanstandeten Einschränkungen ist, zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist, ein relevanter Gesichtspunkt ist bei der Beurteilung der Größe der Gefahr, der der Antragsteller in seinem Herkunftsland wegen seiner Religion ausgesetzt wäre. Das gilt selbst dann, wenn die Befolgung einer solchen religiösen Praxis keinen zentralen Bestandteil für die betreffende Glaubensgemeinschaft darstellt.
Der Schutz gegen die Verfolgung wegen der Religion umfasst nämlich sowohl Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die die Person für sich selbst als unverzichtbar empfindet, d. h. diejenigen Verhaltensweisen, „die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen“, als auch solche Verhaltensweisen, die von der Glaubenslehre angeordnet werden, d. h. diejenigen, die „nach dieser [Überzeugung] vorgeschrieben sind“.
Schließlich hebt der Gerichtshof hervor, dass dem Betroffenen, sobald feststeht, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden müsste. Hierzu führt er aus, dass bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling die nationalen Behörden dem Antragsteller nicht zumuten können, auf bestimmte Glaubensbekundungen oder -betätigungen zu verzichten, um eine Gefahr der Verfolgung zu vermeiden.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 06.09.2012
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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