Gemäß einer Unionsrichtlinie* sind personenbezogene Daten alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person. Herr Peter Nowak war Trainee Accountant (Wirtschaftsprüfer/Steuerberater in Ausbildung) und hatte die Prüfungen des Institute of Chartered Accountants of Ireland (irische Berufsorganisation der Wirtschaftsprüfer/Steuerberater) der Stufe 1 im Fach Rechnungswesen sowie drei Prüfungen der Stufe 2 mit Erfolg abgelegt. Er fiel jedoch durch die Prüfung "Strategic Finance und Management Accounting" durch. Nach seinem Scheitern in dieser Prüfung im Herbst 2009 reichte Herr Nowak zunächst eine Beschwerde ein, um ihr Ergebnis anzufechten. Nachdem diese Beschwerde zurückgewiesen worden war, stellte er einen Antrag auf Auskunft, der sich auf sämtliche ihn betreffenden und im Besitz der Berufsorganisation der Wirtschaftsprüfer/Steuerberater befindlichen personenbezogenen Daten bezog. Im Jahr 2010 übermittelte die Berufsorganisation der Wirtschaftsprüfer/Steuerberater Herrn Nowak 17 Dokumente, weigerte sich jedoch, ihm seine Prüfungsarbeit herauszugeben, und zwar mit der Begründung, dass diese keine personenbezogenen Daten enthalte.
Vor dem Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) geht Herr Nowak gegen die Entscheidung des irischen Datenschutzbeauftragten vor, der zufolge es sich bei Prüfungsarbeiten im Allgemeinen nicht um personenbezogene Daten handelt. Der Supreme Court möchte vom Gerichtshof der Europäischen Union wissen, ob die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu personenbezogene Daten darstellen.
In seinem Urteil hebt der Gerichtshof als Erstes hervor, dass ein Prüfling in einer berufsbezogenen Prüfung eine natürliche Person ist, die entweder direkt über ihren Namen oder indirekt über eine Kennnummer, die auf der Prüfungsarbeit oder einem Deckblatt der Prüfungsarbeit angebracht sind, identifiziert werden kann. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob der Prüfer den Prüfling im Zeitpunkt der Korrektur und der Bewertung der Prüfungsarbeit identifizieren kann oder nicht.
Als Zweites prüft der Gerichtshof, ob die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu Informationen über den Prüfling darstellen. Er stellt insoweit klar, dass in der Verwendung des Ausdrucks "alle Informationen" im Zusammenhang mit der Bestimmung des Begriffs "personenbezogene Daten" in der Richtlinie das Ziel des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck kommt, diesem Begriff eine weite Bedeutung beizumessen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen "über" die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist. Die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung stellen solche Informationen dar, die mit seiner Person verknüpft sind.
Der Inhalt dieser Antworten spiegelt nämlich den Kenntnisstand und das Kompetenzniveau des Prüflings in einem bestimmten Bereich sowie gegebenenfalls seine Gedankengänge, sein Urteilsvermögen und sein kritisches Denken wider. Des Weiteren zielt die Sammlung dieser Antworten darauf ab, die beruflichen Fähigkeiten des Prüflings und seine Eignung zur Ausübung des betreffenden Berufs zu beurteilen. Schließlich kann sich die Verwendung dieser Informationen, die insbesondere im Erfolg oder Scheitern des Prüflings der in Rede stehenden Prüfung zum Ausdruck kommt, insoweit auf dessen Rechte und Interessen auswirken, als sie beispielsweise seine Chancen, den gewünschten Beruf zu ergreifen oder die gewünschte Anstellung zu erhalten, bestimmen oder beeinflussen kann.
Was die Anmerkungen des Prüfers zu den Antworten des Prüflings angeht, ist festzustellen, dass diese - ebenso wie die Antworten des Prüflings in der Prüfung - Informationen über den Prüfling darstellen. So kommt im Inhalt dieser Anmerkungen die Ansicht oder Beurteilung des Prüfers in Bezug auf die individuelle Leistung des Prüflings in der Prüfung und insbesondere in Bezug auf dessen Kenntnisse und Kompetenzen in dem betreffenden Bereich zum Ausdruck.
Die Einordnung der von dem Prüfling in einer berufsbezogenen Prüfung gegebenen schriftlichen Antworten und etwaiger Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten als personenbezogene Daten kann nicht dadurch beeinflusst werden, dass eine solche Einordnung für den Prüfling -grundsätzlich - ein Recht auf Auskunft und Berichtigung eröffnet.
Eine andere Entscheidung hätte nämlich zur Folge, dass bei diesen Antworten und Anmerkungen die Grundsätze und Garantien im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten gänzlich unbeachtet blieben. Ein Prüfling hat jedoch u.a. ein auf dem Schutz seiner Privatsphäre aufbauendes berechtigtes Interesse daran, dem widersprechen zu können, dass die von ihm in der betreffenden Prüfung gegebenen Antworten und die Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten ohne seine Zustimmung außerhalb des Prüfungsverfahrens verarbeitet und insbesondere an Dritte weitergegeben oder sogar veröffentlicht werden. Ebenso hat die Einrichtung, die die Prüfung organisiert, als für die Datenverarbeitung Verantwortliche sicherzustellen, dass diese Antworten und Anmerkungen so gelagert werden, dass ein unrechtmäßiger Zugang Dritter zu diesen Daten vermieden wird.
Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass die in der Richtlinie vorgesehenen Rechte auf Auskunft und Berichtigung auch in Bezug auf die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu gerechtfertigt sein können. Das Recht auf Berichtigung kann es einem Prüfling zwar offenkundig nicht ermöglichen, "falsche" Antworten im Nachhinein zu "berichtigen", weil diese in keiner Weise eine Unrichtigkeit im Sinne der Richtlinie darstellen, die ein Recht auf Berichtigung im Sinne der Richtlinie begründen würde. Dagegen kann es Situationen geben, in denen sich diese Antworten und diese Anmerkungen als nichtzutreffend erweisen, etwa deshalb, weil Prüfungsarbeiten irrtümlich vertauscht wurden, so dass dem betreffenden Prüfling die Antworten eines anderen Prüflings zugeordnet wurden. Im Übrigen lässt sich nicht ausschließen, dass ein Prüfling das Recht hat, von dem für die Verarbeitung der Daten Verantwortlichen zu verlangen, dass seine Prüfungsantworten und die Anmerkungen des Prüfers dazu nach einem bestimmten Zeitraum gelöscht werden, d.h., dass die Arbeit zerstört wird.
Soweit die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu somit - insbesondere im Hinblick auf ihre Richtigkeit und die Notwendigkeit ihrer Aufbewahrung - einer Überprüfung zugänglich sind und berichtigt oder gelöscht werden können, geht der Gerichtshof demzufolge davon aus, dass der Umstand, dass einem Prüfling ein Recht auf Auskunft hinsichtlich dieser Antworten und dieser Anmerkungen eingeräumt wird, dem Ziel der Richtlinie dient, den Schutz des Rechts auf Privatsphäre betreffenden Prüflings in Bezug auf die Bearbeitung der ihn betreffenden Daten zu garantieren, und zwar unabhängig davon, ob diesem Prüfling auch nach den auf das Prüfungsverfahren anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften ein solches Auskunftsrecht zusteht. Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Schutz des Grundrechts auf Achtung der Privatsphäre insbesondere voraussetzt, dass sich jede natürliche Person vergewissern kann, dass sie betreffende personenbezogene Daten richtig sind und in zulässiger Weise verarbeitet werden.
Der Gerichtshof stellt schließlich klar, dass sich diese Rechte auf Auskunft und Berichtigung nicht auf Prüfungsfragen erstrecken, die als solche keine personenbezogenen Daten des Prüflings darstellen. Außerdem weist der Gerichtshof darauf hin, dass das Unionsrecht bestimmte Beschränkungen dieser Rechte vorsieht. So können die Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften erlassen, die die vorgesehenen Pflichten und Rechte beschränken, sofern eine solche Beschränkung zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen notwendig ist.