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Straftaten im Bereich besonders schwerer Kriminalität, die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union angeführt sind, können die Ausweisung eines Unionsbürgers selbst dann rechtfertigen, wenn er mehr als zehn Jahre im Aufnahmemitgliedstaat gelebt hat. Eine solche Ausweisung setzt jedoch voraus, dass das Verhalten des Betroffenen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse des Aufnahmemitgliedstaats berührt. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.
Die Richtlinie über das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten*, regelt die Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts und legt seine Grenzen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit fest. Danach darf der Aufnahmemitgliedstaat gegen Unionsbürger, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen (nach Ablauf eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Jahren), eine
Herr I. ist italienischer Staatsangehöriger und lebt seit 1987 in Deutschland. Er ist ledig und kinderlos. Er hat keine Schul- oder Berufsausbildung abgeschlossen und war in Deutschland nur zeitweise erwerbstätig. Das Landgericht Köln verurteilte Herrn I. im Jahr 2006 wegen sexuellen Missbrauchs, sexueller Nötigung und Vergewaltigung eines zu Beginn der Taten acht Jahre alten Mädchens zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Die zugrunde liegenden Taten fanden in den Jahren 1990 bis 2001 statt. Herr I. befindet sich seit Januar 2006 in Haft, die voraussichtlich im Juli 2013 endet.
Mit Bescheid vom 6. Mai 2008 stellten die deutschen Behörden in Anwendung deutschen Rechts insbesondere wegen der Schwere der begangenen Taten und des Rückfallrisikos den Verlust des Rechts von Herrn I. auf Einreise und Aufenthalt fest und drohten ihm die Abschiebung nach Italien an. Herr. I. ging gegen diesen Ausweisungsbescheid gerichtlich vor.
Das mit der Berufung befasste Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ersucht den Gerichtshof um Auslegung des Begriffs der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit, mit denen die
In seinem Urteil weist der Gerichtshof zunächst auf seine frühere Entscheidung hin, wonach die Bekämpfung der mit dem bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln verbundenen Kriminalität unter den Ausdruck „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit“ fallen kann (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 23. 11.2010, Az. C-145/09).
Sodann führt der Gerichtshof aus, dass der Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit nicht nur voraussetzt, dass eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit vorliegt, sondern auch, dass die Beeinträchtigung einen besonders hohen Schweregrad aufweist; dies kommt im Gebrauch des Begriffs „zwingende Gründe“ zum Ausdruck.
Den Mitgliedstaaten steht es im Wesentlichen weiterhin frei, nach ihren nationalen Bedürfnissen – die je nach Mitgliedstaat und Zeitpunkt unterschiedlich sein können – zu bestimmen, was die öffentliche Sicherheit erfordert. Jedoch sind diese Anforderungen, insbesondere wenn sie eine Ausnahme vom grundlegenden Prinzip der Freizügigkeit rechtfertigen sollen, eng zu verstehen, so dass ihre Tragweite nicht von jedem Mitgliedstaat einseitig ohne Kontrolle durch die Organe der Europäischen Union bestimmt werden kann.
Bei der Klärung der Frage, ob
Es steht den Mitgliedstaaten frei,
Sollte das vorlegende Gericht anhand der spezifischen Werte der Rechtsordnung des Mitgliedstaats, dem es angehört, feststellen, dass
Nach dem Unionsrecht setzt nämlich jede Ausweisungsverfügung voraus, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft oder des Aufnahmemitgliedstaats berührt, wobei diese Feststellung im Allgemeinen bedeutet, dass eine Neigung des Betroffenen bestehen muss, das Verhalten in Zukunft beizubehalten. Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten, wenn eine Ausweisungsverfügung als Strafe oder Nebenstrafe zu einer Freiheitsstrafe ergeht, aber mehr als zwei Jahre nach ihrem Erlass vollstreckt wird, überprüfen müssen, ob von dem Betroffenen eine gegenwärtige und tatsächliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, und beurteilen müssen, ob seit dem Erlass der Ausweisungsverfügung eine materielle Änderung der Umstände eingetreten ist. Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass der Aufnahmemitgliedstaat, bevor er eine
Terrorismus, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegaler Drogenhandel, illegaler Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität und organisierte Kriminalität.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.05.2012
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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Dokument-Nr. 13521
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