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Durch eine nationale Regelung kann die Möglichkeit der Ansammlung von Ansprüchen auf nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub, die während eines Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit erworben wurden, zeitlich begrenzt werden. Eine derartige Frist muss aber die Dauer des Bezugszeitraums, an den sie anknüpft, deutlich überschreiten
Auf Herrn Schulte, der seit 1964 bei dem deutschen Unternehmen KHS AG beschäftigt war, fand ein Tarifvertrag Anwendung, wonach der Anspruch auf bezahlten Urlaub 30 Tage im Jahr betrug. Dieser Tarifvertrag erlaubt die Abgeltung nicht genommenen Jahresurlaubs nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und sieht vor, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der wegen
Im Jahr 2002 erlitt Herr Schulte einen Infarkt, infolge dessen er schwerbehindert ist und für arbeitsunfähig erklärt wurde. Bis August 2008, dem Zeitpunkt, zu dem sein Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen KHS endete, bezog er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Im Jahr 2009 erhob Herr Schulte Klage vor einem deutschen Gericht auf Abgeltung des nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs für die Jahre 2006, 2007 und 2008. Da er während der gesamten Bezugszeiträume krankgeschrieben war, hatte er nicht die Möglichkeit, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben.
Das Landesarbeitsgericht Hamm, bei dem die Berufung in dieser Rechtssache anhängig ist, hat festgestellt, dass der Urlaubsanspruch für das Jahr 2006 nach der deutschen Regelung und nach dem Tarifvertrag wegen des Ablaufs des Übertragungszeitraums erloschen sei. Daher fragt es sich, ob eine nationale Regelung oder nationale Gepflogenheiten, nach denen die Übertragung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub bei Arbeitsunfähigkeit zeitlich begrenzt ist, mit der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung* vereinbar sind.
In seinem Urteil weist der Gerichtshof auf seine Rechtsprechung** hin, nach der der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist, von dem nicht abgewichen werden darf und den die nationalen Stellen nur in den Grenzen umsetzen dürfen, die im Unionsrecht ausdrücklich gezogen sind. Der Gerichtshof hat bereits entschieden***, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung jedoch nicht entgegensteht, die den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums umfasst, vorausgesetzt, der Arbeitnehmer hat tatsächlich die Möglichkeit gehabt, seinen Urlaubsanspruch auszuüben.
Zudem wäre unter bestimmten Umständen – wie denen des vorliegenden Falls – ein Arbeitnehmer, der während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähig ist, berechtigt, unbegrenzt alle während des Zeitraums seiner Abwesenheit von der Arbeit erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln.
Ein Recht auf ein derartiges unbegrenztes Ansammeln von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub, die während eines solchen Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit erworben wurden, würde jedoch nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub entsprechen. Dieser Zweck umfasst zwei Aspekte, nämlich dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich von seiner Arbeit zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen. Zwar entfaltet sich die positive Wirkung des bezahlten Jahresurlaubs für die Sicherheit und die Gesundheit des Arbeitnehmers dann vollständig, wenn der Urlaub in dem hierfür vorgesehenen, also dem laufenden Jahr genommen wird, doch verliert die Ruhezeit ihre Bedeutung insoweit nicht, wenn sie zu einer späteren Zeit genommen wird. Überschreitet der Übertrag aber eine gewisse zeitliche Grenze, so fehlt dem Jahresurlaub seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer im Hinblick auf den in der Erholungszeit bestehenden Zweck; erhalten bleibt lediglich der Zweck hinsichtlich des Zeitraums für Entspannung und Freizeit.
In Anbetracht des Zwecks des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub kann ein während mehrerer Jahre in Folge arbeitsunfähiger Arbeitnehmer daher nicht berechtigt sein, in diesem Zeitraum erworbene Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub unbegrenzt anzusammeln. Um dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, mit dem der Schutz des Arbeitnehmers bezweckt wird, gerecht zu werden, muss daher jeder Übertragungszeitraum den spezifischen Umständen Rechnung tragen, in denen sich ein Arbeitnehmer befindet, der während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähig ist. Dieser Zeitraum muss daher für den Arbeitnehmer insbesondere die Möglichkeit gewährleisten, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant werden sowie verfügbar sein können. Zudem muss ein Übertragungszeitraum die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten.
Außerdem muss der Übertragungszeitraum den Arbeitgeber vor der Gefahr der Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiträumen und den Schwierigkeiten schützen, die sich daraus für die Arbeitsorganisation ergeben können.
Daher kann ein Zeitraum, der wie im vorliegenden Fall 15 Monate beträgt, vernünftigerweise als Übertragungszeitraum angesehen werden, der dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub nicht zuwiderläuft, da er sicherstellt, dass dieser Anspruch seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit behält.
Folglich steht das Unionsrecht im Fall eines während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmers einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie etwa Tarifverträgen nicht entgegen, die die Möglichkeit, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch erlischt.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 23.11.2011
Quelle: ra-online, Gerichtshof der Europäischen Union (pm/pt)
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