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Die Vollstreckung einer mit einer Bescheinigung versehenen Entscheidung, mit der die Rückgabe des Kindes angeordnet wird, kann weder aufgrund einer späteren Entscheidung eines Gerichts des Vollstreckungsmitgliedstaats noch aufgrund einer nach ihrer Erlassung eingetretenen Änderung der Umstände verweigert werden. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften.
Die Verordnung über die
Frau Povse und Herr Alpago, die nicht miteinander verheiratet waren, wohnten bis Ende Januar 2008 zusammen mit ihrer im Dezember 2006 geborenen Tochter Sofia in Italien. Obwohl das Tribunale per i Minorenni di Venezia (Jugendgericht Venedig, Italien) der Mutter, nachdem diese mit ihrer Tochter die gemeinsame Wohnung verlassen hatte, auf Antrag des Vaters mit vorläufiger Eilentscheidung vom 8. Februar 2008 untersagte, mit dem Kind aus Italien auszureisen, begaben sich beide im Februar 2008 nach Österreich, wo sie seitdem leben.
Am 23. Mai 2008 erließ das Tribunale per i Minorenni di Venezia eine Entscheidung, mit der es das
Im November 2008 wies das Bezirksgericht Leoben (Österreich), gestützt auf die Entscheidung des italienischen Gerichts, wonach das Kind vorläufig bei seiner Mutter bleiben dürfe, einen von Herrn Alpago im April 2008 gestellten Antrag auf Rückführung des Kindes nach Italien ab.
Auf einen von Frau Povse beim örtlich zuständigen Bezirksgericht Judenburg (Österreich) gestellten Antrag, ihr die Obsorge für das Kind zu übertragen, erklärte sich dieses Gericht am 26. Mai 2009 für zuständig und ersuchte das Tribunale per i Minorenni di Venezia, sich für unzuständig zu erklären.
Herr Alpago hatte sich jedoch bereits am 9. April 2009 im Rahmen des bei dem italienischen Gericht anhängigen Sorgerechtsverfahrens an dieses Gericht gewandt und beantragt, die Rückführung seines Kindes nach Italien anzuordnen. In einer von diesem Gericht am 19. Mai 2009 durchgeführten mündlichen Verhandlung erklärte sich Frau Povse bereit, das vom Sozialhelfer erstellte Besuchsprogramm zwischen Vater und Tochter zu befolgen. Ihren Antrag beim Bezirksgericht Judenburg erwähnte sie nicht.
Mit Entscheidung vom 10. Juli 2009 bejahte das Tribunale per i Minorenni di Venezia seine eigene
Am 25. August 2009 erließ das Bezirksgericht Judenburg eine einstweilige Verfügung, mit der es die Obsorge für das Kind vorläufig Frau Povse übertrug.
Am 22. September 2009 beantragte Herr Alpago bei den österreichischen Gerichten die Vollstreckung der Entscheidung, mit der die Rückführung seines Kindes nach Italien angeordnet worden war.
Das Verfahren gelangte zum Obersten Gerichtshof, der, da er Zweifel hinsichtlich der Auslegung der Verordnung hat, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mehrere Fragen vorgelegt hat. Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass es sich im Ausgangsverfahren um ein widerrechtliches Verbringen eines Kindes handelt und dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Entführung das Tribunale per i Minorenni di Venezia als das Gericht des Ortes, an dem das Kind vor dem widerrechtlichen Verbringen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, das nach der Verordnung zuständige Gericht war.
Der Gerichtshof hebt hervor, dass das durch die Verordnung geschaffene System auf der zentralen Rolle des zuständigen Gerichts beruht und dass die Anerkennung und Vollstreckung der in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruhen und die Gründe für die Nichtanerkennung auf das notwendige Minimum beschränkt sein sollten. Ferner führt er aus, dass die Verordnung darauf hinwirken soll, dass von Kindesentführungen zwischen Mitgliedstaaten Abstand genommen und, wenn es zu einer Entführung kommt, die Rückgabe des Kindes unverzüglich erwirkt wird. Daraus folgt, dass das widerrechtliche Verbringen eines Kindes grundsätzlich keine Übertragung der
In diesem Zusammenhang stellt der Gerichtshof fest, dass nur eine endgültige, auf der Grundlage einer umfassenden Prüfung aller relevanten Gesichtspunkte getroffene Entscheidung, mit der sich das zuständige Gericht zur Frage der nicht mehr von anderen behördlichen oder gerichtlichen Entscheidungen abhängenden Regelung der Sorge für das Kind äußert, zu einer Übertragung der
Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass eine mit einer Bescheinigung gemäß der Verordnung versehene Entscheidung, mit der das zuständige Gericht die Rückgabe des Kindes anordnet, auch dann vollstreckbar ist, wenn ihr keine endgültige Entscheidung über das
Der Gerichtshof fügt hinzu, dass sich die Richtigkeit dieser Betrachtungsweise auch aus der Prüfung der Sachlage im Ausgangsverfahren ergibt. Die Entscheidung, mit der das italienische Gericht die Rückgabe des Kindes anordnete, wird nämlich damit begründet, dass dessen Beziehungen zum Vater unterbrochen seien. Das Wohl des Kindes wird daher dadurch am besten gewahrt, dass diese Beziehungen wiederhergestellt werden und zugleich, soweit möglich, für die Anwesenheit der Mutter in Italien gesorgt wird, damit die Beziehungen des Kindes zu beiden Elternteilen sowie deren Fähigkeiten als
Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass die Vollstreckung einer mit einer Bescheinigung versehenen Entscheidung, mit der die Rückgabe des Kindes angeordnet wird, weder aufgrund einer späteren Entscheidung eines Gerichts des Vollstreckungsmitgliedstaats noch deshalb verweigert werden kann, weil sie aufgrund einer seit Erlassung der Rückgabeanordnung eingetretenen Änderung der Umstände das Wohl des Kindes schwerwiegend gefährden könnte. Insoweit weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Verordnung eine klare Zuständigkeitsverteilung zwischen den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats und des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht und auf die rasche Rückführung des Kindes abzielt. Das ersuchte Gericht kann lediglich die Vollstreckbarkeit der Entscheidung feststellen. Fragen, die die Begründetheit der Entscheidung betreffen, sowie eine etwaige Änderung der Umstände können nur vor dem zuständigen Gericht des Ursprungsmitgliedstaats geltend gemacht werden.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 02.07.2010
Quelle: ra-online, EuGH
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