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Bahnreisende müssen über Verspätungen oder Ausfälle ihrer wichtigsten Anschlusszüge informiert werden – und zwar unabhängig davon, welches Eisenbahnunternehmen diese Züge betreibt. Der Betreiber der Eisenbahninfrastruktur ist verpflichtet, den Eisenbahnunternehmen in Echtzeit sämtliche Informationen über die von anderen Unternehmen gewährleisteten Anschlussverbindungen zur Verfügung zu stellen. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.
Das Eisenbahnunternehmen Westbahn Management GmbH erbringt in Österreich Schienenpersonenverkehrsdienste auf der Strecke Wien – Salzburg. Die ÖBB-Infrastruktur AG ist Betreiberin der Eisenbahninfrastruktur in Österreich und des Großteils des österreichischen Schienennetzes einschließlich der Strecke Wien – Salzburg. Sie verfügt über Echtzeitdaten aller Züge, die auf dem von ihr betriebenen Schienennetz verkehren. Diese Daten werden den verschiedenen Eisenbahnunternehmen für deren eigene Züge übermittelt.
Westbahn Management ersuchte ÖBB-Infrastruktur, ihr Echtzeitdaten zu den Zügen anderer Eisenbahnunternehmen zur Verfügung zu stellen, um künftig ihre Fahrgäste über die tatsächlichen Abfahrtszeiten der Züge informieren zu können und um die Anschlüsse zu gewährleisten.
ÖBB-Infrastruktur verweigerte den Zugang zu diesen Daten mit der Begründung, dass sie grundsätzlich nur die dem jeweiligen Eisenbahnunternehmen zuzuordnenden Daten weitergebe. Sie empfahl Westbahn Management, Vereinbarungen mit den übrigen Eisenbahnunternehmen zu treffen, in denen sich diese mit der Weitergabe ihrer Daten einverstanden erklären.
Zwischen Westbahn Management und den übrigen Eisenbahnunternehmen kam jedoch keine solche Vereinbarung zustande. Westbahn Management vertrat die Auffassung, dass die Nichtübermittlung dieser Daten dem Unionsrecht* zuwiderlaufe, und reichte bei der Schienen-Control Kommission, die für die Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten in Bezug auf die Eisenbahnmärkte zuständig ist, Beschwerde ein.
Die Schienen-Control Kommission möchte mit ihren an den Gerichtshof gerichteten Vorlagefragen zum einen wissen, ob die Information über die wichtigsten Anschlussverbindungen neben den fahrplanmäßigen Abfahrtszeiten auch die Bekanntgabe von Verspätungen oder Ausfällen der Anschlusszüge, insbesondere von anderen Eisenbahnunternehmen, umfassen muss. Zum anderen fragt sie den Gerichtshof, ob der Infrastrukturbetreiber verpflichtet ist, in diskriminierungsfreier Weise Echtzeitdaten von Zügen anderer Eisenbahnunternehmen zur Verfügung zu stellen, sofern es sich bei diesen Zügen um die wichtigsten Anschlussverbindungen handelt.
In seinem Urteil weist der Gerichtshof darauf hin, dass zur Wahrung der Interessen der Fahrgäste und der allgemeinen Ziele des Unionsrechts die Informationen, die den Fahrgästen gegeben werden, für sie von Nutzen sein müssen.
Insoweit stellen Informationen über Verspätungen oder Ausfälle von Anschlusszügen, von denen der Fahrgast hätte Kenntnis erlangen können, wenn er vor seiner Abfahrt die Anzeigetafeln gelesen hätte – vorausgesetzt, die Informationen waren zu diesem Zeitpunkt bekannt –, Elemente dar, die ihm auch dann mitzuteilen sind, wenn sich die Zugverspätungen oder -ausfälle nach seiner Abfahrt ereignen. Andernfalls würde der Fahrgast nur über die planmäßigen Abfahrtszeiten der wichtigsten Anschlussverbindungen informiert, nicht aber über die nach seiner Abfahrt eingetretenen Änderungen, aufgrund deren die ihm mitgeteilten Informationen überholt sind. Die Eisenbahnunternehmen sind somit verpflichtet, Echtzeitinformationen über die wichtigsten Anschlussverbindungen zu geben.
Der Gerichtshof stellt fest, dass sich diese Pflicht auf alle wichtigsten Anschlussverbindungen bezieht, sowohl die des betreffenden Eisenbahnunternehmens als auch die der anderen Unternehmen. Eine enge Auslegung der Informationen, zu denen die Fahrgäste Zugang haben müssen, würde ihr Umsteigen behindern. Sie würde das Informationsziel des Unionsrechts in Frage stellen, indem für die Fahrgäste ein Anreiz geschaffen würde, die großen Eisenbahnunternehmen zu bevorzugen, die in der Lage wären, ihnen Echtzeitinformationen über alle Teilabschnitte ihrer Fahrt zu geben.
Zu den Pflichten des Betreibers der Eisenbahninfrastruktur führt der Gerichtshof aus, dass zur Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs auf dem Markt des Schienenpersonenverkehrs sicherzustellen ist, dass alle Eisenbahnunternehmen in der Lage sind, den Fahrgästen eine vergleichbare Dienstleistungsqualität zu bieten. Daher müssen sich die Eisenbahnunternehmen zum Zweck der Ausübung des Rechts auf Zugang zur Schieneninfrastruktur vom Infrastrukturbetreiber Echtzeitinformationen über die wichtigsten Anschlussverbindungen anderer Eisenbahnunternehmen verschaffen.
In diesem Zusammenhang weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Informationen, die den Anzeigetafeln verschiedener Bahnhöfe entnommen werden können, nicht als vertraulich oder sensibel angesehen werden können, was ihrer Weitergabe an die verschiedenen betroffenen Eisenbahnunternehmen entgegenstehen würde. Daher entscheidet der Gerichtshof, dass der Eisenbahninfrastrukturbetreiber verpflichtet ist, den Eisenbahnunternehmen in diskriminierungsfreier Weise Echtzeitdaten der von anderen Unternehmen betriebenen Züge zur Verfügung zu stellen, sofern es sich bei diesen Zügen um die wichtigsten Anschlussverbindungen handelt.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 22.11.2012
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online
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Dokument-Nr. 14687
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