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Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Einführung von islamischem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen im Land Nordrhein-Westfalen entschieden.
Die beiden Kläger sind Dachverbände in Form eingetragener Vereine, in welchen jeweils zahlreiche islamische Vereine mit bundesweitem oder regionalem Tätigkeitsbereich zusammengeschlossen sind. Sie verlangen vom beklagten Land die Einführung islamischen Religionsunterrichts in den öffentlichen Schulen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, bei den Klägern handele es sich nicht um Religionsgemeinschaften im Sinne von Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG), weil sie keine Vereinigungen von natürlichen Personen seien und bei ihnen eine umfassende Pflege religiöser Angelegenheiten nicht stattfinde.
Dem ist der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem heutigen Urteil nicht gefolgt. Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG ist der Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG bestimmt weiter, dass unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt wird. Durch diese Regelung wird den Religionsgemeinschaften ein Rechtsanspruch gegen den Staat auf Einführung von Religionsunterricht an seinen Schulen eingeräumt. Unter Religionsgemeinschaft ist dabei ein Verband zu verstehen, der die Angehörigen eines Glaubensbekenntnisses oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse zur allseitigen Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben zusammenfasst. Weil das Glaubensbekenntnis eine höchstpersönliche Angelegenheit ist, muss eine Gemeinschaft auf natürliche Personen zurückzuführen sein, um als Religionsgemeinschaft angesehen werden zu können. Die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft können auch bei einem mehrstufigen Verband (Dachverbandsorganisation) erfüllt sein, in welchem die Gläubigen auf der örtlichen Ebene Vereine gebildet haben, die sich zu regionalen Verbänden zusammengeschlossen haben, welche wiederum einen landes- oder bundesweiten Verband gegründet haben. In einem solchen Fall bilden die Konfessionsangehörigen, die sich zum Zwecke gemeinsamer Religionsausübung in lokalen Vereinen zusammengeschlossen haben, die für das Bestehen einer Religionsgemeinschaft unentbehrliche personale Grundlage. Die allseitige Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben erfolgt arbeitsteilig auf den verschiedenen Ebenen des Verbandes. Ein Dachverband ist freilich nicht bereits dann Teil einer Religionsgemeinschaft, wenn sich die Aufgabenwahrnehmung auf seiner Ebene auf die Vertretung gemeinsamer Interessen nach außen oder auf die Koordinierung von Tätigkeiten der Mitgliedsvereine beschränkt. Vielmehr ist darüber hinaus erforderlich, dass für die Identität einer Religionsgemeinschaft wesentliche Aufgaben auch auf der Dachverbandsebene wahrgenommen werden. Ferner muss die Tätigkeit des Dachverbands in der Weise auf die Gläubigen in den örtlichen Vereinen bezogen sein, dass sie sich als Teil eines gemeinsamen, alle diese Gläubige umfassenden Glaubensvollzugs darstellt. Hieran kann es fehlen, wenn dem Verband im erheblichen Umfang Mitgliedsvereine angehören, die religiöse Aufgaben nicht oder nur partiell erfüllen.
Ob die Kläger nach diesem Maßstab als Religionsgemeinschaften anzusehen sind, konnte der Senat anhand der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Zwar kommen die Mitglieder der auf der örtlichen Ebene bestehenden Moscheevereine als personale Zentren einer Religionsgemeinschaft in Betracht. Es ist jedoch bislang nicht hinreichend geklärt, ob die beiden Gesamtverbände nicht durch andere, auf berufsmäßiger oder sozialer Grundlage bestehende Mitgliedsverbände der Kläger geprägt werden. Gleiches gilt für die Frage, ob die klagenden Dachverbände über die bloße Interessenvertretung oder Aufgabenkoordinierung hinaus wesentliche durch die gemeinsamen religiösen Überzeugungen gestellte Aufgaben selbständig gestalten. Schon aus diesem Grunde musste das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden. Sollte dieses nach entsprechender Sachaufklärung den Klägern den Charakter von Religionsgemeinschaften zuerkennen, so wird es weiter zu prüfen haben, ob die Kläger als Partner eines vom Staat veranstalteten Religionsunterrichts deswegen ausscheiden, weil gegen ihre Eignung wie vom beklagten Land geltend gemacht unter dem Gesichtspunkt der Verfassungstreue Bedenken bestehen. Maßstab sind dabei insbesondere die in Art. 79 Abs. 3 GG in Bezug genommenen Grundsätze der Menschenwürde und des demokratischen Rechtsstaats. Die Einhaltung dieser Grundsätze kann der Staat von Religionsgemeinschaften erwarten, die mit ihm bei der religiösen Unterweisung von Schulkindern zusammenarbeiten wollen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 24.02.2005
Quelle: Pressemitteilung Nr. 9/2005 des BVerwG vom 23.02.2005
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Dokument-Nr. 242
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