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Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.03.2019
BVerwG 1 C 9.18 -

Entstehen eines abgeleiteten unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auch nach Aufhebung einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit einem Unionsbürger möglich

Ehegatte eines Unionsbürgers muss für abgeleitetes Aufenthaltsrecht nicht notwendigerweise ständig beim Unionsbürger wohnen

Ein abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht kann bei einem dritt­staats­angehörigen Ehegatten eines in Deutschland lebenden freizügigkeits­berechtigten Unionsbürgers auch nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft entstehen kann. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls, ein nigerianischer Staatsangehöriger, heiratete 2008 in Griechenland eine bulgarische Staatsangehörige. Die Eheleute reisten 2012 gemeinsam zum Zwecke der Erwerbstätigkeit in das Bundesgebiet ein. Im Jahr 2014 trennten sie sich, und die Ehefrau des Klägers verzog allein nach Bulgarien. Seit August 2015 lebt sie - vom Kläger weiterhin getrennt - wieder in Deutschland. Im Jahr 2016 wurde die Ehe geschieden. Nach dem Wegzug der Ehefrau stellte die Ausländerbehörde fest, dass der Kläger sein Freizügigkeitsrecht nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) in Verbindung mit der Richtlinie 2004/38/EG (sogenannte Unionsbürger-Richtlinie) verloren hat.

OVG: Aufenthaltsrecht des Klägers als Ehegatte einer Unionsbürgerin nach deren Wegzug erloschen

Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass das Aufenthaltsrecht des Klägers als Ehegatte einer Unionsbürgerin mit deren Wegzug erloschen und mit ihrer Wiedereinreise mangels Wiederaufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft nicht neu entstanden ist.

Aufenthaltsrecht als drittstaatenangehöriger Ehegatte entstand durch erneuten Aufenthalt der Ehefrau im Bundesgebiet neu und wurde durch Scheidung eigenständig

Auf die Revision des Klägers hob das Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung des Berufungsgerichts auf. Zwar sei in Anwendung der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) das mit dem gemeinsamen Zuzug entstandene abgeleitete Aufenthaltsrecht des Klägers als drittstaatsangehöriger Ehegatte einer freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgerin mit dem Wegzug seiner Ehefrau erloschen. Es sei aber mit ihrer erneuten Aufenthaltsnahme im Bundesgebiet neu entstanden, wenn und soweit die Ehefrau nach ihrer Rückkehr (weiterhin) freizügigkeitsberechtigt war. Unter dieser Voraussetzung gehe es mit der Scheidung der Ehe nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 FreizügG/EU in Verbindung mit Art. 13 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2004/38/EG in ein eigenständiges Aufenthaltsrecht über.

Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht des Ehegatten eines Unionsbürgers nicht gleichzusetzen mit nationalem Nachzugsrecht

Dem stehe nicht entgegen, dass die Eheleute nach der Rückkehr der Ehefrau weiterhin getrennt lebten. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH müsse der Ehegatte eines Unionsbürgers nicht notwendigerweise ständig bei dem Unionsbürger wohnen, um Inhaber eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts zu sein. Für ein "Begleiten" bzw. "Nachziehen" im Sinne des Unionsrechts genüge es vielmehr, dass sich beide Eheleute in dem Mitgliedstaat aufhalten, in dem der Unionsbürger von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat. Dies gelte bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs oder Betrugs (einschließlich des Eingehens einer Scheinehe). Damit unterscheide sich das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht des Ehegatten eines Unionsbürgers vom nationalen Nachzugsrecht, nach dem Aufenthaltserlaubnisse aus familiären Gründen (nur) zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft erteilt werden. Es bedürfe auch für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht bei getrennt lebenden Eheleuten nicht einer im Sinne des Ehe- und Familienschutzes über das formale Band der Ehe hinausgehenden schutzwürdigen Beziehung.

Rückweisung der Sache an das Berufungsgericht

Da das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob die Ehefrau des Klägers bei Scheidung der Ehe freizügigkeitsberechtigt gewesen sei, konnte das Bundesverwaltungsgericht nicht abschließend entscheiden und wies den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurück.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 28.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online (pm)

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