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Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.01.2012
BVerwG 1 C 1.11 -

BVerwG: Aufenthaltstitel erlischt nicht durch Auslieferung

Ausreise aufgrund staatlicher Zwangsmaßnahmen lässt keine Rückschlüsse auf fehlendes Interesse an Fortbestand des Aufenthaltstitels zu

Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass der Aufenthaltstitel eines Ausländers durch seine Auslieferung an ein Drittland auch bei einer längeren Abwesenheit nicht erlischt.

Der Entscheidung lag der Fall eines 44jährigen kosovarischen Staatsangehörigen zugrunde, der 1992 nach Deutschland kam, 1996 eine Deutsche heiratete, mit der er drei Kinder hat, und dem 2002 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (jetzt: Niederlassungserlaubnis) erteilt wurde. 2005 wurde er aufgrund eines Europäischen Haftbefehls wegen Mordverdachts an die Niederlande ausgeliefert und dort in Untersuchungshaft genommen.

Ausländerbehörde verweigert Kläger wegen des zwischenzeitlich erloschenen Aufenthaltstitels Rückkehr nach Deutschland

Nachdem er 2008 freigesprochen und aus der Haft entlassen worden war, verweigerte die beklagte Ausländerbehörde dem zwischenzeitlich geschiedenen Kläger die Rückkehr nach Deutschland, da sein Aufenthaltstitel erloschen sei. Daraufhin kehrte er in den Kosovo zurück, wo er sich seither aufhält.

VG und VGH halten Erlöschen der Niederlassungserlaubnis mangels freiwilliger Ausreise des Klägers für ungerechtfertigt

2009 erhob der Kläger Klage auf Feststellung, dass seine Niederlassungserlaubnis nicht erloschen sei. Sowohl das Verwaltungsgericht als auch der Verwaltungsgerichtshof haben der Klage stattgegeben. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die maßgeblichen Erlöschenstatbestände des § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) schon deshalb nicht vorlägen, weil es an einer freiwilligen Ausreise fehle.

Auslieferung stellt keine Ausreise im Sinne der maßgeblichen Erlöschenstatbestände des Aufenthaltsgesetzes dar

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil im Ergebnis bestätigt. Ein Aufenthaltstitel erlischt nach den zitierten Vorschriften, wenn der Ausländer aus einem nicht nur vorübergehenden Grund bzw. länger als sechs Monate ausreist. Das Gericht entschied, dass die Auslieferung keine Ausreise im Sinne dieser Vorschriften ist, weil es sich um eine staatlich veranlasste Maßnahme handelt. Zweck der genannten Erlöschenstatbestände ist es, die Aufenthaltstitel in den Fällen zum Erlöschen zu bringen, in denen der Ausländer durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er von seinem Aufenthaltsrecht keinen Gebrauch mehr machen will. Im Interesse einer effektiven Steuerung der Migration soll einer zeitlich unbegrenzten Möglichkeit der Wiedereinreise entgegengewirkt werden.

Staat hat längere Abwesenheit des Klägers durch dessen Auslieferung selbst veranlasst

Verlässt der Betroffene die Bundesrepublik aufgrund staatlicher Zwangsmaßnahmen - hier der Auslieferung an die Niederlande - ist ein Rückschluss auf ein fehlendes Interesse am Fortbestand des Aufenthaltstitels nicht gerechtfertigt. Hier hat es der Staat selbst veranlasst, dass der Ausländer das Bundesgebiet verlassen musste. Sollte es in einem solchen Fall Gründe geben, das Aufenthaltsrecht des Ausländers zu beenden, kann die Behörde auf andere Weise, etwa mittels einer Ausweisungsverfügung, vorgehen.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 23.01.2012
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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