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Die Entnahme von Lebensmitteln aus dem Abfallbehälter eines Supermarktes, so genanntes Containern, kann nach aktuell geltenden Recht als Diebstahl gemäß § 242 Abs. 1 StGB bestraft werden. Dies geht aus zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hervor. Das Bundesverfassungsgericht wies darauf hin, dass es dem Gesetzgeber frei stehe, das Containern zu entkriminalisieren. Der Gesetzgeber habe aber bisher Initiativen zur Entkriminalisierung nicht aufgegriffen.
Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Diebstahls von Lebensmitteln aus einem verschlossenen Abfallcontainer eines Supermarktes richteten („Containern“). Zur Begründung führte die Kammer im Wesentlichen aus, dass die Auslegung der Fachgerichte weder gegen das Willkürverbot verstößt noch die Beweiswürdigung verfassungsrechtlich zu beanstanden ist. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und insbesondere das Ultima-Ratio-Prinzip gebieten keine Einschränkung der Strafbarkeit. Der Gesetzgeber darf das zivilrechtliche Eigentum grundsätzlich auch an wirtschaftlich wertlosen Sachen strafrechtlich schützen.
Die beiden Beschwerdeführerinnen entwendeten diverse
Das Amtsgericht verwarnte die Beschwerdeführerinnen wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB und legte ihnen acht Stunden gemeinnützige Arbeit bei einer Tafel auf. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen blieb vorbehalten. Das Amtsgericht hat insbesondere dargelegt, weshalb das Unternehmen Eigentümer der
Das Bayerische Oberste Landesgericht verwarf die Revisionen der Beschwerdeführerinnen als unbegründet. Die Auffassung des Amtsgerichts, die
Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführerinnen die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie die Verletzung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Im vorliegenden Fall habe der Supermarkt kein schutzwürdiges Interesse an den weggeworfenen Lebensmitteln, weswegen die Strafbarkeit der Entnahme gegen das Übermaßverbot verstoße. Darüber hinaus sei im Lichte des Art. 20a GG der Gemeinwohlbelang eines verantwortungsvollen und nachhaltigen Umgangs mit Lebensmitteln zu berücksichtigen. Die massenhafte und in vielen Fällen vermeidbare Verschwendung von Lebensmitteln durch Vernichtung sei in besonderer Weise sozialschädlich.
Die zulässigen Verfassungsbeschwerden sind unbegründet. Die maßgeblich an zivilrechtlichen Wertungen orientierte Auslegung der Strafgerichte in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der „Fremdheit“ einer Sache im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB verstößt nicht gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Willkürverbot.
Im Hinblick auf den Wortlaut und Schutzzweck des § 242 StGB sowie im Hinblick auf die Wahrung der Rechtseinheit und der Rechtssicherheit beruht diese Auslegung auf sachgemäßen und nachvollziehbaren Erwägungen und ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Feststellung, ob die Entnahme von Lebensmitteln aus einem Abfallbehälter eine strafbare Wegnahme einer fremden Sache darstellt, obliegt grundsätzlich den Fachgerichten. Diese haben unter Würdigung der konkreten Umstände des jeweiligen Sachverhalts zu entscheiden, ob die Abfälle durch eine Eigentumsaufgabe gemäß § 959 BGB herrenlos geworden sind, ob ein Übereignungsangebot an beliebige Dritte vorlag oder ob die Abfälle im Eigentum des bisherigen Eigentümers verblieben.
Die Fachgerichte haben maßgeblich darauf abgestellt, dass sich der Abfallcontainer in der Anlieferzone des Supermarktes und damit auf dessen eigenem Gelände befunden habe und darüber hinaus verschlossen gewesen sei. Zudem hätten die Abfälle zur Übergabe an ein spezialisiertes und vom Inhaber bezahltes Entsorgungsunternehmen bereitgestanden. Schließlich habe das Verschließen der Container eine Reaktion auf vorherige, unbefugte Entnahmen Dritter dargestellt. Aufgrund dieser Umstände sei auf den Willen des Unternehmens zu schließen, dass es weiterhin Eigentümer der Abfälle habe bleiben wollen. Gegen diese Beweiswürdigung ist aus Verfassungssicht nichts einzuwenden.
Die Strafbarkeit des Containerns als
Im Übrigen existieren im Straf- und Strafprozessrecht hinreichende Möglichkeiten, im Einzelfall der geringen Schuld des Täters Rechnung zu tragen. Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Strafzumessung berücksichtigen die Besonderheiten des Einzelfalles und sind daher verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
Ob der Gesetzgeber im Hinblick auf andere Grundrechte oder Staatszielbestimmungen wie beispielsweise den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen nach Art. 20a GG und im Rahmen einer Fortentwicklung von Inhalt und Schranken des Eigentums auch eine alternative Regelung hinsichtlich des Umgangs mit entsorgten Lebensmitteln treffen könnte, ist vorliegend ohne Bedeutung.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 18.08.2020
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/pt)
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