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Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die angegriffenen Vorschriften, die die Vorbereitung und Durchführung der zum Stand vom 9. Mai 2011 erhobenen Bevölkerungs-, Gebäude- und Wohnungszählung (Zensus 2011) zum Gegenstand haben, mit der Verfassung vereinbar sind. Sie verstoßen nicht gegen die Pflicht zur realitätsnahen Ermittlung der Einwohnerzahlen der Länder und widersprechen insbesondere nicht dem Wesentlichkeitsgebot, dem Bestimmtheitsgebot oder dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch ein Verstoß gegen das Gebot föderativer Gleichbehandlung liegt nicht vor, da die Ungleichbehandlung von Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern gerechtfertigt ist, weil sie aus sachlichen Gründen erfolgte und zu hinreichend vergleichbaren Ergebnissen zu kommen versprach. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfolgte aufgrund von Anträgen der Senate von Berlin und Hamburg im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle. Das Gericht verwies zur Begründung insbesondere auf den Prognose-, Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der Regelung des Erhebungsverfahrens.
In den Jahren 2001 bis 2003 wurde ein sogenannter Zensustest durchgeführt, mit dem die Methode eines registergestützten Zensus erprobt und weiterentwickelt wurde und aus dem die statistischen Ämter des Bundes und der Länder Empfehlungen für die Durchführung eines künftigen Zensus ableiteten. Mit dem
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die angegriffenen gesetzlichen Vorschriften formell verfassungsgemäß sind. Sie sind insbesondere von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Statistik für Bundeszwecke gedeckt (Art. 73 Abs. 1 Nr. 11 GG). Eine staatliche Volkszählung durch Auswertung vorhandener Register und ergänzende Befragungen unterfällt dem verfassungsrechtlichen Statistikbegriff und dient auch Zwecken des Bundes.
Die gesetzlichen Vorschriften sind materiell mit dem Grundgesetz vereinbar. § 7 Abs. 1 bis 3 ZensG 2011 verstößt weder gegen die sich aus Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG ergebenden Anforderungen der Wesentlichkeitsdoktrin noch gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Die verfassungsrechtliche Beurteilung von § 7 Abs. 1 bis 3 ZensG 2011, der die Grundlagen für die Haushaltsstichprobe enthält, trägt den Bedingungen eines Zensus und insbesondere dem Interesse an einer realitätsnahen Ermittlung der Einwohnerzahlen Rechnung. Vor diesem Hintergrund ist die Regelung im Hinblick auf Regelungsdichte und Bestimmtheit nicht zu beanstanden, denn sie enthält die wesentlichen Festlegungen für die Haushaltsstichprobe, für das Programm der Stichprobenverordnung und das Verwaltungsverfahren.
Die durch § 7 Abs. 1 bis 3 und § 15 Abs. 2 und 3 Alt. 1 ZensG 2011 angeordneten Verfahren zur Korrektur von Unrichtigkeiten der Melderegisterdaten im Rahmen der Feststellung der amtlichen Einwohnerzahlen großer Gemeinden genügen verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Das Grundgesetz misst der
Der Gesetzgeber hat an die für Vollerhebungen zu erwartende Genauigkeit der Einwohnerzahlenfeststellung angeknüpft. Da davon ausgegangen werden kann, dass die Vollerhebung als traditionelle Erhebungsweise auch den Vorstellungen des Verfassungsgebers zur Genauigkeit der Ermittlung der von ihm vorausgesetzten Einwohnerzahlen zugrunde lag, kann von einer neuen statistischen Methode jedenfalls nicht mehr verlangt werden als von der Vollerhebung.
Das Gebot, eine hinreichend genaue Ermittlung der
Eine klare Überlegenheit der Vollerhebung gegenüber einer registergestützten Erhebung ist nach dem gegenwärtigen Stand der statistischen Wissenschaft nicht feststellbar. So kommt es bei Vollerhebungen erfahrungsgemäß zu Ungenauigkeiten im Rahmen der primärstatistischen Befragungen, zu in Massenverfahren nicht vermeidbaren Komplikationen sowie zu Schwierigkeiten bei der Gewährleistung der Einheitlichkeit des Verfahrens und der Schulung der großen Zahl von Erhebungsbeauftragten. Demgegenüber ist das gewählte Verfahren mit erheblich geringeren Belastungen der Befragten verbunden. Dies ermöglicht eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung und verringert das Risiko von fehlerhaften oder unvollständigen Antworten und Antwortverweigerungen und verbessert damit auch die Präzision der Erhebung. Das Unionsrecht lässt angesichts der Gleichwertigkeit von Vollerhebung und registergestütztem Zensus aus fachwissenschaftlicher Sicht den Mitgliedsstaaten im Übrigen ausdrücklich die Wahl zwischen beiden Verfahren sowie kombinierten Methoden. Vor diesem Hintergrund haben sich zahlreiche Mitgliedstaaten ebenfalls für ein registergestütztes Verfahren entschieden.
Die Entscheidung für das mit dem Zensusgesetz 2011 geregelte Verfahren eines registergestützten Zensus beruht auch auf einer gültigen Prognose. Im Anschluss an die politischen Grundsatzentscheidungen in den Jahren 1997/98 wurde mit dem Zensustest eine empirische Untersuchung eines entsprechenden Modells vorgenommen, wobei verschiedene Verfahrenselemente sowie die Eignung der Register für eine solche Erhebung erprobt wurden. Auf dieser Grundlage wurden verschiedene Modelle verglichen und eine Empfehlung für eine Erhebungsmethode abgegeben, die im Wesentlichen dem letztlich Gesetz gewordenen Modell entsprach. Zudem gab es eine Begleitung durch eine mit unabhängigen Fachwissenschaftlern besetzte Zensuskommission sowie zwei Sachverständigenanhörungen während des Gesetzgebungsverfahrens.
Soweit der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass sich auf die im Zensustest untersuchte Weise Daten in der erforderlichen Qualität gewinnen ließen, ist dies nicht zu beanstanden. Sämtliche Bausteine des registergestützten Zensus - mit Ausnahme der abschließenden Verfahren zur Registerfehlerkorrektur - waren bereits im Zensustest erprobt und als grundsätzlich geeignet eingeschätzt worden. Der Gesetzgeber war daher nicht gehalten, das vollständige Verfahren in einer weiteren, für den Verwaltungsvollzug nicht verwertbaren, Testerhebung zu untersuchen. Im Nachhinein erkennbar gewordene Abweichungen von der gesetzgeberischen Prognose stellen deren Gültigkeit nicht in Frage. Die amtliche Evaluation spricht vielmehr für einen hohen Grad der Zielerreichung.
Der Gesetzgeber hat jedoch bei zukünftigen Volkszählungen die Erfahrungen mit dem verfahrensgegenständlichen
Die Differenzierung im Verfahren für die Ermittlung der amtlichen Einwohnerzahlen entlang der 10.000-Einwohner-Schwelle kann sich in den Ländern aufgrund der jeweiligen Bevölkerungsstruktur unterschiedlich auswirken. Diese Differenzierung ist am Gebot föderativer Gleichbehandlung (Art. 20 Abs. 1 GG) zu messen. Die Anwendung unterschiedlicher Methoden der Volkszählung stellt eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung dar, wenn nicht nur geringfügige Auswirkungen auf die Vergleichbarkeit der Ergebnisse naheliegend erscheinen. Das gilt auch mit Blick auf die angegriffenen Regelungen, da sich der Anteil der in großen und kleinen Gemeinden lebenden Bevölkerung von Land zu Land zum Teil erheblich unterscheidet und beide Verfahren jedenfalls nicht zu identischen Ergebnissen führen.
Die Ungleichbehandlung ist jedoch gerechtfertigt, weil sie aus sachlichen Gründen erfolgte und bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung nur geringfügig war.
Die Verwendung unterschiedlicher Verfahren zur Korrektur von Über- und Untererfassungen in den Melderegistern gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 einerseits und § 16 ZensG 2011 andererseits erscheint vor dem Hintergrund des dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden Erkenntnisstandes vertretbar. Der Differenzierung lag ersichtlich die Vorstellung zugrunde, dass die Verfahren trotz unterschiedlicher Gemeindestruktur in den Ländern geeignet waren, deren Einwohnerzahlen mit zumindest vergleichbarer Genauigkeit zu bestimmen. Die Beschränkung der Haushaltsstichprobe auf Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohnern ermöglichte neben einer Verringerung des Verwaltungsaufwandes insbesondere die Vermeidung von zusätzlichen Grundrechtseingriffen durch die geringere Zahl zu befragender Personen. Sachgerecht ist auch die Erwägung des Gesetzgebers, dass ein durch die Beschränkung des Stichprobenverfahrens verringerter Erhebungsumfang eine höhere Ergebnisqualität der primärstatistisch erhobenen Daten erwarten lasse. Der Gesetzgeber ist insoweit ersichtlich Einschätzungen gefolgt, die auf Erfahrungswerten der amtlichen Statistik beruhen.
Für die unterschiedliche Regelung der Mehrfachfallprüfung in § 15 Abs. 2 und 3 ZensG 2011 gelten vergleichbare Erwägungen. Der Gesetzgeber hat die Verwendung unterschiedlicher Methoden zur Korrektur von Mehrfachfällen damit begründet, dass für Personen mit mehr als einer Hauptwohnung, die in Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohnern gemeldet sind, eine Überprüfung im Rahmen der Haushaltsstichprobe genüge, und hat damit im Ausgangspunkt konsequent an die Differenzierung in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und § 16 ZensG 2011 angeknüpft. Er ist ersichtlich davon ausgegangen, dass dies nicht zu einer wesentlichen Verfälschung des Ergebnisses führen würde, und dass daher auf die bei Erstreckung des Verfahrens nach § 15 Abs. 3 ZensG 2011 auf die größeren Gemeinden erforderlichen zusätzlichen Befragungen verzichtet werden könne. Das ist nicht zu beanstanden. Dem Gesetzgeber stand nach den Ergebnissen des Zensustests vor Augen, dass für die Gemeinden unterhalb der 10.000-Einwohner-Schwelle im Wesentlichen das dort erprobte Verfahren verwendet werden konnte, während für die größeren Gemeinden eine umfassende Fehlerkorrektur im Stichprobenverfahren erfolgen musste. Die Bewertung des Zensustests hatte insbesondere auch ergeben, dass der weitaus größte Teil der in der Mehrfachfallprüfung auffällig gewordenen Fälle ohne Rückfragen geklärt werden konnte. Die Evaluation des
Auch die Festlegung der Schwelle für die Methodendifferenzierung beruht auf sachlichen Erwägungen. Der Zensustest hat Registerfehlerquoten für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern, für Gemeinden zwischen 10.000 und 50.000 Einwohnern, für Gemeinden zwischen 50.000 und 800.000 Einwohnern sowie für Gemeinden mit mehr als 800.000 Einwohnern ermittelt. Auf dieser Grundlage haben die statistischen Ämter des Bundes und der Länder die Ergänzung des registergestützten Zensus um Stichprobenerhebungen in Gemeinden ab 10.000 Einwohnern empfohlen. Dies beruhte auf der - im Zensustest festgestellten - Korrelation zwischen Gemeindegröße und (unbereinigten) Registerfehlerquoten sowie der Erwägung, dass sich eine Stichprobenerhebung bei abnehmender Gemeindegröße immer mehr einer Totalerhebung annähern muss, um hinreichend genaue Ergebnisse liefern zu können. Zudem wurde die Methode der Individualbefragungen jenseits der Grenze von 10.000 Einwohnern als ungeeignet eingeschätzt.
Für ein strukturelles Vollzugsdefizit ist nichts ersichtlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Länder in Konzeption und Vollzug des
Die angegriffenen Vorschriften verstoßen ferner nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG). Das Zensusgesetz 2011 ermächtigt zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Diese waren geeignet, erforderlich und den Auskunftsverpflichteten zumutbar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für die Aussagekraft der amtlichen Statistik ein möglichst hoher Grad an Genauigkeit der erhobenen Daten erforderlich ist. Das gewählte Stichprobenverfahren hat auf der einen Seite den erforderlichen Grad an Genauigkeit garantiert, auf der anderen Seite aber auch Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auf ein möglichst geringes Maß begrenzt.
Durch die angegriffenen Vorschriften werden schließlich auch keine verfassungsrechtlich geschützten Rechtsschutzinteressen der Länder oder Kommunen verletzt. Soweit das Grundgesetz für den Bund eine Pflicht zur realitätsgerechten Ermittlung der Bevölkerungszahlen enthält, folgt aus dem Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG zumindest ein Anspruch der Länder auf föderative Gleichbehandlung durch den Bundesgesetzgeber. Ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch lässt sich aus Art. 20 Abs. 1 GG jedoch nicht ableiten. Fehler in der Durchführung des
Weitergehender Rechtsschutzmöglichkeiten bedarf es von Verfassungs wegen nicht. Dass den Ländern grundsätzlich kein fachgerichtlicher Rechtsschutz gegen die Feststellung ihrer
Die angegriffenen Löschungsregelungen verstoßen auch nicht gegen Art. 28 Abs. 2 GG. Soweit es sich - wie bei den Antragstellern - um Stadtstaaten handelt, sind sie nicht Träger der Garantie kommunaler Selbstverwaltung. Ihre Stellung als Kommunen wird in dem vorliegend allein maßgeblichen Rechtsverhältnis zum Bund durch ihren staatsrechtlichen Status als Länder vollständig überlagert. Die anderen Kommunen werden in ihrer durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Rechtsstellung nicht beeinträchtigt. Das Zensusgesetz 2011 regelt weder die Rechtsverhältnisse der Kommunen zum Bund noch zu den Ländern. Insofern können auch die hier in Rede stehenden Löschungsvorschriften keine Auswirkungen auf die subjektive Rechtsstellungsgarantie der Kommunen haben.
§ 2 Abs. 2 und 3 und § 3 Abs. 2 StichprobenV genügen den für sie geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Vorschriften der Stichprobenverordnung entsprechen den Vorgaben der Ermächtigungsgrundlage und beinhalten keine unzulässige Subdelegation an die Verwaltung oder Private. § 2 Abs. 2 StichprobenV verstößt schließlich auch nicht gegen das aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Klarheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG).
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 19.09.2018
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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