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Die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter, zur Durchsetzung eines Unterhaltsregressanspruchs des sogenannten Scheinvaters geschlechtliche Beziehungen zu bestimmten Personen preiszugeben, stellt eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Dafür bedarf es einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht, an der es fehlt. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Einen Beschluss des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts, durch den die Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren zur Auskunftserteilung verpflichtet worden war, hat das Bundesverfassungsgericht aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Im Falle einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung entfallen die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den ehemals rechtlichen Vater (sogenannter Scheinvater) rückwirkend. In dem Umfang, in dem dieser bis dahin tatsächlich Unterhalt geleistet hat, gehen die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den leiblichen Vater auf den
Die damals zwanzigjährige Beschwerdeführerin führte mit dem Antragsteller des Ausgangsverfahrens eine Beziehung, während der sie schwanger wurde. Nachdem die Beschwerdeführerin und der Antragsteller geheiratet hatten, wurde die Tochter der Beschwerdeführerin Anfang Oktober 1991 ehelich geboren, so dass der Antragsteller rechtlicher Vater dieses Kindes wurde. Im Jahr 1994 eröffnete die Beschwerdeführerin dem Antragsteller die Möglichkeit, dass er nicht der leibliche Vater sein könnte. Im Jahr 1995 wurde die Ehe geschieden. Der Antragsteller beantragte das alleinige Sorgerecht für die Tochter. Im Jahr 2010 focht der Antragsteller erfolgreich die Vaterschaft an. Im Oktober 2012 forderte er die Beschwerdeführerin auf mitzuteilen, wer der mutmaßlich leibliche Vater ihrer Tochter ist, was die Beschwerdeführerin verweigerte. Das Amtsgericht und das Oberlandesgericht verpflichteten sie zur Auskunftserteilung; hiergegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde.
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die angegriffenen Entscheidungen die Beschwerdeführerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen, weil sie die Tragweite dieses Grundrechts verkennen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt mit der Privat- und Intimsphäre auch das Recht, selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem Einblick in die Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewährt wird. Dies umschließt das Recht, geschlechtliche Beziehungen zu einem bestimmten Partner nicht offenbaren zu müssen.
Dem haben die Gerichte hier im Ansatz zutreffend das Interesse des Scheinvaters an der Durchsetzung seines einfachrechtlichen Regressanspruchs gegenübergestellt. Obwohl das Interesse, selbst darüber zu befinden, ob und wem Einblick in das Geschlechtsleben gewährt wird, verfassungsrechtlich schwer wiegt, mag das Geheimhaltungsinteresse einer
Im vorliegenden Fall haben die Gerichte jedoch die Bedeutung des Rechts der Beschwerdeführerin, selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem sie Einblick in ihre Intimsphäre und ihr Geschlechtsleben gibt, unzutreffend eingeschätzt. Das Amtsgericht hat dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin allein deshalb keine Bedeutung beigemessen, weil sie den Antragsteller nicht darüber aufgeklärt habe, dass nicht er allein als biologischer Vater in Betracht komme. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht zwar festgestellt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin berührt ist, es aber nicht weiter mit den finanziellen Interessen des Antragstellers abgewogen. Aufgrund der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung stehe fest, dass die Beschwerdeführerin in der Empfängniszeit mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt habe; es gehe also „nur“ noch um die Frage, wer als Vater in Betracht komme. Damit verkennt das Gericht, dass zur verfassungsrechtlich geschützten Intimsphäre der
Die gerichtliche Verpflichtung der
Gegen die gerichtliche Begründung von Auskunftsansprüchen in Sonderverbindungen aufgrund der Generalklausel des § 242 BGB ist verfassungsrechtlich im Grundsatz nichts einzuwenden. Aus verfassungsrechtlicher Sicht bieten die privatrechtlichen Generalklauseln den Zivilgerichten nicht zuletzt die Möglichkeit, die Schutzgebote der Grundrechte zur Geltung zu bringen und so die gesetzgeberische Erfüllung grundrechtlicher Schutzaufträge zu ergänzen; die Zivilgerichte verhelfen den Grundrechten so in einem Maße zur praktischen Wirkung, das zu leisten der Gesetzgeber im Hinblick auf die unübersehbare Vielfalt möglicher Fallgestaltungen allein kaum in der Lage wäre. Die gerichtliche Rechtsfortbildung stößt jedoch an verfassungsrechtliche Grenzen; solche ergeben sich auch aus den Grundrechten. Soweit die vom Gericht im Wege der Rechtsfortbildung gewählte Lösung dazu dient, der Verfassung, insbesondere verfassungsmäßigen Rechten des Einzelnen, zum Durchbruch zu verhelfen, sind die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung weiter, da insoweit eine auch den Gesetzgeber treffende Vorgabe der höherrangigen Verfassung konkretisiert wird. Umgekehrt sind die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung demgemäß bei einer Verschlechterung der rechtlichen Situation des Einzelnen enger gesteckt; die Rechtsfindung muss sich umso stärker auf die Umsetzung bereits bestehender Vorgaben des einfachen Gesetzesrechts beschränken, je schwerer die beeinträchtigte Rechtsposition auch verfassungsrechtlich wiegt.
Die grundrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung sind hier enger gesteckt. Die mit der Auskunftsverpflichtung einhergehende Grundrechtsbeeinträchtigung der Beschwerdeführerin wiegt schwer. Dem steht hier allein das Interesse des Scheinvaters an einer Stärkung der Durchsetzungsfähigkeit seines einfachgesetzlichen Regressanspruchs gegenüber. Dass der Gesetzgeber den Regressanspruch durchsetzungsschwach ausgestaltet hat, indem er es unterlassen hat, diesen durch einen entsprechenden
Danach können die Gerichte einen
Soll der Regressanspruch des Scheinvaters gestärkt werden, müsste der Gesetzgeber tätig werden. Er müsste dabei allerdings dem entgegenstehenden Persönlichkeitsrecht der
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 18.03.2015
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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Dokument-Nr. 20776
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