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Auch ausländische juristische Personen, die ihren Sitz in der Europäischen Union haben, können Träger materieller Grundrechte des Grundgesetzes seien. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
Nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) steht dem Urheber eines Werkes das alleinige Verbreitungsrecht zu. § 17 Abs. 1 UrhG definiert das Verbreitungsrecht als das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Die Vorschrift dient unter anderem der Umsetzung von Art. 4 der europäischen Urheberrechtsrichtlinie 2001/29/EG. Der Begriff der Verbreitung umfasste nach bislang allgemeiner Auffassung jede Handlung, durch die das Werk der allgemeinen Öffentlichkeit zugeführt wurde, wofür jede Besitzüberlassung ausreichte. Daneben enthält § 96 UrhG ein Verwertungsverbot für rechtswidrig hergestellte Vervielfältigungsstücke.
Die Beschwerdeführerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach italienischem Recht mit Sitz in Italien, produziert
Der Bundesgerichtshof wies dagegen die Klage mit der Begründung ab, dass das Aufstellen der
Die Beschwerdeführerin sieht sich dadurch in ihrem verfassungsmäßigen Eigentumsrecht verletzt. Zudem rügt sie eine Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter, weil der Bundesgerichtshof vorab dem EuGH die Fragen hätte vorlegen müssen, ob die Gebrauchsüberlassung von Werkstücken überhaupt in den Anwendungsbereich der Urheberrechtsrichtlinie falle und ob die Richtlinie einen Maximalschutz begründe.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Zwar ist die Beschwerdeführerin als ausländische juristische Person mit Sitz in der Europäischen Union Trägerin von Grundrechten des Grundgesetzes. Sie ist im Streitfall jedoch nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit der Frage befasst, ob ausländische juristische Personen, die ihren Sitz in der Europäischen Union haben, Träger materieller Grundrechte des Grundgesetzes sein können, und dies bejaht.
Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Auch wenn es sich bei juristischen Personen aus Mitgliedstaaten der EU nicht um „inländische“ im Sinne des Grundgesetzes handelt, entspricht eine Anwendungserweiterung des Grundrechtsschutzes auf diese juristische Personen den durch die europäischen Verträge übernommenen vertraglichen Verpflichtungen, die insbesondere in den europäischen Grundfreiheiten und dem allgemeinen Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zum Ausdruck kommen. Diese verpflichten die Mitgliedstaaten und alle ihre Organe und Stellen, juristische Personen aus einem anderen EU-Mitgliedstaat auch im Hinblick auf den zu erlangenden Rechtsschutz Inländern gleichzustellen. Die europarechtlichen Vorschriften verdrängen Art. 19 Abs. 3 GG nicht, sondern veranlassen lediglich die Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf weitere Rechtssubjekte des Europäischen Binnenmarkts. Die Gleichstellung setzt einen hinreichenden Inlandsbezug der juristischen Person voraus, der regelmäßig vorliegen wird, wenn die ausländische juristische Person in Deutschland tätig wird und hier vor den Fachgerichten klagen und verklagt werden kann.
Das Bundesverfassungsgericht hatte weiter zu klären, ob und inwieweit die Fachgerichte das von ihnen anzuwendende, ganz oder teilweise unionsrechtlich harmonisierte deutsche Recht am Maßstab des deutschen Grundgesetzes und des Rechts der Europäischen Union zu messen haben und inwieweit das Bundesverfassungsgericht die fachgerichtliche Auslegung seinerseits am Grundgesetz überprüft. Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung des Urheberrechts den Eigentumsschutz nach dem Grundgesetz zu beachten, soweit das europäische Recht hierbei Auslegungsspielräume lässt. Halten die Gerichte eine Vollharmonisierung durch das Unionsrecht für eindeutig, ohne ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten, unterliegt dies der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht, das hierbei nicht auf eine bloße Willkürkontrolle beschränkt ist. Fehlt es an einem mitgliedstaatlichen Auslegungsspielraum, müssen die Gerichte das anwendbare Unionsrecht bei gegebenem Anlass auf seine Vereinbarkeit mit den Grundrechten des Unionsrechts prüfen und, wenn erforderlich, ein Vorabentscheidungsverfahren zum EuGH einleiten.
Nach diesen Maßstäben ist die Beschwerdeführerin durch das angegriffene Urteil nicht in ihrem von Art. 14 Abs. 1 GG umfassten Urheberrecht, die Verbreitung von Vervielfältigungsstücken der
Das angegriffene Urteil entzieht die Beschwerdeführerin nicht ihrem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Nach der Rechtsprechung des EuGH muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Gemeinschaftsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass sie bereits Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Anwendung dieser Regeln offensichtlich unhaltbar ist. Indem der Bundesgerichtshof die von ihm für entscheidungserheblich gehaltenen Fragen im Parallelverfahren dem EuGH vorgelegt hat, hat er seine Vorlagepflicht auch im Streitfall nicht grundsätzlich verkannt. Dem angegriffenen Urteil ist die vertretbare Überzeugung zu entnehmen, dass Art. 4 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie eine vollharmonisierte Regelung des Verbreitungsrechts darstellt und der EuGH die Auslegung des Verbreitungsbegriffs der Richtlinie abschließend und umfassend geklärt hat.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 12.09.2011
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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