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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24.01.2012
1 BvR 1299/05 -

Regelungen des Telekommunikationsgesetzes zur Speicherung und Verwendung von Daten teilweise verfassungswidrig

Bundesverfassungsgericht ordnet befristete Fortgeltung für verfassungswidrige Vorschriften an

Die Regelungen des Telekommunikationsgesetzes zur Speicherung und Verwendung von Telekommunikationsdaten sind teilweise verfassungswidrig. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht. Das Gericht erklärte die Speicherungspflicht des § 111 TKG, die eine individualisierende Zuordnung von Telekommunikationsnummern zu den jeweiligen Anschlussinhabern ermöglicht für verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, sah aber demgegenüber in der Zuordnung von dynamischen IP-Adressen einen Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis und in der Auskunftspflicht hinsichtlich Zugangssicherungscodes eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung.

Die Verfassungsbeschwerde des zugrunde liegenden Falls richtet sich gegen die §§ 111 bis 113 des Telekommunikationsgesetzes (TKG).

§ 111 TKG

§ 111 TKG verpflichtet geschäftsmäßige Anbieter von Telekommunikationsdiensten, die von ihnen vergebenen beziehungsweise bereitgestellten Telekommunikationsnummern (Rufnummern, Anschlusskennungen, Mobilfunkendgerätenummern und Kennungen von elektronischen Postfächern) sowie die zugehörigen persönlichen Daten der Anschlussinhaber wie Namen, Anschriften und Geburtsdaten zu erheben und zu speichern.

Die §§ 112, 113 TKG schaffen die Grundlage für zwei verschiedene Verfahren zur Erteilung von Auskünften aus den nach § 111 TKG gespeicherten Daten.

§ 112 TKG

In dem durch § 112 TKG geregelten automatisierten Verfahren müssen die Anbieter von Telekommunikationsdiensten die Daten so bereit stellen, dass sie von der Bundesnetzagentur ohne Kenntnisnahme der Anbieter abgerufen werden können. Die Bundesnetzagentur hat die Daten auf Ersuchen konkret bezeichneter Behörden, darunter insbesondere der Strafverfolgungs- und Polizeivollzugsbehörden, im automatisierten Verfahren abzurufen und diesen zu übermitteln. Die Auskünfte dürfen immer erteilt werden, wenn sie zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben erforderlich sind.

§ 113 TKG

Das in § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG geregelte manuelle Verfahren verpflichtet dagegen die Telekommunikationsunternehmen selbst zur Auskunftserteilung. Auskunftsverpflichtet sind hier nicht nur die Anbieter, die Telekommunikationsdienste der Öffentlichkeit offerieren (z. B. Telefongesellschaften oder Provider), sondern darüber hinaus auch alle, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen (z. B. auch Krankenhäuser oder gegebenenfalls Hotels). Auskunftsberechtigt sind nach dieser Norm grundsätzlich alle Behörden. Voraussetzung ist, dass die Auskunft im Einzelfall für die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die Gefahrenabwehr oder nachrichtendienstliche Aufgaben erforderlich ist.

§ 113 Abs. 1 Satz 2 TKG regelt eine spezielle Auskunftspflicht hinsichtlich Zugangssicherungscodes wie Passworten oder Persönlichen Identifikationsnummern (PIN). Auskunftsberechtigt sind insoweit die Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden sowie die Nachrichtendienste. In Auslegung des § 113 TKG entspricht es verbreiteter, aber umstrittener Praxis, dass auch Auskünfte über den Inhaber einer so genannten dynamischen Internetprotokolladresse (dynamische IP-Adresse) erteilt werden. Hierbei handelt es sich um die Telekommunikationsnummern, mit denen vor allem Privatpersonen normalerweise im Internet surfen.

Der Abruf der Daten durch die auskunftsberechtigten Behörden richtet sich nach deren eigenen Rechtsgrundlagen; in der Praxis wurden hierbei Rechtsgrundlagen, die die Behörden allgemein zur Erhebung von Daten ermächtigen, als ausreichend angesehen.

Beschwerdeführer fühlen sich durch Datenspeicherung in Grundrechten verletzt

Die Beschwerdeführer nutzen vorausbezahlte Mobilfunkkarten sowie Internetzugangsdienste und machen geltend, durch die Speicherung ihrer Daten und deren mögliche Übermittlung im Rahmen der Auskunftsverfahren in ihren Grundrechten verletzt zu sein.

Erhebung und Speicherung von Telekommunikationsdaten sowie Verwendung des automatisierten Auskunftsverfahren verfassungsgemäß

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Erhebung und Speicherung von Telekommunikationsdaten nach § 111 TKG sowie ihre in § 112 TKG geregelte Verwendung im automatisierten Auskunftsverfahren verfassungsgemäß sind. Der hierdurch bewirkte Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nur von begrenztem Gewicht und angesichts der erstrebten Verbesserung der staatlichen Aufgabenwahrnehmung gerechtfertigt. Für den Datenabruf reichen hierbei auch die allgemeinen Datenerhebungsvorschriften der abrufberechtigten Behörden.

§ 113 Abs. 1 Satz 1 TKG berechtigt nicht zur Zuordnung dynamischer IP-Adressen

Keinen Erfolg hat die Verfassungsbeschwerde auch insoweit, als sie sich gegen die in § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG enthaltene Regelung zur Erteilung allgemeiner Auskünfte durch die Telekommunikationsdiensteanbieter im manuellen Auskunftsverfahren richtet. Die Vorschrift ist jedoch verfassungskonform so auszulegen, dass es für den Datenabruf spezieller fachrechtlicher Ermächtigungsgrundlagen bedarf. Zudem berechtigt § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht zu einer Zuordnung von dynamischen IP-Adressen. Für eine Übergangszeit, längstens bis zum 30. Juni 2013, darf die Vorschrift unabhängig von diesen Maßgaben angewendet werden.

Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung

Dagegen ist § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar. Die Vorschrift gilt jedoch übergangsweise, längstens bis zum 30. Juni 2013 mit der Maßgabe fort, dass die Sicherungscodes nur unter den Bedingungen erhoben werden dürfen, unter denen sie nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften (etwa denen des Strafprozessrechts) auch genutzt werden dürfen.

Pflichten der Diensteanbieter zur Erhebung, Speicherung und Bereitstellung von Daten verletzten Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Die angegriffenen Vorschriften sind im Wesentlichen am Maßstab des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zu messen. Die in den §§ 111 bis 113 TKG geregelten Pflichten der Diensteanbieter zur Erhebung, Speicherung und Bereitstellung der Daten bewirken ebenso wie die Befugnis der Bundesnetzagentur zum Zugriff auf diese Daten und zu deren Übermittlung beziehungsweise wie die Befugnis der Telekommunikationsanbieter zur Auskunftserteilung jeweils eigenständige Eingriffe in dieses Grundrecht. Ein weiterer eigenständiger Grundrechtseingriff liegt darüber hinaus im Abruf der Daten, der eine gegenüber den §§ 112, 113 TKG eigenständige Rechtsgrundlage erfordert. Für Abruf und Auskunftserteilung müssen damit korrespondierende Rechtsgrundlagen bestehen, die wie Doppeltüren zusammenwirken. Dagegen greifen die angegriffenen Vorschriften solange sie nicht für die Zuordnung dynamischer IP-Adressen genutzt werden nicht in das Telekommunikationsgeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG ein. Das Grundrecht schützt allein die Vertraulichkeit konkreter Telekommunikationsvorgänge, nicht aber die Vertraulichkeit der jeweiligen Umstände der Bereitstellung von Telekommunikationsdienstleistungen. Die in den §§ 111 bis 113 TKG angeordnete Speicherung und Auskunftserteilung betrifft lediglich die abstrakte Zuordnung von Telekommunikationsnummern zu bestimmten Anschlussinhabern, die ebenso wie die Zuordnung einer statischen IP-Adresse zu einem Nutzer nicht in den Schutzbereich des Art. 10 GG fällt.

Zuordnung von dynamischen IP-Adressen stellt Eingriff in Telekommunikationsgeheimnis dar

Demgegenüber begründet die Zuordnung von dynamischen IP-Adressen einen Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis. Denn für die Identifizierung einer dynamischen IP-Adresse müssen die Telekommunikationsunternehmen die entsprechenden Verbindungsdaten ihrer Kunden sichten und somit auf konkrete Telekommunikationsvorgänge zugreifen, die vom Schutzbereich des Art. 10 GG umfasst sind.

Speicherungspflicht des § 111 TKG verfolgt legitimen Zweck

Die Speicherungspflicht des § 111 TKG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie dient dazu, eine verlässliche Datenbasis für die in §§ 112, 113 TKG geregelte Auskunftserteilung vorzuhalten, die es bestimmten Behörden erlaubt, Telekommunikationsnummern individuellen Anschlussinhabern zuzuordnen. Die hiermit erstrebte Verbesserung staatlicher Aufgabenwahrnehmung vor allem im Bereich der Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und nachrichtendienstlicher Tätigkeiten ist ein legitimer Zweck, der den Grundrechtseingriff rechtfertigt. Die in § 111 TKG geregelte punktuelle Vorhaltung bestimmter, begrenzter und in ihrem Informationsgehalt genau umschriebener Daten für die in den §§ 112, 113 TKG eingehend definierten Verwendungszwecke verstößt nicht gegen das strikte Verbot der Vorratsdatenspeicherung.

Individualisierende Zuordnung von Telekommunikationsnummern zu den jeweiligen Anschlussinhabern kein schwerwiegender Eingriff in Grundrechte

§ 111 TKG ist verhältnismäßig. Angesichts des nicht sehr weit reichenden Informationsgehalts der erfassten Daten handelt es sich um einen Eingriff von nur begrenztem Gewicht. Sie geben aus sich heraus noch keinen Aufschluss über konkrete Aktivitäten Einzelner, sondern ermöglichen allein die individualisierende Zuordnung von Telekommunikationsnummern zu den jeweiligen Anschlussinhabern. Grundlegend anders als im Fall der vorsorglichen Speicherung sämtlicher Telekommunikationsverkehrsdaten umfassen diese Daten als solche weder höchstpersönliche Informationen noch ist mit ihnen die Erstellung von Persönlichkeits- oder Bewegungsprofilen möglich. Auch erfasst § 111 TKG nicht die dynamischen IP-Adressen. Die Möglichkeit der Zuordnung der in § 111 TKG erfassten Daten dient einer effektiven Aufgabenwahrnehmung der in den Verwendungsvorschriften näher bestimmten Behörden. Sie ist verfassungsrechtlich dadurch gerechtfertigt, dass der Staat anlassbezogen ein legitimes Interesse an der Aufklärung bestimmter Telekommunikationsvorgänge haben und diesem Interesse zur Erfüllung bestimmter Aufgaben ein erhebliches, in Einzelfällen auch überragendes Gewicht zukommen kann.

Automatisiertes Auskunftsverfahren verfassungsgemäß

Das automatisierte Auskunftsverfahren gemäß § 112 TKG ist ebenfalls mit der Verfassung vereinbar. Die Vorschrift ist Rechtsgrundlage für die Pflicht der Diensteanbieter zur Bereitstellung der Daten als Kundendatei sowie für den Zugriff auf diese Daten durch die Bundesnetzagentur und deren Übermittlung an die auskunftsberechtigten Behörden. Für den Abruf der Daten durch die Behörden setzt § 112 TKG dem "Doppeltürenmodell" entsprechend eine eigene Ermächtigungsgrundlage voraus, wobei die allgemeinen Datenerhebungsvorschriften der jeweils auskunftsberechtigten Behörden ausreichen.

Kein Verstoß gegen Kompetenzordnung des Grundgesetzes durch automatisiertes Auskunftsverfahren

§ 112 TKG verstößt nicht gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Der Bund durfte das automatisierte Auskunftsverfahren auf der Grundlage seiner Kompetenz für das Telekommunikationsrecht gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG regeln. Hierzu gehört auch die Regelung des Datenschutzes in diesem Bereich und zugleich die Festlegung, wann eine Behörde in Öffnung dieser datenschutzrechtlichen Anforderungen Daten übermitteln darf. Demgegenüber endet seine Gesetzgebungsbefugnis dort, wo es um den Abruf solcher Informationen geht. Die Ermächtigungen zum Datenabruf selbst bedürfen eines eigenen Kompetenztitels des Bundes oder müssen den Ländern überlassen bleiben. Da § 112 TKG lediglich den Datenaustausch zwischen Behörden regelt, bestehen kompetenzrechtlich keine Bedenken, dass der Bund das Auskunftsverfahren soweit regelt, dass die Länder für den Datenabruf nur noch allgemeine Datenerhebungsgrundlagen bereitstellen müssen. Denn das Letztentscheidungsrecht der Länder über das Ob und Wie des Datenabrufs bleibt unberührt.

Automatisiertes Auskunftsverfahren genügt Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

§ 112 TKG genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Vorschrift dient der Effektivierung der staatlichen Aufgabenwahrnehmung. Bei den Zwecken, für die den Behörden Auskünfte nach § 112 Abs. 2 TKG erteilt werden, handelt es sich um zentrale Aufgaben der Gewährleistung von Sicherheit. Angesichts der Bedeutung elektronischer Kommunikationsmittel und des fortentwickelten Kommunikationsverhaltens der Menschen in allen Lebensbereichen sind die Behörden darauf angewiesen, Telekommunikationsnummern individuell zuordnen zu können. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden, wenn der Gesetzgeber die Übermittlung dieser Auskünfte erlaubt, um Straftaten und Gefahren aufzuklären, verfassungsbedrohliche Entwicklungen zur Information der Regierung und der Öffentlichkeit zu beobachten oder in Notsituationen zu helfen.

Identifizierung von statischen IP-Adressen nicht unverhältnismäßig

Unverhältnismäßig ist die Vorschrift nach dem derzeitigen Stand der technischen Entwicklung und Praxis auch nicht insoweit, als sie unter Umständen die Identifizierung von statischen IP-Adressen ermöglicht. Denn da diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt in aller Regel nur Institutionen und Großnutzern, nicht aber privaten Nutzern als Einzelkunden zugewiesen werden, hat die Möglichkeit der Abfrage solcher Nummern nur geringes Gewicht. Allerdings trifft den Gesetzgeber insoweit eine Beobachtungs- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht. Die dynamischen IP-Adressen sind von § 111 TKG jedoch nicht umfasst, sodass § 112 TKG diesbezüglich eine Deanonymisierung nicht ermöglicht.

Manuelles Auskunftsverfahren bedarf verfassungskonformer Auslegung

Das manuelle Auskunftsverfahren gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG ist gleichfalls mit der Verfassung vereinbar. Die Vorschrift bedarf aber in zweifacher Hinsicht einer verfassungskonformen Auslegung.

Für Datenabruf seitens auskunftsberechtigter Behörden bedarf es fachrechtlicher, gegebenenfalls landesrechtlicher Ermächtigungsgrundlagen

Zum einen ist sie sowohl aus kompetenzrechtlichen als auch aus rechtsstaatlichen Gründen so auszulegen, dass sie für sich allein Auskunftspflichten der Telekommunikationsunternehmen noch nicht begründet. Da es sich um Auskunftspflichten Privater handelt, bedarf es für den Abruf der Daten seitens der auskunftsberechtigten Behörden fachrechtlicher, gegebenenfalls landesrechtlicher Ermächtigungsgrundlagen, die eine Verpflichtung der Telekommunikationsdiensteanbieter gegenüber den abrufberechtigten Behörden eigenständig und normenklar begründen. Denn kompetenzrechtlich gehört die Begründung einer Auskunftspflicht Privater nicht mehr zur Regelung der Übermittlungszwecke, sondern zum Datenabruf. Aus dem Grundsatz der Normenklarheit ergibt sich, dass insoweit hinreichend klar geregelt sein muss, gegenüber welchen Behörden die Anbieter konkret zur Datenübermittlung verpflichtet sein sollen.

Manuelles Auskunftsverfahren darf nicht zur Zuordnung dynamischer IP-Adressen angewandt werden

Zum anderen darf die Vorschrift nicht zur Zuordnung von dynamischen IP-Adressen angewendet werden. Dies verbietet sich schon deshalb, weil die Zuordnung von dynamischen IP-Adressen als Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG zu qualifizieren ist. Für solche Eingriffe gilt das Zitiergebot gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach der Gesetzgeber das Grundrecht, in das eingegriffen wird, unter Angabe des Artikels nennen muss. Daran fehlt es vorliegend. Im Übrigen ist in § 113 Abs. 1 TKG nicht hinreichend klar geregelt, ob mit ihm auch eine Identifizierung solcher Adressen, die ein eigenes Gewicht hat, erlaubt werden soll.

Ausgehend von den vorstehenden Maßgaben genügt § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Angesichts des begrenzten Informationsgehalts der betreffenden Daten sowie ihrer großen Bedeutung für eine effektive Aufgabenwahrnehmung ist die Reichweite der Vorschrift verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ermöglicht keineswegs Auskünfte ins Blaue hinein als allgemeines Mittel für einen gesetzesmäßigen Verwaltungsvollzug, sondern setzt im Einzelfall die Erforderlichkeit zur Wahrnehmung einer sicherheitsrechtlich geprägten Aufgabe voraus. Auch der weite Kreis der Auskunftsverpflichteten ist mit Blick auf das Ziel einer Effektivierung der Ermittlungsmöglichkeiten gerechtfertigt.

Auskunftspflicht hinsichtlich Zugangssicherungscodes verletzt Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung

Dagegen verletzt die Vorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, weil sie nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt. Die Regelung betrifft die Zugangssicherungscodes, die den Zugang zu Endgeräten sichern und damit die Betreffenden vor einem Zugriff auf die entsprechenden Daten beziehungsweise Telekommunikationsvorgänge schützen. Der Zugriff auf diese Daten ist jedoch in dem Umfang, wie ihn § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG regelt, für die effektive Aufgabenwahrnehmung dieser Behörden nicht erforderlich. Die Vorschrift macht sie den Behörden zugänglich und versetzt sie damit in die Lage, die entsprechenden Barrieren zu überwinden, ohne die Voraussetzungen für die Nutzung dieser Codes zu regeln. Diese sollen sich vielmehr, wie § 113 Abs. 1 Satz 3 TKG klarstellt, allein nach eigenständigen Rechtsgrundlagen des Fachrechts, so z. B. nach den entsprechenden Vorschriften der Strafprozessordnung, bestimmen. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum die Behörden die in § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG geregelten Zugangscodes unabhängig von den Anforderungen an deren Nutzung und damit gegebenenfalls unter leichteren Voraussetzungen abfragen können sollen. Die Erhebung der in § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG geregelten Zugangsdaten ist mit Blick auf die dort verfolgten Zwecke nur dann erforderlich, wenn auch die Voraussetzungen von deren Nutzung gegeben sind. Dies stellt die Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG in ihrer derzeitigen Fassung nicht hinreichend sicher.

Sicherheitsbehörden dürfen Auskünfte über Zugangssicherungscodes bei gegebenen gesetzlichen Voraussetzungen für Nutzung verlangen

Das Bundesverfassungsgericht hat die verfassungswidrige Vorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 2 TKG nicht für nichtig erklärt, sondern ihre befristete Fortgeltung angeordnet mit Maßgabe, dass die Sicherheitsbehörden Auskünfte über Zugangssicherungscodes wie PIN und PUK nur dann verlangen dürfen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Nutzung gegeben sind. Denn die Nichtigerklärung hätte zur Folge, dass auch für die Fälle, in denen die Behörden zu Recht zur Verhinderung oder Ahndung gewichtiger Rechtsgutsverletzungen auf Telekommunikationsdaten Zugriff nehmen dürfen, nicht hinreichend gesichert wäre, dass sie hierzu in der Lage sind. Dies wäre angesichts des begrenzten Gewichts des Grundrechtseingriffs auch zwischenzeitlich nicht hinzunehmen. Einer Übergangsregelung bedarf es aus denselben Gründen auch bezüglich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung des § 113 Abs. 1 Satz 1 TKG. Würden diese Anforderungen sofort wirksam, wären in zahlreichen Fällen bis zum Erlass neuer Abrufregelungen des Fachrechts weder Auskünfte zu Telekommunikationsnummern möglich noch könnten dynamische IP-Adressen identifiziert werden.

© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 24.02.2012
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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