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Das Bundesverfassungsgericht hat §§ 13 a und 13b und § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zur Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftsteuer für verfassungswidrig erklärt. Die Vorschriften sind zunächst weiter anwendbar; der Gesetzgeber muss bis 30. Juni 2016 eine Neuregelung treffen. Zwar liegt es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu begünstigen. Die Privilegierung betrieblichen Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit sie über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen. Ebenfalls unverhältnismäßig sind die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme und die Verschonung betrieblichen Vermögens mit einem Verwaltungsvermögensanteil bis zu 50 %. §§ 13 a und 13b ErbStG sind auch insoweit verfassungswidrig, als sie Gestaltungen zulassen, die zu nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen führen. Die genannten Verfassungsverstöße haben zur Folge, dass die vorgelegten Regelungen insgesamt mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind.
Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist Miterbe des 2009 verstorbenen Erblassers. Der Nachlass setzte sich aus Guthaben bei Kreditinstituten und einem Steuererstattungsanspruch zusammen. Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer mit einem Steuersatz von 30 % nach Steuerklasse II fest. Der Kläger macht geltend, die nur für das Jahr 2009 vorgesehene Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III sei
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Vorlage des Bundesfinanzhofs im Wesentlichen zulässig ist. Art. 3 Abs. 1 GG verleiht Steuerpflichtigen keinen Anspruch auf verfassungsrechtliche Kontrolle steuerrechtlicher Regelungen, die Dritte gleichheitswidrig begünstigen, das eigene Steuerrechtsverhältnis aber nicht betreffen. Anderes gilt jedoch, wenn Steuervergünstigungen die gleichheitsgerechte Belastung durch die Steuer insgesamt in Frage stellen. Für das Ausgangsverfahren kommt es zwar nicht unmittelbar auf die Auslegung und Anwendung der §§ 13 a und 13b ErbStG an. Dennoch durfte der Bundesfinanzhof von ihrer Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren ausgehen. Die vom Bundesfinanzhof geltend gemachten Gleichheitsverstöße sind so erheblich, dass sie die erbschaftsteuerrechtliche Begünstigung für betriebliches Vermögen insgesamt erfassen; zudem ist die
Für die vorgelegten Normen besteht eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG. Im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG ist eine bundesgesetzliche Regelung nicht erst dann, wenn sie unerlässlich für die Rechts- oder Wirtschaftseinheit ist. Es genügt vielmehr, dass der Bundesgesetzgeber problematische Entwicklungen für die Rechts- und Wirtschaftseinheit erwarten darf. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, prüft das Bundesverfassungsgericht, wobei dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative im Hinblick auf diese Bedingungen einer bundesgesetzlichen Regelung und deren Erforderlichkeit im gesamtstaatlichen Interesse zusteht. Im vorliegenden Fall durfte der Bundesgesetzgeber davon ausgehen, dass ohne bundesgesetzliche Regelung eine Rechtszersplitterung mit nicht unerheblichen Nachteilen für Erblasser und Erwerber betrieblichen Vermögens wie auch für die Finanzverwaltung zu befürchten wäre.
Die erbschaftsteuerliche Begünstigung des Übergangs betrieblichen Vermögens verstößt in Teilen gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber im Steuerrecht einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstands als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Abweichungen von der einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich ebenfalls am Gleichheitssatz messen lassen. Sie bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, für den die Anforderungen an die Rechtfertigung mit Umfang und Ausmaß der Abweichung steigen.
Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, mit Hilfe des Steuerrechts außerfiskalische Förderziele zu verfolgen. Er verfügt über einen großen Spielraum bei der Einschätzung, welche Ziele er für förderungswürdig hält und welche Verschonungen von der Steuer er zur Erreichung dieser Ziele vorsieht. Allerdings bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Je nach Intensität der Ungleichbehandlung kann dies zu einer strengeren Kontrolle der Förderziele durch das Bundesverfassungsgericht führen.
Die Verschonungsregelung als solche ist im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, bedarf beim Übergang großer Unternehmensvermögen aber der Korrektur. Die Verschonungsregelung führt zu Ungleichbehandlungen der Erwerber betrieblichen und nichtbetrieblichen Vermögens, die ein enormes Ausmaß erreichen können. Nach §§ 13 a und 13b ErbStG bleiben 85 % oder 100 % des Wertes von
Der Gesetzgeber unterliegt einer strengeren Kontrolle am Maßstab der Verhältnismäßigkeit, weil die Unterscheidung zwischen begünstigtem und nicht begünstigtem Vermögen nicht nur einen Randbereich erfasst, denn mehr als ein Drittel des in den Jahren 2009 bis 2012 unentgeltlich übertragenen Vermögens wurde über §§ 13 a und 13b ErbStG von der Erbschaftsteuer befreit. Außerdem haben die Erwerber vielfach nur geringen Einfluss darauf, ob das ihnen geschenkte oder von ihnen ererbte Vermögen dem förderungswürdigen Vermögen zuzuordnen ist.
Die Verschonungsregelung soll vor allem
Die §§ 13 a und 13b ErbStG sind geeignet und im Grundsatz auch erforderlich, um die mit ihnen verfolgten Ziele zu erreichen. Der Gesetzgeber verfügt insoweit über einen weiten Einschätzungs- und Prognosespielraum. Vor diesem Hintergrund ist es ausreichend, dass er eine ernsthafte Gefahr von Liquiditätsproblemen bei der Besteuerung des unentgeltlichen Übergangs von
Die durch die Verschonungsregelung bewirkte Ungleichbehandlung ist im Grundsatz verhältnismäßig im engeren Sinne, auch soweit sie eine Steuerverschonung von 100 % ermöglicht. Der Gesetzgeber ist weitgehend frei in seiner Entscheidung, welche Instrumente er dafür einsetzt, eine zielgenaue Förderung sicherzustellen. In Anbetracht des erheblichen Ausmaßes der Ungleichbehandlung stünde es nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang, eine umfassende Verschonung ohne jegliche Bedingungen zu gewähren.
Unverhältnismäßig ist die
Die Verschonungsregelung der §§ 13 a und 13b ErbStG verstößt auch in Teilen ihrer Ausgestaltung gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Festlegung der begünstigten Vermögensarten. Die Mindestbeteiligung von über 25 % bei Kapitalgesellschaften scheidet bloße Geldanlagen aus. Bei einer Beteiligung von über 25 % durfte der Gesetzgeber von einer unternehmerischen Einbindung des Anteilseigners in den Betrieb ausgehen; im Übrigen ist die Festlegung einer Mindestbeteiligung durch die Typisierungs- und Vereinfachungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt. Sie ist auch nicht verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, weil das Gesetz auf die Verhältnisse beim Erblasser abstellt und auf Erwerberseite kein personaler Einfluss auf das
Die Lohnsummenregelung ist im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, nicht jedoch die Freistellung von Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten. Sie verfolgt das legitime Ziel, Arbeitsplätze zu erhalten. Die Entscheidung des Gesetzgebers für die Lohnsummenregelung anstelle einer strikten Bindung an den Erhalt der konkreten Arbeitsplätze liegt innerhalb seines Gestaltungsspielraums. Die Freistellung von Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten verstößt jedoch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Regelung verfolgt insbesondere das Ziel der Verwaltungsvereinfachung. Erwerber von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten werden jedoch unverhältnismäßig privilegiert. Nach den Ausführungen des Bundesfinanzhofs weisen weit über 90 % aller Betriebe in Deutschland nicht mehr als 20 Beschäftigte auf. Betriebe können daher fast flächendeckend die steuerliche Begünstigung ohne Rücksicht auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen beanspruchen, obwohl der mit dem Nachweis und der Kontrolle der Mindestlohnsumme verbundene Verwaltungsaufwand nicht so hoch ist wie teilweise geltend gemacht wird. Die Grenze einer zulässigen Typisierung wird überschritten, da das Regel-Ausnahme-Verhältnis der gesetzgeberischen Entlastungsentscheidung faktisch in sein Gegenteil verkehrt wird. Sofern der Gesetzgeber an dem gegenwärtigen Verschonungskonzept festhält, wird er die Freistellung von der Lohnsummenpflicht auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten begrenzen müssen.
Die Behaltensfrist von fünf oder sieben Jahren ist im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, zumal sie durch Lohnsummenregelung und Verwaltungsvermögenstest angemessen ergänzt wird. Die Regelung über das Verwaltungsvermögen ist nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Die Ziele des Gesetzgebers, nur produktives Vermögen zu fördern und Umgehungen durch steuerliche Gestaltung zu unterbinden, sind zwar legitim und auch angemessen. Dies gilt jedoch nicht, soweit begünstigtes Vermögen mit einem Anteil von bis zu 50 % Verwaltungsvermögen insgesamt in den Genuss der steuerlichen
Ein Steuergesetz ist
Da bereits die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Pflicht zur Einhaltung der Mindestlohnsumme eine unverhältnismäßige
Da der Verwaltungsvermögenstest dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ folgt, ist die Beteiligung an einer Gesellschaft insgesamt nicht dem Verwaltungsvermögen zuzuordnen, wenn ihr Anteil an Verwaltungsvermögen 50 % oder weniger beträgt. Bei mehrstufigen Konzernstrukturen kann dies zu einem Kaskadeneffekt führen. Bei einer Beteiligung auf unterer Stufe mit einem Verwaltungsvermögen von bis zu 50 % entsteht dort insgesamt begünstigtes Vermögen, das auf der nächsthöheren Beteiligungsstufe vollständig als begünstigtes Vermögen gewertet wird, obwohl bei einer Gesamtbetrachtung des Konzerns der Verwaltungsvermögensanteil überwiegt. Indem die Vorschrift des § 13 b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG solche Konzerngestaltungen zulässt, verstärkt sie den ohnehin bereits im Hinblick auf die Grundform der 50 %-Regel festgestellten Gleichheitsverstoß.
Eine „Cash-GmbH“ ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Vermögen ausschließlich aus Geldforderungen besteht. Bis zum 7. Juni 2013 rechneten Geldforderungen nicht zum Verwaltungsvermögen. Für die steuerliche
Die festgestellten Gleichheitsverstöße erfassen die §§ 13 a und 13b ErbStG insgesamt; dies gilt für die Ursprungsfassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008 und alle Folgefassungen. Aufgrund der festgestellten Gleichheitsverstöße erweisen sich wichtige Elemente der §§ 13 a und 13b ErbStG als
Wir stimmen der Entscheidung zu, sind aber der Ansicht, dass zu ihrer Begründung ein weiteres Element gehört: das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Es sichert die Entscheidung weiter ab und macht ihre Gerechtigkeitsdimension erst voll sichtbar. Die Erbschaftsteuer dient nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern ist zugleich ein Instrument des Sozialstaats, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst. Dass hier auch in Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit eine Herausforderung liegt, zeigt die Entwicklung der tatsächlichen Vermögensverteilung. Verwies schon Böckenförde in seinem Sondervotum zur Vermögensteuer für das Jahr 1993 darauf, dass 18,4 % der privaten Haushalte über 60 % des gesamten Nettogeldvermögens verfügten, lag dieser Anteil bereits im Jahr 2007 in den Händen von nur noch 10 %. Die Schaffung eines Ausgleichs sich sonst verfestigender Ungleichheiten liegt in der Verantwortung der Politik - nicht aber in ihrem Belieben. Wie der Senat schon für die Gleichheitsprüfung betont, belässt die Verfassung dem Gesetzgeber dabei einen weiten Spielraum. Aufgrund seiner Bindung an Art. 20 Abs. 1 GG ist er aber besonderen Rechtfertigungsanforderungen unterworfen, je mehr von dieser Belastung jene ausgenommen werden, die unter marktwirtschaftlichen Bedingungen leistungsfähiger sind als andere. Die in der Entscheidung entwickelten Maßgaben tragen dazu bei, dass Verschonungsregelungen nicht zur Anhäufung und Konzentration größter Vermögen in den Händen Weniger führen.
© kostenlose-urteile.de (ra-online GmbH), Berlin 17.12.2014
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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